28.08.2020

80. Geburtstag von Universitätsprofessor Wilfried Kindermann

Porträtfoto von Prof. Wilfried Kindermann
© privatUniversitätsprofessor Dr. Wilfried Kindermann.

In der Presse wurde er auch als „Kaiser der Sportmedizin“ bezeichnet – Dr. Wilfried Kindermann, langjähriger Professor für Sportmedizin und Leiter des Instituts für Sport- und Präventivmedizin an der Universität des Saarlandes, wird am 4. September 80 Jahre alt.

 

In Halle an der Saale geboren, legte Wilfried Kindermann in Meerane (Sachsen) 1958 die Reifeprüfung ab. Bei der Leichtathletik-Europameisterschaft 1962 in Belgrad gehörte er mit Manfred Kinder, Hans-Joachim Reske und Johannes Schmitt zur siegreichen deutschen 4 × 400-m-Staffel. Von 1961 bis 1967 studierte er Medizin an den Universitäten Heidelberg und Hamburg, legte 1967 das Staatsexamen ab und wurde in Hamburg mit seiner Studie „Verhalten von Herzfrequenz, Sauerstoffverbrauch und Sauerstoffpuls während des modernen Dauerlauftrainings“ zum Dr. med. promoviert.

Zwischen 1967 und 1969 war Kindermann als Medizinalassistent an der Universitätsklinik Hamburg und am Diakoniekrankenhaus in Rotenburg/Wümme tätig. Nach der 1969 erfolgten Approbation agierte er von 1970 bis 1972 als wissenschaftlicher Assistent am von Prof. Dr. Rudolf Thauer sen. geleiteten Max-Planck-Institut für Physiologische und Klinische Forschung in Bad Nauheim, wo er sich mit der Bearbeitung von Fragen des Säure-Basen-Haushaltes sowie der Atmungs- und der Temperaturregulation beschäftigte. Anschließend wechselte er an den Lehrstuhl für Kreislaufforschung und Leistungsmedizin an der Medizinischen Universitätsklinik Freiburg und betreute dort unter anderem die Sportler des Bundeskaders und des Landeskaders Baden-Württemberg. Im Februar 1977 folgte der Erwerb der Venia legendi für das Fach Innere Medizin, insbesondere Leistungsmedizin, wobei die Habilitationsschrift „Metabolische Azidose – ihre Bedeutung unter physiologischen und pathologischen Bedingungen“ mit der höchsten Auszeichnung des Deutschen Sportbundes, dem Carl-Diem-Preis, ausgezeichnet wurde. 1977/78 wirkte er als Leitender Oberarzt der Abteilung für Sport- und Leistungsmedizin an der Medizinischen Universitätsklinik Freiburg. Seit 1977 Facharzt für Innere Medizin, erwarb er 1978 die weiteren Qualifikationen für Kardiologie und Sportmedizin.

Zum 16. Oktober 1978 folgte der Jubilar dem Ruf auf die neue Professur für Sportmedizin und die Leitung der Abteilung für Sport- und Leistungsmedizin am Sportwissenschaftlichen Institut der Universität des Saarlandes. 1984 wurde die Abteilung als Institut für Sport- und Leistungsmedizin in die Medizinische Fakultät, den damaligen Fachbereich 4 Klinische Medizin, übernommen und 1996 in Institut für Sport- und Präventivmedizin umbenannt. 1988 lehnte Prof. Kindermann einen Ruf auf den Lehrstuhl für Sportmedizin mit Schwerpunkt Innere Medizin an die Freie Universität Berlin ab und wurde zum 30. September 2008 in Saarbrücken emeritiert.

Insgesamt hat er das Saarbrücker Institut zu einer der führenden Einrichtungen ausgestaltet und auch international zu einer renommierten Adresse gemacht sowie die Sportmedizin als echtes Querschnittsfach etabliert. Ebenso dokumentiert die Einrichtung des Olympia-Stützpunktes Profil und Reputation der Saarbrücker Sportmedizin. Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte markieren die Sportkardiologie (insbesondere Abgrenzung zwischen sportbedingten und krankhaften Herzveränderungen), Leistungsphysiologie (Weiterentwicklung der Laktatdiagnostik, Überlastung und Übertraining, immunologische Veränderungen durch Bewegung und Sport), Medikamente und Sport (z.B. randomisierte und placebokontrollierte Studien zu Wechselwirkungen zwischen körperlicher Aktivität und blutdrucksenkenden Medikamenten, Nebenwirkungen Doping). Zu diesen Themenfeldern hat er mehr als 650 wissenschaftliche Beiträge publiziert und sich als Mitglied im Editorial Board und Beirat nationaler und internationaler Zeitschriften oder als Vorsitzender oder Mitglied verschiedener Gremien der Sportmedizin und des deutschen Sports engagiert. Auf Anfrage verfasst Prof. Kindermann auch heute noch Reviews für führende internationale kardiologische Fachzeitschriften. Insgesamt betrachtete er die Sportmedizin primär als präventive Medizin, die vor allem der Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit der Sportler zu dienen hat; unter seiner Leitung beschäftigte sich die Saarbrücker Sportmedizin mit der gesamten Bewegungspalette, vom eingeschränkt belastbaren Herzpatienten bis zum medaillenträchtigen Hochleistungssportler.

Prof. Kindermann agierte bei acht Olympischen Sommerspielen als Arzt, als Leitender Arzt der deutschen Olympiamannschaften 2000 bis 2008, Leitender Arzt des Deutschen Leichtathletik-Verbandes 1989-1996, Internistischer Mannschaftsarzt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft 1990-2000, Chief Medical Officer der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 sowie Vorsitzender der Medizinischen Expertenkommission des Deutschen Olympischen Sportbundes bis 2010. Als Vorsitzender des Fachbeirats „Medizin“ des Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BISp), angesiedelt im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Inneren (BMI), war er außerdem als stellvertretender Vorsitzender des Direktoriums des BISp rund ein Jahrzehnt an der Aufstellung von Forschungsprogrammen beteiligt. Ferner war er persönliches Mitglied des Nationalen Olympischen Komitees und der Medizinischen Kommission des Europäischen Fußballverbandes UEFA 2002-2011. Als Aufsichtsrat der Nationalen Anti-Doping-Agentur NADA bis 2012, Mitglied der Kommission Doping-Kontroll-System der NADA (bis 2016) und Mitglied der Anti-Doping-Kommission des Deutschen Fußball-Bundes und des Deutschen Leichtathletik-Verbandes engagierte er sich im Kampf gegen Doping. Nach Kindermann wird die Sportmedizin häufig mit diesem Thema konfrontiert. Doping sei aber weder eine Erfindung noch eine Pflichterfüllung der Sportmedizin, jedoch müsse sich der sportmedizinisch tätige Arzt mit der Dopingproblematik auseinandersetzen. Sowohl in dem von ihm geleiteten Institut als auch in seinen verschiedenen Funktionen im Sport habe er die Dopingproblematik regelmäßig angesprochen und auf die ärztliche Verantwortung hingewiesen. Sein Arbeitskreis habe sich wissenschaftlich mit den gesundheitsgefährdenden Nebenwirkungen von Doping befasst und international publiziert.

Seine vielfältigen Verdienste sind unter anderem 1989 mit der Verleihung der Ernst-von-Bergmann-Plakette der Bundesärztekammer, des Saarländischen Verdienstordens und der Ernennung zum „Saarlandbotschafter“ gewürdigt worden.

Fragen beantwortet:
Dr. Wolfgang Müller
Archiv der Universität des Saarlandes
E-Mail: dr.wolfgang-mueller@t-online.de