11.07.2019

Nature-Artikel: Molekulare Basis der funktionellen Architektur zellulärer Kraftwerke entschlüsselt

Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes um Professor Martin van der Laan haben im Rahmen einer Kooperation mit dem Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin in Berlin und dem Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt einen wichtigen Beitrag zur Entschlüsselung des Bauplans von Mitochondrien geleistet. Dem Konsortium aus Strukturbiologen und Biochemikern ist es gelungen die Funktionsweise zweier am Umbauprozess von Mitochondrien beteiligter Schlüsselproteine zu enträtseln. Die Ergebnisse der Studie wurden im renommierten Fachmagazin Nature veröffentlicht und könnten zukünftig bei der Entwicklung neuer Therapien für mitochondriale Erkrankungen von Bedeutung sein.

Mitochondrien sind winzig kleine, kompliziert gebaute Zellorganellen, die auch als Kraftwerke der Zelle bezeichnet werden, weil sie für den Großteil der zellulären Energieversorgung zuständig sind. Die molekularen Reaktoren in diesen Kraftwerken sind filigrane Einstülpungen der inneren Mitochondrienmembran, die Cristae genannt werden und die an den Energieumwandlungs-prozessen beteiligten Enzyme enthalten. Die exakte Form dieser Membransysteme, sowie ihre Fähigkeit sich an geänderte Bedingungen und Bedürfnisse der Zelle anpassen zu können, sind überlebenswichtig. So unterliegt sowohl die Architektur der Cristae als auch die Morphologie der Mitochondrien insgesamt einer ständigen Qualitätskontrolle und Adaptation. Kommt es zu Einschränkungen dieser Anpassungsfähigkeit der Kraftwerke, kann dies unter anderem zu schweren neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson oder einer erblich bedingten Erblindung, der optischen Atrophie, führen.

In enger interdisziplinärer Zusammenarbeit haben sich die beteiligten Forscherteams mit dem exakten Aufbau und der Funktion von Proteinen aus der Mgm1/OPA1-Familie beschäftigt. Diese faszinierenden molekularen Maschinen sind sowohl an der Modellierung von Cristae als auch an der Teilung und Verschmelzung ganzer Mitochondrien entscheidend beteiligt. Erbliche Fehlfunktionen werden für die Entstehung der optischen Atrophie verantwortlich gemacht. Röntgenkristallographische Analysen der Gruppe von Professor Daumke am Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin in Berlin sowie elektronenmikroskopische Studien der Gruppe von Prof. Dr. Werner Kühlbrandt am Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt ermöglichten eine präzise strukturelle Charakterisierung von Mgm1/OPA1. Basierend auf den scharfen molekularen Bildern stellten die Forscher gemeinsam Hypothesen zur Arbeitsweise von Mgm1/OPA1 auf, die vom Team um Professor van der Laan an der Universität des Saarlandes in Homburg durch funktionelle Analysen von gezielt veränderten Proteinen in lebenden Zellen überprüft wurden. In diesem iterativen Prozess konnte ein immer weiter verfeinertes und präziseres Bild davon gewonnen werden, wie Mgm1/OPA1 mitochondriale Membranen verformt und verschmilzt.

Mgm1/OPA1-Proteine gehören zur Dynamin-Familie und enthalten drei typische funktionelle Module. Im Rahmen der Studie konnte nun eine neue vierte Domäne identifiziert werden, welche die Anheftung von Mgm1/OPA1 an die innere Mitochondrienmembran ermöglicht. Der Austausch bestimmter Aminosäuren in den Anheftungsstellen führte zum Verlust der charakteristischen Form der Cristae. Außerdem konnten die Mitochondrien nicht mehr effizient miteinander verschmelzen. Eine Kernbeobachtung dabei war, dass sich Mgm1/OPA1-Filamente unterschiedlicher Anordnung sowohl an die Außen- als auch an die Innenseite von künstlichen Membranröhrchen anheften können. Die spezielle Geometrie dieser künstlichen Membranröhrchen macht sie zu einem guten Modell für die Struktur der inneren Mitochondrienmembran mit ihren zahlreichen Einstülpungen. Die Forscherteams aus Homburg, Berlin und Frankfurt sind zuversichtlich, dass ihre fundamentalen Erkenntnisse die Grundlage für die Entwicklung neuer Therapieansätze zur Behandlung der optischen Atrophie und anderer mitochondrialer Erkrankungen sein könnten.

Den vollständigen Artikel finden Sie hier: „Katja Fälber et al. (2019): 'Structure and assembly of the mitochondrial membrane remodelling GTPase Mgm1'. Nature, DOI 10.1038/s41586-019-1372-3

Pressemitteilung des Max-Delbrück-Zentrums für Molekulare Medizin:www.mdc-berlin.de/de/news/press/dynamin-mgm1-kraftwerke-zelle