Corine Defrance und Ulrich Pfeil

Corine Defrance und Ulrich Pfeil

Penser et vivre la frontière dans les relations franco-allemandes 

Grenzen bestimmten lange Zeit die deutsch-französischen Beziehungen und haben folgen­schwere Konflikte zwischen den beiden Nachbarvölkern ausgelöst. In deren Mittelpunkt stand naturgemäß der Rhein, der einen Teil der deutsch-französischen Grenze ausmacht und über die Jahrhunderte eine emotionale und nationale Aufladung erhielt, welche starke Antagonismen zutage gefördert hat. Nachdem sich die Spannungen im Laufe des 19. Jahrhunderts verstärkt hatten und in einem ersten kriegerischen Konflikt sowie den katastrophalen Ereignissen des 20. Jahrhunderts gipfelten, war ein anderes Grenzdenken vonnöten, um den Völkern ein neues Miteinander zu ermöglichen. Aber wie konnte aus dieser ,historischen Narbe‘ ein dauerhaft stabiles Bündnis zwischen den beiden Ländern im Herzen Europas entstehen?

Der vorliegende Beitrag setzt beim veränderten Grenzempfinden im Rahmen der deutsch-französischen Beziehungen nach 1945 an. Ähnlich wie das Bild von der ,Erbfeind­schaft‘ musste auch die deutsch-französische Grenze politisch, militärisch, kulturell und mental demobilisiert werden, um den ,Schnitt‘, den der Rhein dargestellt hatte, in eine ,Naht‘ umzuwandeln und diesen ,Nil des Okzidents‘ von einer Grenzlinie zu einem europäischen Beziehungsraum werden zu lassen. Inwiefern war die Grenznähe dabei ein Vorteil oder aber, zumindest in der ersten Zeit, ein Hindernis für die bilateralen Bestrebun­gen einer Annäherung?

Ausgehend von einer historischen Auseinandersetzung mit dem Grenzbegriff unter Gegenüberstellung der Konzeptionen einer ,natürlichen Grenze‘, eines deutschen, französi­schen oder europäischen Rheins, zeigt dieser Beitrag, wie es Franzosen und Deutschen gelun­gen ist, mit dieser schmerzhaften Vergangenheit abzuschließen, indem sie nach 1945 den grenzüberschreitenden Kontakt und Dialog gesucht haben. Folglich werden die beiden Län­der heute oft als Vorzeigemodell für eine gelungene Versöhnung verstanden und die grenz­überschreitende bilaterale Kooperation ist zum Aushängeschild sowie zu einem spannenden Erprobungsfeld ihrer Beziehung geworden.

 

In: Lüsebrink, Hans-Jürgen; Polzin-Haumann, Claudia; Vatter, Christophe (Hg.): „Alles Frankreich oder was?" — Die saarländische Frankreichstrategie im europäischen Kontext. Interdisziplinäre Zugänge und kritische Perspektiven / «La France à toutes les sauces?» — La `Stratégie France´ de la Sarre dans le contexte européen. Approches interdisciplinaires et perspectives critiques (Frankreich-Forum, Jahrbuch des Frankreichzentrums der Universität des Saarlandes, Bd. 15/2015—2016). Bielefeld: transcript, 2016, S. 67.