Andreas Linsenmann

Andreas Linsenmann

 

Edith Piaf, Yves Montand und Un peu de Paris. Der Zielkonflikt zwischen Popularität und Prestige bei kulturellen Begegnungen der Nachkriegsjahre

Bereits kurz nach Kriegsende fanden in der französischen Besatzungszone in Deutschland zahlreiche Tourneen französischer Chansonniers, Revue-Produktionen und Jazz-Bands statt. Sie waren Teil einer mit enormem Ressourcenaufwand betriebenen Propaganda zur rééducation, zu Umerziehung der Deutschen. Der Andrang war groß, die Resonanz häufig begeistert. Dennoch stand die Besatzungsmacht den populärkulturellen Begegnungen von Beginn an skeptisch gegenüber. Es wurde befürchtet, leichte Unterhaltung diene nicht dem Prestige Frankreichs und den Zielen der Umerziehung, zumal die Qualität der Darbietungen häufig Kritik auf sich zog. 1947 wurden die unterhaltenden, breitenwirksamen Angebote daher gestoppt und fortan nur noch Programme mit ernster Kunstmusik angeboten. Durch die Verengung auf hochkulturelle Konzerte beschnitt man allerdings die Reichweite der Propaganda drastisch. Angesprochen wurde nur noch ein schmales Segment der Bevölkerung, das man als ‚Elite‘ verstand. Die vitale Nachfrage nach populärkulturellen Angeboten wurde ignoriert und damit auch eine Chance auf positiv besetzte, breit ausstrahlende interkulturelle Berührungspunkte vergeben.