Nicole Parfait

Nicole Parfait

Intellectuels et savants

 

Die Verfasserin gibt einen Überblick über die Tradition des Intellektuellen in Frankreich. Seit der Dreyfus-Affäre und mit Zolas „J’accuse" zeichnet sich das soziale Profil des Intellektuellen immer deutlicher ab: der Wille, die jeweiligen politischen Machthaber zu konterkarieren, die Zusammenarbeit mit Medien und Presse, die Verteidigung universeller Werte. Der eigentliche Beginn der Geschichte des Intellektuellen in Frankreich setzt mit Descartes und seinem Entwurf der Autonomie des menschlichen Geistes ein. Im 18. Jahrhundert hätten die Enzyklopädisten, insbesondere jedoch Rousseau („Contrat social") eine neue Phase des kritischen Denkens eingeleitet, die mit der Revolution einen politischen Höhepunkt erreicht habe. In ihrer Bestandsaufnahme der deutschen Entwicklung kommt die Verfasserin zu einem kontrastiven Vergleich: das politische Konzept individueller Freiheit sei auf deutscher Seite durch die transzendentale Philosophie (Schelling) und durch neue Bildungsideale (Fichte) erheblich belastet worden. Sie sieht hier insgesamt eine eher apolitische Entwicklung des Intellektuellen, die bis zu Thomas Mann und Heidegger reiche. In Frankreich habe sich aus dem Konflikt zwischen „dreyfusards“ und „antidreyfusards“ eine antinomische Konstellation entwickelt: der Gegensatz bestehe zwischen „rechts“ und „links“, d. h. zwischen nationalistischen Tendenzen und den Verteidigern universeller Werte. Als intellektuelle Zeitzeugen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ruft die Verfasserin u. a. Rolland, Gide oder Julien Benda auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg bestimmten Linke und Liberale - von Sartre bis Solschenitzyn - die Debatte in Europa, gefolgt von einer weiteren Generation Intellektueller, die den neuen - oder neu erkannten - Konflikt zwischen einem (vor allem anglo-amerikanisch geprägten) liberalistischen Kapitalismus und universellen humanistischen Prinzipien austrage. In der Gegenwart beobachtet sie einen neuen Umgang mit Tradition und Geschichte: ein Nachlassen ideologiekritischer Interessen zugunsten eines fragmentarischen Geschichtsbewußtseins, das sich in mikro-historischen Analysen, Diskurs-Theorien und postmodernem Dekonstruktivismus ausdrücke. Das Problem der Demokratie sei daher nicht mehr das erste Anliegen der französischen Intellektuellen unserer Zeit.