Michel Espagne

Michel Espagne

 

Les germanistes de l’Ecole normale supérieure de 1935 à 1955 [Die Germanisten der Ecole normale supérieure von 1935 bis 1955] (Abstract)

 

Die Ecole normale supérieure in Paris hat nicht nur einige der großen Germanisten Frankreichs hervorgebracht; in den Jahren 1900–1930 haben Absolventen wie Charles Andler die noch junge Disziplin auch entscheidend geprägt. Für die nachfolgende Generation, die zwischen 1935 und 1955 aktiv war und deren Karrieren hier im Detail untersucht werden sollen, wurde die Beschäftigung mit Deutschland jedoch zu einer Gratwanderung zwischen landeskundlich profilierten Ansätzen, die vor vehementer Kritik am Nationalsozialismus nicht zurückschreckten, und einer rein philologischen Schwerpunktsetzung, die eine problematische ‚Neutralität’ gegenüber den deutschen Verhältnissen ermöglichte. Allerdings sind in den Jahren des Krieges gerade unter den Germanisten der ENS kaum ausgesprochene Kollaborateure zu finden. Vielmehr zeigt die systematische Untersuchung von Lebensläufen, dass es von Sympathien mit Nazideutschland und der Mitwirkung an Propagandaveranstaltungen bis hin zu aktivem Widerstand durch Germanisten wie Pierre Bertaux und Pierre Grappin ein breites Spektrum an Erfahrungen und Verhaltensweisen gab.

Nach dem Krieg profitierte diese Generation von den zunehmenden Bemühungen um deutsch-französische Verständigung und Aussöhnung, bei denen Germanisten als Fachleute gefragt waren. Gleichzeitig etablierte sich ein stillschweigender Konsens darüber, die Vergangenheit ruhen zu lassen und sich eher entfernteren Epochen der deutschen Kulturgeschichte zuzuwenden; die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus blieb ebenso außen vor wie die Rezeption neuer Ansätze (Marxismus, Psychoanalyse u. ä.). Auch in der Nachkriegszeit war es eine kleine Zahl von ENS-Absolventen, die als Hochschullehrer eine Vielzahl von Dissertationen und Habilitationen betreuten und somit die weitere Entwicklung der französischen Germanistik nachhaltig beeinflussten.

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