Johannes Heil

Johannes Heil

 

Juden, Judentum und Antisemitismus in Deutschland nach der Shoa (Abstract)

 

Jüdisches Leben hat im Westen Deutschlands wieder Gestalt angenommen, noch bevor die Kapitulation unterzeichnet war. Rasch entstanden neue Gemeinden, die aber nicht auf Zukunft hin ausgerichtet waren, sondern Anlaufstellen für Gestrandete, insbesondere für ‚Displaced Persons’ waren und den Übergang bis zur Emigration regeln sollten. Dass es in beiden Teilen Deutschlands anders kam, hat vielfältige Ursachen, folgte aber keinem Plan. Zumindest in der Bundesrepublik haben sich die Gemeinden nur allmählich und kaum beabsichtigt dauerhaft eingerichtet. In der DDR war die Zahl derer, die hoffnungsvoll einen demokratischen Neuanfang suchten, anfangs größer, sie sahen sich aber bald der Repression vonseiten des Staates und der Partei ausgesetzt. Im Westen führten die Gemeinden die ersten Jahrzehnte hindurch ein zurückgezogenes Leben. Obendrein banden die zwischen ‚deutscher’ und ‚ostjüdischer’ Identität auszuhandelnden Konflikte die Kräfte. Die Entgegnung von altem und neuem Antisemitismus wurde weitgehend außerhalb der Gemeinden geleistet. Streitfälle wie jene um den Regisseur Harlan oder den Bundestagsabgeordneten Hedler wurden zum öffentlichen Diskursereignis, das zur Verbannung von Antisemitismus aus dem öffentlichen Raum führte. Nur am rechten Rand der Gesellschaft konnten sich Gruppen etablieren, die meist nur durch Propagandadelikte auffallen, teilweise aber auch durch Gewalttaten. Die Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik verfügten über unterschiedliche Rahmenbedingungen und haben verschiedene Wege genommen. Dennoch gibt es Gemeinsamkeiten: In beiden Systemen war den Juden von außen eine Rolle in Hinsicht der Gesamtgesellschaft angetragen worden. Das war in der DDR die des lebendigen Alibis, im Westen die des lebendigen Ausweises für demokratische Neuorientierung. In den Kontroversen der 1980er Jahre haben die Gemeinden in der Bundesrepublik diese passiv erscheinende Rolle hinter sich gelassen. In der DDR konnten die wenigen verbliebenen Juden sich Freiräume gegenüber der totalen Umarmung durch Partei und Staat bewahren.

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