Frank Wilhelm

Frank Wilhelm

 

Le Grand-Duché de Luxembourg au croisement des cultures européennes [Das Großherzogtum Luxemburg am Kreuzungspunkt der europäischen Kulturen] (Abstract)

 

Kulturell geprägt von der römischen Kultur und vom katholischen Christentum, ebenso wie durch die Nähe des deutschen und französischen Kulturraums, erlebte das heutige Großherzogtum im Mittelalter seine Blütezeit zunächst als Grafschaft, später als Herzogtum desselben Namens. Die formale Unabhängigkeit datiert zwar von 1839, doch erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts begann sich das Land wirtschaftlich zu entwickeln. Zur gleichen Zeit lässt sich das Aufkommen eines Nationalgefühls feststellen, das mit der Geburt der Literaturen in den drei in Gebrauch befindlichen Sprachen zusammenfällt: Luxemburgisch – ein westmoselfränkischer Dialekt, der erst 1984 zur Nationalsprache erhoben wird –, Deutsch und Französisch. Die boomende Stahlindustrie stellt etwa 100 Jahre lang die Hauptquelle des wirtschaftlichen Wohlstandes in Luxemburg dar; die Arbeitskräfte stammten dabei überwiegend aus Italien, das Kapital überwiegend aus dem Ausland. Während der zwei Weltkriege verletzte der Nachbar Deutschland den Neutralitätsstatus, der dem Land mit dem Londoner Vertrag 1867 auferlegt worden war: das wilhelminische Deutschland besetzte Luxemburg, das faschistische Deutschland annektierte es. Das Nationalbewusstsein ging aus diesen Krisen gestärkt hervor, und das moderne Großherzogtum bewältigt sein Schicksal mit der Entscheidung für ein Engagement in der UNO und zugunsten der europäischen Einigung. Angesichts einer immer internationaleren Wirtschaft und der Migrationsströme, die diese mit sich bringt, mit Tausenden von portugiesischen Einwanderern und lothringischen, belgischen und deutschen Grenzgängern, öffnet sich das Land immer mehr, und die Bevölkerung wird immer heterogener. Diese Dynamik der sozioökonomischen und kulturellen Faktoren zwingt die Luxemburger dazu, ihre Identität immer wieder neu zu definieren. Staatliche Organisationen, kulturelle Einrichtungen, Kunstförderungsfonds und die 2003 gegründete Universität Luxemburg begleiten diese Veränderung im Sinne einer gesteigerten europäischen Integration und in kosmopolitischem Geist, der auch abweichende, marginale Kulturen respektiert. Daher kann das Großherzogtum auch im dritten Jahrtausend, trotz seiner geringen Größe und seiner Bevölkerung von kaum einer halben Million, im Konzert der Nationen dieser Welt eine interessante Rolle spielen.