Henri Vogt

Henri Vogt

 

Osteuropa 20 Jahre nach der Wende – zwischen Fiktion und Realpolitik (Abstract)

 

In ganz Europa erinnerten Menschen sich 2009 an die euphorischen osteuropäischen Revolutionen und das Ende des Kommunismus vor zwanzig Jahren und stellten dabei gleichzeitig elementare Fragen. Zum Beispiel: Was ist während des Demokratisierungsprozesses gelungen, wo wurden möglicherweise Fehler gemacht, was ist letztendlich die allgemeine Bilanz der postkommunistischen Transformation im östlichen Teil des Kontinents? Dieser Aufsatz stellt zwei allgemeine gesellschaftliche Dimensionen dar, mit deren Hilfe solch schwierige Fragen (leichter) beantwortet werden können: die Distinktion zwischen einer idealisierten Form der Demokratie und dem Selbstbild als misslungene Demokraten einerseits, die Achse zwischen allgemeinem politischem Skeptizismus und nationalem Stolz andererseits. Diese Dimensionen erfassen viele grundlegende Aspekte bezüglich der postkommunistischen Verhältnisse und ermöglichen es auch, die Kontroversen der Europapolitik und der Beziehungen der osteuropäischen Länder zu Europa besser zu verstehen – was das zweite Ziel dieses Beitrages ist. Hierbei spielt die analytische Perspektive von Fiktion und Realpolitik eine zentrale Rolle: Die Europaerwartungen der ehemaligen kommunistischen Bürger hatten viel mit Fiktion zu tun – sie waren oft einfach zu hoch im Vergleich zu den realpolitischen Anforderungen. Um Demokratie in den ehemaligen kommunistischen Ländern weiterentwickeln zu können, sollte diese Kluft zwischen Erwartungen und Realität in der Zukunft kleiner werden – ohne dass jedoch die ‚fiktionalen‘, utopischen Aspekte der Demokratie verschwinden.