Roland Marti/Christian Prunitsch

Roland Marti/Christian Prunitsch

 

‚Petites littératures‘ en Europe [Kleine Literaturen in Europa] (Abstract)

 

Die sogenannten ‚kleinen Literaturen‘ stellen einen wesentlichen Beitrag zur kulturellen Vielfalt Europas dar, auch wenn dies oft nicht genügend gewürdigt wird. Ihre Vernachlässigung hat wesentlich damit zu tun, dass man ihre Spezifik außer Acht lässt. Diese äußert sich u. a. in quantitativen Beschränkungen (kleinerer, wenig spezialisierter Literaturbetrieb, Polyvalenz der Textschaffenden und der Texte), einer stärkeren Bedeutung der identitätsstiftenden Funktion und einer größeren Abhängigkeit von benachbarten, dominierenden Literaturen sowie in temporalen Besonderheiten (Verspätung, z. T. kompensiert durch beschleunigte Entwicklung). Nach einem Überblick über die ‚kleinen Literaturen‘ Europas werden ihre Merkmale am Beispiel der sorbischen Literaturen exemplifiziert. Dabei zeigt sich, dass die ‚kleinen Literaturen‘ gegenüber anderen nicht defizitär sind, sondern im Gegenteil spezifische Eigenschaften aufweisen (stärkerer Individualismus, geringere Abhängigkeit von Moden, Essenzialismus, kulturelle Pluralität). Durch sie entsteht ein literarischer Mehrwert, der verstärkt die Aufmerksamkeit der Forschung auf sich ziehen sollte.