Von Mäusen und Menschen

Von Mäusen und Menschen


Saarbrücker Genetiker leisten mit ihrer Forschung einen Beitrag zur Entwicklung neuer Therapien

In den letzten Monaten hat die Verwandlung von normalen Körperzellen in Stammzellen weltweit für Aufsehen gesorgt. Mit diesen alles könnenden Zellen wollen die Wissenschaftler einen Durchbruch im Kampf gegen zahlreiche Krankheiten schaffen. Wie genau solche zurückverwandelten Stammzellen entstehen, wissen die Experten nicht. Um das herauszufinden, schauen sich Forscher der Universität des Saarlandes die ersten Lebensstunden von Maus-Embryonen an. Veränderungen in der Eiweißhülle, die das eigentliche Erbgut in den Zellen umgibt, können über die Verwandlung Aufschluss geben.

 

Von Heike Kreher

 

„Jetzt kommt der Renner“, verspricht Jörn Walter, Genetik-Professor an der Universität des Saarlandes. Er hat ein für Normalmenschen recht spezielles Verständnis dafür, was ein Renner ist. Für Walter sind nämlich induzierte Pluripotente Stammzellen, kurz iPS, der Renner. Denn solche Stammzellen könnten, vereinfacht ausgedrückt, einmal dafür sorgen, dass aus einem Fingernagel eine neue Niere gezüchtet werden kann. „Stammzell-Gene sind im Gegensatz zum Erbgut in Körperzellen wie Haut- oder Muskelzellen noch beliebig an- und abschaltbar. Die Therapiemöglichkeiten, die sich mithilfe dieser iPS ergeben, sind also schier unbegrenzt“, sagt Jörn Walter. Alzheimer, Parkinson oder Verletzungen am Rückenmark beispielsweise könnten mithilfe dieser Stammzellen geheilt werden.

 

Stammzellen, die solche Therapiemöglichkeiten bieten, gibt es zwar schon, und zwar embryonale Stammzellen. Da der Embryo allerdings bei der Entnahme der Zellen getötet wird, dürfen diese aus ethischen Gründen in Deutschland nicht für Forschungszwecke verwendet werden. Ebenfalls ungeeignet für Stammzell-Forschung in Deutschland sind adulte Stammzellen. Diese sind im Menschen nach der Geburt vorhanden und bilden während dessen gesamter Lebensdauer neue Zellen, wie zum Beispiel im Gehirn, der Leber oder Blutstammzellen im Knochenmark. Eine adulte Stammzelle kann jedoch nur noch bestimmte Zelllinien hervorbringen. „Die Möglichkeiten, mithilfe adulter Stammzellen Krankheiten zu besiegen, sind also eingeschränkt“, erklärt Genforscher Jörn Walter.

 

Dass man Körperzellen in Stammzellen zurückverwandeln kann, ist sicher. Wie dieser Vorgang vonstatten geht, wissen die Forscher dagegen nicht. Um das zu erfahren, untersuchen die Genetiker an der Saar-Uni, was in den ersten Stunden nach der Befruchtung einer Maus-Eizelle geschieht. Denn dann werden aus Keimzellen Stammzellen, die schließlich als Körperzellen wie Muskel- oder Hautzellen enden. Jede Hautzelle trägt also grundsätzlich die Fähigkeit in sich, auch Muskelzelle zu sein. Sie müsste vorher lediglich wieder zur Stammzelle werden. Diese Gleichung gilt für jede Art von Körperzelle.

 

Wenn die Forscher also die Abläufe im Frühstadium des Mäuse-Lebens verstehen können, könnten Mediziner irgendwann diese Erkenntnisse nutzen, um aus schnöden Hautschuppen die wandelbaren Stammzellen zu gewinnen. „Genau genommen untersuchen wir nicht das Erbgut selbst, sondern die Eiweißhülle, die die Gene umgibt“, präzisiert Jörn Walter. Je nachdem, wie dick oder dünn diese Hülle an bestimmten Stellen ist, werden Gene an- und abgeschaltet und entscheiden so darüber, ob die Zelle beispielsweise Nerven- oder Blutzelle wird. Die gezielte Gewinnung solch spezieller Stammzellen verheißt also eine goldene medizinische Zukunft. Diese wandelbaren Alleskönner scheinen also wirklich der Renner zu sein, wie Jörn Walter sagt.

 

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