Die Homburger Puppenkiste

Die Homburger Puppenkiste


Mediziner der Saar-Uni lehren ihr Fach anhand von High-Tech-Puppen, die bluten und weinen können
 
Um sich besser auf die Arbeit an echten Patienten vorzubereiten und ihre Ausbildung realistischer zu gestalten, können Studenten an der Uniklinik Homburg an Puppen üben. Das Angebot kommt sehr gut an.

von Vincent Woldt
 
Notfallalarm an der Uniklinik Homburg. Der Puls ist schwach, die Nieren sind voller Gift, und Blut strömt aus den Wunden. Der Patient hat schlechte Chancen zu überleben, aber er weiß nichts davon und wird es auch nie erfahren. Schließlich ist der Patient eine Puppe und genau für solche Situationen gemacht.

Seit im Jahr 1995 im Notfallkonzept der Uniklinik das Wort „Simulations-Puppen“ auftauchte, hat die Entwicklung auf diesem Gebiet gigantische Fortschritte gemacht. Konnten die ersten Puppen damals lediglich zur Übung von Herzdruckmassagen verwendet werden, so können Studenten und Ärzte heute daran die Behandlung allergischer Schocks trainieren, die Puppe ver- und entgiften, den Kreislauf überwachen und die Atmung am Brustkorb fühlen, erklärt Oberarzt Dr. Marc Wrobel. Zusammen mit seinen Kollegen Oliver Fürst, Dirk Schmidt und weiteren Mitarbeitern hat er die Simulations-Puppen in Homburg populär gemacht. „Die Puppen können mittlerweile so viele Krankheiten simulieren, dass wir sie manchmal einfach mit den gewünschten Wunden und Störungen in den Wald legen und die Studenten hinschicken“, sagt Dr. Wrobel.

Über einen Monitor können er und seine Kollegen sehen, wie hoch der Puls gerade ist und welche Medikamente der Puppe verabreicht werden. Scanner an der Spritze und an den Einstichstellen ermitteln Zusammensetzung und Menge des Medikaments. Der Puls wird durch elektronische Felder reguliert, die sich, je nachdem wie fest man zudrückt, unterschiedlich stark aufladen. Durch einen Mini-Lautsprecher im Mund der Puppe können die Ärzte direkt mit ihren Studenten kommunizieren. So können sie loben, wenn die Behandlung gut ist, aber auch eingreifen, wenn der Student im Begriff ist, die Puppe ins Jenseits zu befördern. Die meisten Notfallszenarien werden auf Video aufgezeichnet. „So können wir mit den Studenten besprechen, was sie falsch gemacht haben.“

Solche Übungsbedingungen sind kein günstiges Vergnügen: Die billigste Simulations-Puppe kostet 2000 Euro. Daran kann man simplere Behandlungen wie Herzdruckmassagen simulieren. Für 72 000 Euro bekommt man die derzeit modernste Puppe auf dem Markt. Sie ist von Venen und Arterien durchzogen, kann weinen und Pupillenreflexe simulieren, hat eine künstliche Lunge und ein künstliches Herz und den Medikamentenscanner. „Praktisch der gesamte Brustkorb ist ein einziger großer Computer“, erklärt Projektleiter Oliver Fürst. 20 Puppen für spezielle Ausbildungsschritte lagern momentan in Homburg. Zum Repertoire gehören auch ein Baby und auswechselbare Geschlechtsorgane.

Wie sinnvoll das Training an der Simulations-Puppe ist, macht Oliver Fürst an einem Beispiel deutlich. „Eine Krankenschwester hatte ein paar Mal an unseren Puppen trainiert. Als es dann zum Ernstfall kam, wusste sie genau, was zu tun ist. Der Patient konnte bald wieder entlassen werden.“ In einem so genannten „Sim Hospital“ sollen künftig alle Puppen zentral auf dem Campus lagern und noch intensiver von den medizinischen Fachrichtungen genutzt werden.

Der verblutende und vergiftete Gummipatient ist übrigens wieder wohlauf. Lange wird seine Gesundheit aber nicht anhalten. Die nächste Krankheit oder Verletzung ist bestimmt schon im Anmarsch.

 

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