Minuten der Todesangst und Monate des Glücks
Minuten der Todesangst und Monate des Glücks
Der Saarbrücker Student Benjamin Loy studierte ein Semester lang in Chile und erlebte das Erdbeben
Chile wurde vor einigen Wochen von einem schweren Erdbeben verheert. Benjamin Loy war zu diesem Zeitpunkt dort. Der 23-Jährige kam glücklicherweise mit dem Schrecken davon. Der Student der Saar-Uni studierte von August bis Januar Literaturwissenschaft an der Universidad Nacional Andrés Bello in der chilenischen Hauptstadt Santiago de Chile. Danach beschloss er, noch ein paar Wochen dort zu bleiben, da auch seine Freundin Valeska in Santiago wohnt.
Von Irina Urig
Als die Erde bebt, feiert Benjamin Loy. Die Freunde sind in einem Freizeitkomplex mit Disco und Casino 70 Kilometer von Santiago de Chile entfernt. Normalerweise geht Benjamin Loy nicht oft aus, weil die Wege in der Sechs-Millionen-Metropole Santiago sehr weit sind. „Ich brauchte im dichten Morgenverkehr teilweise bis zu zwei Stunden mit dem Bus zur Uni. Viele Kommilitonen wohnen in entfernten Stadtvierteln. Da ist es schwierig, sich abends auf ein Bier zu treffen“, erzählt er. An diesem Abend feiert er den Geburtstag eines Freundes außerhalb von Santiago. Plötzlich wird es in dem hell erleuchteten Casino stockdunkel, Glas explodiert, Menschen schreien. Benjamin Loy wirft sich mit seiner Freundin und zwei Bekannten unter einen Tisch. „Alles bebt und schwankt, als ob auf den riesigen Komplex von außen die Fußtritte eines zornigen Riesen niedergehen“, erzählt der Student. Er hat Todesangst und schreit minutenlang. „An die endlosen Sekunden habe ich selbst nur vage Erinnerungen. Dass ich geschrien habe, weiß ich gar nicht mehr“, schildert Benjamin Loy die „schlimmsten drei Minuten meines Lebens“. Er und seine Freunde haben Glück: Die Decke des Casinos hält das Erdbeben aus. Nach stundenlangem Warten und über Umwege fahren die Freunde nach Santiago zurück. Die Hauptstadt scheint glimpflich davongekommen zu sein. Benjamin Loy lebt mit seiner Freundin im Haus von deren Mutter in La Florida. Diesen Stadtteil hat das Beben weitgehend verschont.
Neben der Naturkatastrophe hat der Student in seinem Auslandssemester auch schöne Dinge erlebt: „Die Landschaft in Chile ist ein absolutes Erlebnis – hier hat man alles, von der Wüste bis hin zu Gletschern“, sagt Benjamin Loy. Er studiert an der Saar-Uni im dritten Semester Spanisch und Deutsch auf Lehramt, da war ein Auslandsaufenthalt Pflicht. Ein „gewöhnlicher Erasmus-Trip“ nach Spanien reizte ihn wenig, denn schon während seiner Schulzeit reiste er immer wieder nach Südamerika. Da die Saar-Uni keine Partneruni in Chile hat, organisierte der Student sein Literaturstudium in Santiago kurzerhand selbst. Das Studium war anstrengend, er musste viel lesen, allerdings blieb ihm nach Ende des Semesters auch Zeit zum Reisen. Neben der Landschaft faszinierten ihn vor allem die Menschen in Chile: „Die Chilenen sind sehr herzlich, gastfreundlich und immer für einen Scherz zu haben“, findet Benjamin Loy. Staunen konnte er auch über die Gelassenheit der Menschen: „Bekannte von mir hatten ein Loch im Dach, durch das es im Winter reinregnete. Auf die Frage, ob sie das nicht mal reparieren wollten, antworteten sie mir: Der Winter dauert ja nur acht Wochen, da geht das schon mit den Eimern“, erzählt er lachend.
Nach dem Erdbeben ist in Santiago wieder der Alltag eingekehrt: Der Strom ist wieder da, die U-Bahnen fahren, Geschäfte sind geöffnet. „Im Gegensatz zu anderen hatten wir sehr viel Glück“, sagt Benjamin Loy. Am 23. März fliegt er wieder nach Saarbrücken zurück, bis dahin hilft er zusammen mit seiner Freundin den Menschen, die bei dem Erdbeben obdachlos geworden sind.
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