Willkommen beim Juristen-Duell

Willkommen beim Juristen-Duell

Beim Moot-Court in Wien treten Teams von über 250 Unis weltweit gegeneinander an – Studenten der Saar-Uni sind dabei besonders erfolgreich

von Thorsten Mohr

Gabriele Bares hätte den Juror erwürgen können. „Ich wäre beinahe über den Tisch gesprungen“, sagt die 25-Jährige. Sie ließ es dennoch sein. Das war gut so, nicht nur aus strafrechtlicher Perspektive. Denn die angehende Juristin überzeugte die Schiedsrichter angesichts 37 Unterbrechungen in 15 Minuten Redezeit sowohl mit guten Argumenten als auch mit Gelassenheit.

Auch das ist ein Grund, warum die acht Studentinnen und Studenten im Frühjahr beim so genannten Vis-Moot in Wien, einer Art Weltmeisterschaft für junge Handelsrechtler, so erfolgreich waren. Mit Platz neun verwiesen die Saarbrücker Jurastudenten in simulierten Gerichtsverhandlungen so ehrfurchtgebietende Namen wie die Unis Harvard und Yale auf die Plätze. 252 Studententeams aus 62 Ländern diskutierten und argumentierten sozusagen den Jura-Weltpokal anhand eines fiktiven, aber realistischen handelsrechtlichen Szenarios unter sich aus. In jedem Jahr gibt es einen kniffligen Fall zu lösen. Mal dreht es sich um kaputte Autos, mal um gepanschten Wein oder, wie im vergangenen Wettbewerb, um die verzögerte Lieferung von Wasserpumpen.

Ob ein Team die Seite des Klägers oder der Verteidigung übernimmt, entscheidet sich in der Finalrunde bisweilen nur eine Stunde vor dem Duell zweier Hochschul-Teams. „Manchmal dreht man sich zehn Sekunden vorher noch mal um und fragt die Teamkollegen, ob wir nun dafür oder dagegen sind“, erklärt Gabriele Bares, die zweimal als Sprecherin der Saarbrücker Juristen mit nach Wien fuhr.

Dafür oder dagegen sein sind grundsätzlich aber keine Gefühlsentscheidungen. Die Argumente liegen parat. Sechs bis zehn Studenten um Professor Helmut Rüßmann bereiten sich über ein halbes Jahr lang vor, um schließlich sekundenschnelle Entscheidungen zu treffen. Seit sieben Jahren sind Saar-Studenten beim Vis-Moot dabei. Über den Sommer heißt es für die Teilnehmer Bücher lesen, Wochenendkurse besuchen und zu Informationsveranstaltungen reisen, die große Kanzleien extra für die Studenten anbieten. Dort können die jungen Juristen die Praktiker nach juristischen Stolperfallen befragen, Tricks und Kniffe lernen.

Auf der Webseite des Vis-Moot erfahren die Teilnehmer Anfang Oktober, worüber sie im kommenden Frühjahr konkret verhandeln. „Die Aufgaben sind dabei immer so gestellt, dass mehrere Länder eine Rolle spielen und der Prozess in einem internationalen Schiedsverfahren entschieden wird. So hat kein Teilnehmer einen Vorteil, weil beispielsweise ein Fall vor den Gerichten seines Land verhandelt wird“, erklärt Helmut Rüßmann.

Der Professor für Bürgerliches Recht, Zivilprozessrecht und Rechtsphilosophie stellt gemeinsam mit erfahrenen Studenten und Doktoranden, die wie Gabriele Bares bereits beim Vis-Moot dabei waren, die Mannschaft zusammen. Und die muss einiges leisten. „Leicht gefallen ist es mir am Anfang nicht“, gibt Patrizia Kumpf zu. Die 25-Jährige hat gerade ihr Staatsexamen mit Prädikat gemacht. Vor drei Jahren war sie Sprecherin beim Vis-Moot. „Die Fälle sind thematisch schwierig“, weiß sie aus Erfahrung. Die Schriftsätze, die das Team ab Oktober für die Kläger- und die Beklagtenseite ausarbeitet, und die Verhandlung in Wien sind auf Englisch.

Doch die Schufterei lohnt sich, sagt Frank Spohnheimer, der als promovierter Jurist gemeinsam mit Helmut Rüßmann die Studenten betreut. Ein halbes Jahr lang müssen die angehenden Juristen 20 Stunden pro Woche Arbeitsaufwand zusätzlich zum normalen Studienbetrieb leisten. Dann heißt es Fremdsprachenkenntnisse aufpolieren, Literatur recherchieren, Teambesprechungen abhalten. Das ist nicht leicht. „Aber man lernt etwas, das man in keinem Lehrbuch der Welt findet“, sagt Spohnheimer: „juristische Phantasie“.

Die braucht es auf dem Arbeitsmarkt für Handelsrechtler. Helmut Rüßmann ermuntert die Studenten daher, sich am Vis-Moot zu beteiligen. „Wer da mitgemacht hat, hat eine gute Eintrittskarte in den Beruf“, so der erfahrene Wissenschaftler. Es sei denn, jemand geht dem Juror an die Gurgel. Das bleibt aber glücklicherweise auch nur eine Phantasie.


Hintergrund:

Simulierte Gerichtsprozesse, so genannte Moots, stammen aus der angelsächsischen Rechtsausbildung. Darin vertreten Studenten eine Partei in einem fiktiven Fall, den sie gründlich vorbereiten. Sie erstellen Schriftsätze für die Kläger- und Beklagtenseite und bereiten sich intensiv auf den Höhepunkt des Moots vor, die mündliche Verhandlung.

Weitere Informationen über den Vis-Moot in Wien und die Teilnahme gibt es bei Professor Helmut Rüßmann, Tel.: (06 81) 3 02 31 50, E-Mail: ruessmann(at)mx.uni-saarland.de, im Internet: http://ruessmann.jura.uni-saarland.de/vis-mootmoh

 

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