Der Bienenschwärmer
Der Bienenschwärmer
Michael Martinek ist Juraprofessor an der Saar-Uni. Ihn schmücken sechs Doktortitel, er ist Honorarprofessor in Südafrika, Verfasser und Herausgeber von über 30 Büchern und 100-facher Doktorvater. So jemand braucht Entspannung. Die findet er nicht auf einer Yacht im Mittelmeer oder im Golfclub. Stattdessen widmet er sich einer durch und durch kleinbürgerlich anmutenden Freizeitgestaltung: Er ist Imker.
Am Ende wird er von seinen Bienen zu Tode gestochen. Der lebensmüde Hobby-Imker nimmt seine Schützlinge mit auf seine letzte Reise, an deren Ende sie ihn schließlich vom Leben erlösen.
Die Szene hat sich Gott sei Dank nur im Film abgespielt. »Der Bienenzüchter« mit Marcello Mastroianni war allerdings Inspiration für Michael Martinek, den pelzigen Pollensammlern ebenfalls einen Teil seiner Zeit zu widmen. Nicht etwa, um irgendeiner Todessehnsucht zu frönen, sondern um seinem Leben aus Büchern, die er liest und schreibt, und der Arbeit am Computer etwas entgegenzusetzen. »Die Ärzte haben mir vor 20 Jahren empfohlen, ein Gegengewicht zur Arbeit zu finden«, erklärt der Jura-Professor und schaut sehr sachlich dabei. »Ich habe lange überlegt: Soll ich vielleicht Golf spielen?«, sagt er. Dabei biegen sich die Enden seines Schnauzbartes langsam nach oben, die kleinen Krähenfüßchen um die braunen Augen werden zu tiefen Furchen. »Oder Fesselballon fahren?«
Michael Martinek scherzt gerne.»Im Golfclub müssen Sie ja schon 5000 Euro zahlen, nur, um reinzukommen«, sagt der sechsfache Doktor. Ein leichter Spott liegt dabei in seiner Stimme. Es klingt eher wie: »Golf spielen nur fantasielose Langweiler mit zu viel Geld.«Den Fesselballon erklärt er erst gar nicht mehr.
Als er vor 20 Jahren überlegte, was er den Belastungen des Berufslebens entgegensetzen könnte, sah er das Drama mit Marcello Mastroianni in der Hauptrolle. Danach stand fest: Imker wollte er in seiner spärlichen Freizeit sein. Inzwischen hegt und pflegt er 17 Bienenvölker in seinem Garten in Köllerbach. »Und ich bin ihr König«, schließt er mit der ihm eigenen Spottlust an. Man wird das Gefühl dabei nicht los, dass der 60-Jährigemit den vielen Titeln in seiner ganzen Rastlosigkeit die Welt – und sich – nicht ganz ernst nimmt. Ein bisschen schon, so weit, wie er es muss. Ein Schelm steckt im Bildungsbürger Martinek.
Sein Hobby betreibt er dagegen mit großer Ernsthaftigkeit. Es geht ihm nicht nur um den Honig. Einzig deshalb hätte Michael Martinek nie mit dem Imkern angefangen. Da gibt es die Kulturgeschichte der Biene, die von herausragender Bedeutung sei, schwärmt er. Vor der Zuckergewinnung aus Rüben und Zuckerrohr war Honig eins der wichtigsten Süßungsmittel, Bienenwachs war lange Zeit bedeutender Rohstoff für Kerzenmacher. Bienen spielen eine bedeutende Rolle in Dichtung, Malerei, Mythologie und Naturwissenschaft. Er erzählt vom Bienenrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch. »Ein weiteres Faszinosum ist die Soziologie der Biene«, erklärt er. Er bewundert die Gesellschaftsform der Honigbiene, die Perfektion der Arbeitsteilung, den sprichwörtlichen Fleiß. Ein Vorbild für die Menschheit? Nein. »Ich bin ja ein Freiheitsfreund. Aber es gibt keine Freiheit der einzelnen Biene«, begründet er dies.»Letztendlich sind Bienen ja Kommunisten. Das bin ich ganz und gar nicht«, sagt der selbsterklärte »Anarcho-Liberale«.
Michael Martinek trifft sich oft mit anderen Imkern aus dem Köllertal, deren Gesellschaft er sehr genießt. »Der klassische Imker ist der pensionierte Bergmann«, erklärt Martinek. »Jura-Professoren sind eher selten.« Und gerade das gefällt ihm so. »Es sind herzliche Menschen, mit denen ich dort zu tun habe«, sagt er über die Imkergemeinde. Generell liegt ihm viel am Saarland. »Die Saarländer lassen auch mal Fünfe gerade sein und sind nicht so verbissen. Das finde ich sehr sympathisch.« Vorzüge, die der gebürtige Rheinländer Martinek schätzt. Dass er irgendwann so tragisch endet wie der Imker im Film, ist übrigens nicht sehr wahrscheinlich. Dafür hat er einfach zu viel Spaß an seiner Arbeit und an seinem Hobby. Auch wenn die Imkerei ihn offensichtlich nicht wirklich dazu bewegen konnte, weniger zu arbeiten. Seit 1995 ist er fast jedes Jahr monatelang als Gastprofessor in China und Südafrika. Gut getan haben ihm die regelmäßigen Auszeiten bei seinen fleißigen Tierchen aber trotzdem. Das merkt man an der Scherzdichte.
_Thorsten Mohr
Michael Martinek verkauft seinen Honig auch am Lehrstuhl für fünf Euro pro Glas. Mit dem Geld bezahlt er beispielsweise die Rechnung, wenn er sich mit seinen Studenten zu einem Umtrunk trifft, oder Materialien für die Teilnehmer seiner Seminare. Studenten, die besonders gute Klausurergebnisse erreichen, schenkt er bisweilen auch ein Glas Honig.
martinek.jura.uni-saarland.de/Honig.html.