Abschreiber und Pillenschlucker
Abschreiber und Pillenschlucker?
Saarbrücker Sportwissenschaftler startet Studien zum wissenschaftlichen Fehlverhalten und zum Konsum von Psychopharmaka
Semesterende – Andreas ist im Stress. Für vier Klausuren muss er lernen und noch eine Hausarbeit abgeben. Im Internet sucht er nach Ideen und findet einen Text, der genau sein Thema trifft. Schnell kopiert er den ganzen Text in sein Dokument, setzt seinen Namen drunter, und fertig ist die Hausarbeit. Die Geschichte mit dem fiktiven Studenten Andreas ist nur ein Beispiel von vielen. Das Thema Plagiat wird in letzter Zeit viel diskutiert. Es bedeutet, dass Studenten oder Wissenschaftler in ihren schriftlichen Arbeiten die Gedanken eines anderen übernehmen, ohne dies kenntlich zu machen. Der Sportwissenschaftler Werner Pitsch will in einer neuen Studie herausfinden, wie häufig wissenschaftliches Fehlverhalten wie dieses an der Saar-Uni vorkommt. In den kommenden Tagen bekommen deshalb 50 Prozent der Studenten und die wissenschaftlichen Mitarbeiter eine Mail mit der Bitte, an der Studie teilzunehmen.
»Bei der Studie geht es nicht nur um das Abschreiben, sondern auch um das Frisieren wissenschaftlicher Daten «, erklärt Pitsch. Die Teilnehmer der Studie sollen in einem Online-Fragebogen zunächst unter anderem Fragen nach dem Alter und der Fakultät beantworten. Dann folgen Fragen wie: »Haben Sie jemals Texte anderer verwendet, ohne den eigentlichen Autor zu nennen?« Da niemand gerne ein solches illegales Verhalten zugibt, weil er sich damit schadet, bedient sich Werner Pitsch einer besonderen Frage-Technik, die er auch schon erfolgreich zur Messung der Häufigkeit des Dopings im Leistungssport eingesetzt hat. Die Frage nach dem Plagiat verknüpft er mit einer Zusatzinstruktion. Die Befragten sehen eine zehnstellige Zahl auf dem Bildschirm. Wenn die dritte Ziffer eine 3 ist, müssen sie automatisch die Frage mit »Ja« beantworten, unabhängig davon, ob sie schon einmal ein Plagiat begangen haben oder nicht. Wenn die dritte Ziffer aber eine 5 ist, müssen sie mit »Nein« antworten. Wenn die dritte Ziffer eine andere Zahl als 3 oder 5 ist, sollen die Teilnehmer eine ehrliche Antwort auf die Frage geben. »Das ist ein ähnliches Verfahren wie beim Münzwurf«,erklärt Werner Pitsch: »Ich weiß, wie wahrscheinlich es ist, dass die Teilnehmer eine 3,eine 5 oder keine der beiden Zahlen sehen. Mit diesem Wissen und den Antworten der Teilnehmer kann ich ausrechnen, wie hoch die tatsächliche Zahl von wissenschaftlichem Fehlverhalten ist. Ich kann aber nicht erkennen, ob jemand wirklich geschummelt hat oder nicht.« Die Ergebnisse sollen unter anderem zeigen, ob es in puncto wissenschaftlichen Fehlverhaltens Unterschiede zwischen Fakultäten gibt oder ob eher jüngere oder ältere Studenten abschreiben. »So könnten wir klären, ob wir Dozenten die Studenten gelehrt haben, ihre Quellen offenzulegen«, erklärt Werner Pitsch.
Außer den Plagiaten wird in letzter Zeit auch das Thema Aufputschmittel viel diskutiert. In einer zweiten Studie, die noch in diesem Jahr startet, wird untersucht, wie viele Studenten an den Universitäten in Kaiserslautern, Lüttich, Nancy, Metz und Saarbrücken Psychopharmaka nehmen, um ihre Leistung zu steigern. Die Studie findet im Rahmen der Universität der Großregion statt, die Methode ist dieselbe wie bei der Plagiat-Studie. »Das bietet sich an, denn wir haben damit ein Verfahren an der Hand, mit dem man illegales und unerwünschtes Verhalten messen kann, ohne dass die Teilnehmer Angst vor Entdeckung haben müssen«, erklärt der Sportwissenschaftler, dem eine Bewertung in diesem Fall besonders schwerfällt. »Wir putschen uns eigentlich schon auf, indem wir morgens Kaffee trinken, um wach zu werden. Ich denke, zum Fehlverhalten wird so etwas dann, wenn Menschen ihrer Gesundheit oder Anderen schaden«,erklärt Werner Pitsch. Um solch ein Verhalten besser bewerten zu können, braucht er zunächst einmal zuverlässige Zahlen. Deshalb hofft er, dass möglichst viele Studenten und Mitarbeiter an seinen Studien teilnehmen.
_Irina Urig
Kontakt: Dr. Werner Pitsch, Tel.: 0681/302-3733, E-Mail: werner.pitsch(at)gw.uni-saarland.de