Scottish Song Collections – Identitätskonzepte und Musik, diskutiert anhand von schottischen Liedsammlungen des 18. Jahrhunderts

Alina Seibel M. A. (Johannes Gutenberg-Universität Mainz)

Identitätsbegriffe erfreuen sich großer Beliebtheit und werden im wissenschaftlichen Kontext der Geistes- und Kulturwissenschaften ebenso verwendet wie in der Psychologie oder der Soziologie. Wie im ersten Teil des Vortrags zu zeigen sein wird, gibt es dabei kaum ein einheitliches Verständnis, ein einheitliches Vokabular oder gar einen einheitlichen Kanon zum Konzept Identität. Der interdisziplinär geführte Diskurs hat seine historischen Wurzeln in der Philosophie, baut auf aufklärerischen Theorien auf und verbindet im Verlauf des 20. Jahrhunderts (entwicklungs-)psychologische mit philosophischen oder politikwissenschaftlichen Theorien. Musik trägt sowohl bei Einzelpersonen als auch Gruppen zur Identitätsbildung bei, dies erfolgt nicht nur durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Musikkultur, sondern ebenfalls durch die Abgrenzung von anderen Musikkulturen sowie ihren Akteur*innen.
Im zweiten Teil des Vortrags erfolgt eine Übertragung dieser theoretischen Ansätze auf das frühneuzeitliche Beispiel der schottischen Liedsammlungen, da diese ein weites Erkenntnispotenzial für nationale und kulturelle Identifizierungsprozesse eines zwischen kultureller Eigenständigkeit und Integration in das neue Großbritannien chargierenden Schottland im 18. Jahrhundert bieten. Die Beschäftigung mit dem Gegenstand erfolgte in der Vergangenheit vor allem im Hinblick auf die »Invention of ›Folk Music‹ and ›Art Music‹« (Matthew Gelbart 2007) sowie auf Sammlungs- und Editionsprozesse (Karen McAuley 2016). Darüber hinaus wurden jene Sammlungen untersucht, an denen Künstlerpersönlichkeiten wie Robert Burns, Joseph Haydn oder Ludwig van Beethoven beteiligt waren. Der Vortrag hingegen diskutiert, inwiefern sich Identitätskonzepte in Scottish Song Collections widerspiegeln und im Rahmen einer komparativen Analyse genutzt werden können. Die Analyse von Vorworten und Songs zeigt, dass Beobachtungen zu Identitätsmerkmalen wie Sprache, die Verortung zu anderen Gruppen oder zur eigenen Musik lediglich Rückschlüsse auf eine bestimmte Gruppe geben. In den Liedsammlungen wird somit nur ein kleiner Baustein dessen sichtbar, was als „schottische“ Identität bezeichnet werden kann. Schließlich will der Vortrag auf die Multidimensionalität von Identitätsbegriffen sowie deren Verwendung in der musikhistorischen Forschung aufmerksam machen.

 

Alina Seibel studierte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis an der Universität Hildesheim und Blockflöte bei Prof. Monika Bovenkerk an der Hochschule für Musik Detmold. Im März 2023 beendete sie einen Master in Musikwissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz mit einer Arbeit zu schottischen Liedsammlungen im 18. Jahrhundert. Seit 2019 arbeitet sie bei Schott Music als Assistenz der Geschäftsleitung im Bereich Concert Opera Media.