Stilistische Maskenspiele in der FAE-Sonate

Prof. Dr. Markus Waldura (Universität des Saarlandes, Institut für Musikwissenschaft)

Die als FAE-Sonate bekannte, von Schumann, Brahms und Albert Dietrich komponierte Violinsonate war von Schumann nicht nur als Überraschung zu Ehren ihres Widmungsträger, den berühmten Geiger Joseph Joachim, angeregt worden. Gedacht war sie zugleich als eine Rätselaufgabe: Denn Joachim wurden bei Überreichung nicht die Originalmanuskripte der drei Komponisten vorgelegt. Er erhielt vielmehr lediglich eine Kopistenabschrift, aus der sich die Autorschaft der vier Sätze nicht zu ersehen war. Joachim sollte die Urheberschaft einzig und allein am Stil der vier Sätze erkennen. Bislang ist das Werk in der Forschung nur im Hinblick auf das von Schumann ausgegebene Motto, Joachims damaligen Wahlspruch „frei aber einsam“ und dessen Chiffrierung durch die Töne f a und e untersucht worden. Auch Spekulationen über weitere Buchstabenchiffren in den Noten der vier Sätze wurden angestellt. Die Frage, ob die Joachim gestellt Rätselaufgabe die drei Komponisten nicht auch auf den Gedanken gebracht haben könnte, den Widmungsträger durch stilistische Anleihen bei den Kollegen zu verwirren und ihm die Lösung des Rätsels zu erschweren, wurde hingegen bisher nicht gestellt. Eine diesbezügliche Untersuchung des Werkes ergab nun, dass die beiden jüngeren Komponisten offenbar tatsächlich durch stilistische Anleihen sowohl bei Schumann als auch beieinander versucht haben, Joachim in die Irre zu führen. Zugleich könnte ihre Absicht aber auch gewesen sein, Joachim wie auch Clara und Robert Schumann durch Anspielungen auf bestimmte Kompositionen Schumanns zu amüsieren bzw. ihm eine kompositorische Reverenz zu erweisen.

 

Markus Waldura, geboren 1957 in Quierschied (Saar), Studium der Germanistik und Musikwissenschaft an der Universität des Saarlandes, 1984 Magisterexamen, 1991 Promotion in Musikwissenschaft mit einer Arbeit über die Sonatenform im Schaffen Robert Schumanns, 1984-1994 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Musikwissenschaftlichen Institut der Universität des Saarlandes am Lehrstuhl von Werner Braun, 1995-1997 Habilitandenstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Im Jahr 2000 Habilitation mit einer Habilitationsschrift zur Musiktheorie des 18. Jahrhunderts (Titel: Von Rameau und Riepel zu Koch. Zum Zusammenhang zwischen theoretischem Ansatz, Kadenzlehre und Periodenbegriff in der Musiktheorie des 18. Jahrhunderts). Von 2000 bis 2018 Privatdozent am Musikwissenschaftlichen Institut der Universität des Saarlandes. 2018 Ernennung zum außerplanmäßigen Professor für Musikwissenschaft ebendort.