03/30/2023

EU fördert Grundlagenforschung am Grenzgebiet zwischen Mathematik und Informatik mit 2,5 Mio. Euro

Ein ERC Grant der Europäischen Union gilt als einer der höchsten Forschungspreise in Europa. Einen ERC Advanced Grant, die höchste Kategorie eines ERC Grants für einzelne Wissenschaftler, konnte nun Professor Laurent Bartholdi von der Universität des Saarlandes einwerben. Der Mathematiker möchte mit den 2,5 Millionen Euro Fördergeld in den kommenden fünf Jahren mathematische Probleme an der Schnittstelle zwischen Mathematik und Informatik erforschen.

„Wir sind an der Grenze dessen, was man verstehen kann“, sagt Laurent Bartholdi selbst über die Themen, für die er nun in den kommenden fünf Jahren Forschungsgelder der Europäischen Kommission in nicht unbeträchtlicher Höhe erhält. Mit den 2,5 Millionen Euro „kaufe ich mir nicht einen Porsche und einen Swimmingpool, sondern ich kann viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen“, sagt der Professor augenzwinkernd. Die helfen ihm dann – hoffentlich – dabei, die schwer verständlichen Probleme an der Grenze zwischen Mathematik und Informatik zu lösen.

Und die haben es in sich. So knapp der Titel des Forschungsprojektes auch ist (er lautet „Automata, Dynamics and Actions“, kurz ADA), so schwer nachvollziehbar ist sein Inhalt für jeden, der nicht Mathematik, Informatik oder, besser, beides studiert hat. „Ein Thema ist das Wachstum von Gruppen. Eine Gruppe ist ein algebraisches Objekt. Diese Objekte kann man aber seit über 100 Jahren auch geometrisch darstellen“, erklärt Laurent Bartholdi. Solche „Gruppenbilder“, die bei der geometrischen Darstellung von  Gruppen entstehen, bringen mathematische Probleme mit sich, die Laurent Bartholdi in den kommenden fünf Jahren mit seiner aus ERC-Geldern finanzierten Arbeitsgruppe angehen möchte.

Je komplizierter dabei die Knoten angeordnet sind, also die einzelnen Punkte, die den Graph dieser Darstellung beschreiben, desto komplexer ist auch die Mathematik, die dahintersteht. „Wenn ich zum Beispiel in einem Dorf lebe, wo es nur eine - unendlich lange - Straße gibt, dann kann ich von meinem Haus genau 2n+1 Nachbarn besuchen, die ich in n Schritten erreichen kann. Die Zahl der erreichbaren Häuser erhöht sich, wenn ich in einer Stadt wie New York lebe, die als Graph ein Gitter darstellt. Dann kann ich in n Schritten bereits ca n2 Häuser erreichen. Lebe ich in einem Baum mit zwei Ästen, die sich wiederum in zwei Äste aufteilen und so weiter, wächst die Anzahl der Nachbarn exponentiell“, erläutert Laurent Bartholdi.

Ein Teilprojekt der Arbeitsgruppe, die nun gefördert wird, beschäftigt sich mit diesen Gruppen an sich. In einem weiteren Teilprojekt geht es um die Verbindungen solcher Gruppen untereinander. Ein dritter Aspekt betrachtet logische Probleme: „Hier schauen wir auf die theoretische Berechenbarkeit und Unberechenbarkeit“, so Laurent Bartholdi. Sprich: Kann man es überhaupt berechnen oder bleibt es ein unlösbares Problem? Denn (Fans von Douglas Adams müssen jetzt sehr stark sein), so Laurent Bartholdi: „Es gibt zum Beispiel keinen Algorithmus auf der Welt, der auf alle Fragen eine richtige Antwort haben kann.“

Klingt abstrakt. Ist es auch. Denn die ERC Advanced Grants richten sich explizit an Forscher, die „bahnbrechende, risikoreiche Projekte“ in Angriff nehmen wollen. Ein solches ist Laurent Bartholdis Vorhaben, das Grundlagenforschung in seiner reinsten Form ist. Dass ausgerechnet der gebürtige Schweizer von der EU-Kommission für diese Förderung ausgewählt wurde, ist kein Zufall, sondern eine folgerichtige Entscheidung: Bartholdi hat seit 2021 eine so genannte Brückenprofessur zwischen Informatik und Mathematik an der Universität des Saarlandes inne, die die beiden eng miteinander verzahnten Wissenschaften noch dichter zusammenbringt. „Ich bin sehr froh, dass ich in Saarbrücken die Professur erhalten habe“, so Laurent Bartholdi. Denn der Standort sei wie kaum ein zweiter in Europa prädestiniert, um Forschungsfragen aus beiden Wissenschaften auf höchstem Niveau zu bearbeiten.