Workshop April 2025
Impressionen

Vom 10. bis 11. April tagte das trinationale Doktorandenkolleg in Strasburg.
Nach einer kurzen Einführung durch das wissenschaftliche Leitungsteam ergriff Manon Baudrier (Sorbonne Université) das Wort. Die von ihr vorbereitete Quellenarbeit drehte sich um die Ambivalenz der Berichterstattung zur weiblichen Lust: Auf der einen Seite spiegeln die Artikel eine gewisse Befangenheit der Autorinnen und Autoren wider. Insbesondere männliche Autoren scheinen sich in humoristische Darstellungen zu flüchten, oder schreiben gar, dass sie sich eigentlich nicht mit diesem Thema befassen möchten. Auf der anderen Seite werden – vor allem in den Onlineausgaben der Zeitungen – reißerische Titel gewählt, die ganz bewusst sexuelle Assoziationen hervorrufen. So steht die Aufmachung der Artikel klar im Widerspruch zu einem vermeidlichen "Vermeidenwollen" der Mediatisierung der weiblichen Lust. In ihrem Vortrag Le clitoris : entre ignorance volontaire, transmissions fragmentées et débats féministes contemporains (2000–2010) argumentiert Baudrier in Anlehnung an die US-amerikanische Philosophin Nancy Tuana, dass der Fortbestand des Begriffs "G-Punkt" in der französischen Zeitung Le Monde und dem deutschen Blatt Die Zeit als Ausdruck eines aktiven Verdrängens von medizinischen Erkenntnissen in Bezug auf die Klitoris zu werten sei. Der aktuelle Diskurs scheint insofern eine historische Kontinuität darzustellen, als dass die Klitoris seit ihrer ersten Erwähnung im antiken Griechenland immer wieder aus den Diskursen um die weibliche Lust verschwand.
Weiter ging es mit einem technikgeschichtlichen Thema. Matthias Höfer (Université du Luxembourg) gab Einblick in seine Forschungen über Werbung für Kultur- und Mediengüter in den "langen 1960er Jahren". In verschiedenen Gruppen befassten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zunächst mit der luxemburgischen Zeitungsberichterstattung zur Einführung des Farbfernsehens im Großherzogtum. Es zeigt sich, dass im Großherzogtum sowohl besondere Empfangs- als auch spezielle Sendegeräte von Nöten waren. In Höfers anschließendem Vortrag "Knotenpunkt des Farbfernsehens": Werbestrategien für Farbfernsehgeräte und die luxemburgische Medienlandschaft (1967–1974) wurde deutlich, dass Luxemburgs kulturelle und geologische Besonderheiten zentrale Determinanten für die Verbreitung des Farbfernsehens waren: Die mehrsprachige luxemburgische Bevölkerung war es gewohnt, neben dem einheimischen auch französische und bundesdeutsche Programme zu empfangen; auf diese liebgewonnene Sehgewohnheit wollte man auch in der Farbfernsehära nicht verzichten. Diesem "Sonderweg" standen zunächst die unterschiedlichen deutschen und französischen Sendestandards im Wege. Spezielle Mehrnormengeräte sollten dieses Problem lösen, konnten sich aber vor allem aufgrund des hohen Anschaffungspreises nicht durchsetzen. Aus diesem Grund wundert es nicht, dass hier – anders als beispielsweise im benachbarten Frankreich oder in der Bundesrepublik – keine großen Werbekampagnen zur Einführung des Farbfernsehens geschaltet wurden. Mit der Etablierung spezieller Antennenanlagen konnte das Problem der verschiedenen Standards und des schlechten Empfangs in den tief eingeschnittenen Tälern des Landes Anfang der 1970er Jahre gelöst werden und Luxemburg im Farbfernsehzeitalter ankommen.
Der erste Workshoptag endete mit dem Gastvortrag von Abel François (Université de Strasbourg). François ist Koordinator des ANR-geförderten Projektes Economie politique historique de la seconde guerre mondiale en France – POLECOWW2. Die interdisziplinäre Forschungsgruppe nutzt Methoden der Wirtschafts- und Politikwissenschaft, um sozialdemografische, wirtschaftliche und politische Folgen des Zweiten Weltkriegs in Frankreich zu untersuchen.
Zu Beginn seines Vortrags Hétérogénéité spatiale d'un événement historique et causalité. Le cas de la bataille de Normandie postulierte François, dass die Ökonometrie lange Korrelationen untersuchte, ohne aber Kausalitäten in den Blick zu nehmen. Der Blick in die Geschichte und die Zuhilfenahme der Kliometrie solle Abhilfe schaffen. So fragte der Referent nach den direkten und indirekten Auswirkungen der Kriegshandlungen in der Normandie auf die wirtschaftliche Entwicklung der Region und vice versa. François argumentierte, dass Gemeinden, in denen besonders verehrende Kampfhandlungen stattfanden, im Anschluss an den Krieg stärker prosperierten als solche, die von Kampfhandlungen verschont blieben. Die größte Differenz der Bevölkerungsentwicklung der verschiedenen Kommunen zeigte sich beispielsweise im Jahr 1954. Erklärungsansätze für den Anstieg der Bevölkerungszahlen in stark betroffenen Gemeinden sei insbesondere die interne und externe Migration im Kontext des Wiederaufbaus. Betrachte man sich die Infrastruktur der verschiedenen Gemeinden, so François, könne man davon ausgehen, dass die Menschen aufgrund des höheren Lebensstandards in den wiederaufgebauten Kommunen verweilten und sich die Bevölkerungsentwicklung in der Normandie deshalb erst langsam anglich. In der Diskussion wurde insbesondere der konstatierte Zusammenhang zwischen Wirtschaftsstärke einer Region und deren Bevölkerungsentwicklung kritisch hinterfragt.
Der zweite Workshoptag startete mit einer Coaching-Sequenz. Das Leitungsteam stand den Promovierenden zu verschiedenen Themen Rede und Antwort: Emmanuel Droit und Dietmar Hüser zu verschiedensten Fragen in den unterschiedlichen Stadien der Promotion, Andreas Fickers zum Thema Publizieren und Hélène Miard-Delacroix teilte ihre Expertise zum Schwerpunkt Frauen in der Wissenschaft. Das Mentorat soll als wiederkehrender Baustein den Workshopprogrammen erhalten bleiben, um den Austausch zwischen den Promovierenden und der wissenschaftlichen Leitung stetig zu intensivieren.
Anschließend sprach Coline Perron (Université de Strasbourg). In Gruppen analysierten die Promovierenden zunächst Quellen, die Perron ausgewählt hatte, um verschiedene Aspekte der kulturellen Zusammenarbeit und Begegnung zwischen Kuba und der DDR zu verdeutlichen und Einblick in ihren Quellenkorpus zu geben. Neben Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln kubanischer und ostdeutscher Provenienz, umfasste die Auswahl auch eine TV-Reportage des DDR-Fernsehens, in der über die Ankunft der DDR-Delegation bei den Weltjugendspielen 1978 auf Kuba berichtet wurde. Es wurde deutlich, dass – trotz der proklamierten "Bruderschaft" der beiden Staaten – auch die kulturellen Beziehungen nicht frei von Spannungen waren.
Den Vortrag Les relations culturelles entre la République démocratique allemande et Cuba : tensions et ambiguïtés entre "pays frères" (1959–1989), nutze Perron, um über den Status Quo ihrer Promotion und ihren Archivaufenthalt auf Kuba zu informieren und erste Einblicke in ihren Schreibprozess zu geben. Perron verdeutlichte, dass sich die kulturellen Beziehungen zwischen Kuba und der DDR im Laufe der 1960ern entwickelten und verstetigten. Es gab eine Reihe von Künstlern und Künstlerinnen, die in dieser Zeit in beiden Ländern aktiv waren. In der folgenden Dekade entwickelte sich eine Dreieckskonstellation: Neben einem regen Austausch von kubanischen und ostdeutschen Kunstschaffenden, begann auch Kunst aus dem sozialistischen Afrika eine wichtigere Rolle zu spielen. Die 1980er Jahre, so Perron, standen dann ganz im Zeichen der Zirkulation von Werken und Menschen zwischen dem sozialistischen Afrika, Kuba und der DDR. In diesem Jahrzehnt habe sich die Mobilität von Kunststudierenden und das Ausstellen der Kunst aus den drei Herkunftsregionen intensiviert.
Der Workshop endete unter anderem mit einem Ausblick auf das kommenden Kollegtreffen, das vom 25. bis 26. September 2025 im Château de Clervaux in der luxemburgischen Gemeinde Clerf stattfinden wird.