Verflechtung als Europäisierung?

Verflechtung als Europäisierung? –Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Interdependenzbeziehungen als Konstituenten der Großregion Saar-Lor-Lux im Zeitalter der Industrialisierung

Projektantrag zum Ausschreibungsthema: Arbeitswelt Europa - Auswirkungen der Europäisierung auf das Saarland, auf die Arbeitswelt des Saarlandes und die Großregion im Umfeld des Saarlandes
Projektleitung und -durchführung:
Prof. Dr. Margrit Grabas, Dr. Christian Mathieu, Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte (einschließlich Technik- und Umweltgeschichte) der Universität des Saarlandes

Ziele:
Als erstes Ziel ist angestrebt, vor dem Hintergrund des gegenwärtig sowohl von der geschichts- als auch der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung (...) ein operationables theoretisches Modell zur Definition von Regionen auf der Basis des Interdependenzprinzips zu entwickeln. Dabei sollen nicht nur – wie im Allgemeinen üblich – die wirtschaftlichen Vorwärts- und Rückwärtskopplungseffekte innerhalb des schwerindustriellen Montankerns Berücksichtigung finden; besonderes Augenmerk soll darüber hinaus auf die Binnenbeziehungen zwischen den überwiegend von kleinen und mittleren Unternehmen geprägten Branchen des sekundären Sektors, wie „Maschinenbau“, „Metallverarbeitung“ und „Steine und Erden“ gelegt werden. (...) An diesen Untersuchungskomplex anschließend besteht das zweite Ziel des zur Förderung angemeldeten Forschungsprojekts darin, den entworfenen Ansatz zur Modellierung historischer Regionen auf der Grundlage des Interdependenzprinzips am Beispiel des Saar-Lor-Lux-Raums im Zeitalter der Industrialisierung zu implementieren und auf sein erkenntnisleitendes Potential zu überprüfen. (...)  Gerade in Grenzregionen dürften sich (also) die Anbahnung und Stabilisierung von weit reichenden Verwandtschafts-, Soziabilitäts- und Unternehmensverflechtungen sowie andersartiger „Netzwerke des Vertrauens“ als die zentralen unternehmerischen Marktbehauptungsstrategien erweisen (...).

Abstract des Forschungsberichts:
Netzwerkbildung und die Konstitution der Interregion Saar –Triebkräfte und Blockadefaktoren Raum prägender Wirtschaftsverflechtung im Zeitalter der Industrialisierung (1815 – 1914)

Ausgehend von dem Klischee, dass im Saarland ein Jeder Jeden kenne – ein regionales Strukturmerkmal, das die Entstehung von Seilschaften und Klüngeln erheblich begünstige –, thematisiert dieser Beitrag den Prozess der Konstituierung von Wirtschaftsregionen auf der Basis von Verflechtungsstrukturen. Die so entstehenden dynamischen Raumgebilde werden dabei als Interregionen bezeichnet – eine Terminologie, die sowohl auf das Raum konstituierende Element verfestigter Interdependenzrelationen anspielt als auch auf deren potentiell transnationale, grenzüberschreitende Reichweite. Konkret wird die Interregion Saar im Zeitalter der Industrialisierung (1815 – 1914) in den Blick genommen, die jedoch im Unterschied zu den älteren historischen Studien nicht entlang politischer Grenzverläufe, sondern vielmehr auf der Grundlage wirtschaftlicher bzw. ökonomisch relevanter gesellschaftlicher und kultureller Interdependenzbeziehungen bestimmt wird und insofern keineswegs mit dem heutigen Bundesland Saarland identisch ist. Es geht also darum, anhand dieses Fallbeispiels die gegenwärtig von den verschiedensten Wissenschaftsdisziplinen diskutierten forschungsstrategischen Leitkonzepte „Region“ und „Netzwerk“ in einen produktiven Dialog zu setzen. Mit Fokus auf diese beiden facettenreichen Kategorien präsentiert sich der Projektbericht als eine tour d’horizon durch die aktuelle soziologische, wirtschaftswissenschaftliche und historische Forschungslandschaft, wobei vor allem die zur Analyse Raum prägender Netzwerkstrukturen konzipierten Ansätze des „industrial district“, des „kreativen Milieus“ sowie der „lernenden Region“ Beachtung finden. Als zentrales Ergebnis hat sich gezeigt, dass alle drei Raumkonstrukte dem kulturellen Substrat „Vertrauen“ ein hohes Maß an Bedeutung für die Integration und Stabilisierung wirtschaftlicher Verflechtungsstrukturen zubilligen, weshalb die Interregion Saar als ein Netzwerk des Vertrauens interpretiert wird.

Onlinebericht  
Forschungsergebnisse als 10-seitige Kurzfassung