Projektbeschreibung: Germanistik
Projektbeschreibung
„Die Entdeckung des Common Law im 18. Jh. durch die Vertreter des Ius germanicum – Zur Instrumentalisierung des englischen Rechts in der deutschen Germanistik“
GZ: RA 394/7-1
Im Vordergrund des Projekts steht die Frage, ab wann und unter welchen kulturellen und wissenschaftshistorischen Rahmenbedingungen die kontinentalen Juristen Interesse für das englische Common Law gezeigt haben. Die Frage ist bis heute kaum untersucht worden. Beleuchtet werden sollen insoweit die Wege der „kontinentalen Entdeckung“ des englischen Rechts, und hier insbesondere die Arbeitshypothese, dass gerade die Vertreter der frühen deutschen Germanistik Ende des 18. Jh. diejenigen waren, die erstmals auf dem Kontinent ein systematisches Interesse für das damalige englische Common Law zeigten. Bisherige bibliographische Untersuchungen, insbesondere eine erste systematische Auswertung der umfangreichen Literatur von juristischen Dissertationen und Programmata aus den deutschen Universitäten des 17. und 18. Jh., haben ergeben, dass das englische Recht zunächst der gemeinrechtlichen Literatur in keinerlei Weise als Thema würdig schien. Das Bild verändert sich Mitte des 18. Jh. Erst jetzt erscheint eine Reihe von Dissertationsschriften und kleinen Programmata zum englischen Common Law, und zwar durchweg aus der Feder von Professoren des „Ius germanicum“ (etwa Justus Clapproth, Johann Dreyer, Christian Samuel Gatzert). Hauptschwerpunkt des bisher gesammelten bibliographischen Materials sind insbesondere die früheren Übersetzungen der „Commentaries on the Laws of England“ von William Blackstone, insbesondere die deutsche, von Nikolaus Falck eingeleitete Übersetzung dieses Werkes (Schleswig 1822-1823). Folgende Arbeitshypothese zeichnet sich ab, dass nämlich die Andersartigkeit des englischen Common Law von der frühen deutschen Germanistik entdeckt wird, als deren Vertreter auf der Suche nach einer quellenmäßigen historischen Absicherung des „Ius germanicum“ waren. Gerade die frühen Anfänge des englischen Common Law boten in der Perspektive dieser Autoren einen weiteren historischen Zugang zu den Anfängen des damals als Studien- und Lehrobjekts vindizierten „Germanischen Rechts“ an. Es ist bezeichnend, dass bei all diesen Schriften, soweit bisher festgestellt werden konnte, gerade die frühen Anfänge des englischen Common Law bevorzugt präsentiert werden. Das englische Recht als kulturelles ideologisches Konstrukt der frühen deutschen Germanistik? Die bisherigen Beobachtungen laden dazu ein, eine solche Fragestellung als Forschungshypothese zu vertiefen. Wurde die Eigenart des englischen Common Law damals wirklich verstanden, oder bot das englische Recht damals eher ein kulturelles und rechtspolitisches Konstrukt an zur Unterstützung bei der einheimischen Entwicklung eines „Deutschen Privatrecht[s]“ als neues rechtswissenschaftliches Modell und bei der Begründung einer autonomen germanistischen Historische Rechtsschule? Nur eine systematische Analyse und eine systematische Auswertung der erwähnten frühen Schriften der damaligen Germanistik werden eine endgültige Beantwortung dieser Frage erlauben. Das Projekt will hier insoweit eine frühe Phase der Begegnung der deutschen Privatrechtler und Rechtshistoriker mit den Quellen des englischen Common Law beleuchten und zugleich deren wissenschaftspolitische Funktion erklären. Die Suche in der frühen Phase des Common Law nach vermeintlichen germanischen Quellen bei der rechtsdogmatischen Konstruktion eines „Deutschen Privatrechts“, woran die deutsche Germanistik des 19. Jh. eifrig gearbeitet hatte (vgl. Heinrich Brunner, Karl v. Amira, Ernst Heymann), hat anscheinend Anfang des 20. Jh. ihre rechtspolitische Funktion verloren und ist wissenschaftlich erschöpft. Erst jetzt beginnt die moderne rechtsvergleichende Forschung zum englischen Recht.