Patient 2.0 – Arztbewertungsportale aus PatientInnensicht

Patient 2.0 – Arztbewertungsportale aus PatientInnensicht

Prof. Dr. Ralf Terlutter

Die Anzahl von Bewertungsplattformen für Hotel-, Restaurant- oder Reisebewertungen steigt seit einigen Jahren stetig an. Mittlerweile können PatientInnen auch auf Arztbewertungsportalen (Physician Rating Websites, PRWs) Ärztinnen und Ärzte bewerten. Wer diese Seiten nutzt und welche Potenziale sie besitzen, wurde an der Abteilung für Marketing und Internationales Management der Alpen-Adria Universität Klagenfurt unter der Leitung von Prof. Dr. Ralf Terlutter in einem Kooperationsprojekt mit der GfK Healthcare Deutschland untersucht.  Der Patientenstudie mit dem Titel „Patient 2.0“ ist eine Arztstudie „Physician 2.0“ vorangegangen.

Die Patientenstudie hat untersucht, wie und in welchem Ausmaß PatientInnen das Web 2.0 für die Suche nach gesundheitsrelevanten Informationen nutzen und von welchen Einflussfaktoren die Nutzung abhängt. In diese Befragung war ein Themenkomplex zu Arztbewertungsportalen integriert.

PatientInnen waren in der Studie Personen, welche spätestens drei Monate vor Beginn des Erhebungszeitpunktes (September 2012) einen Arzt oder eine Ärztin aufgesucht haben mussten. Ausgewertet wurden die Daten von 986 Personen mit SPSS sowie mit Smart PLS. Was die Nutzungshäufigkeit anbelangt, so kennen 29,3 Prozent der Befragten Arztbewertungsportale; 26,1 Prozent haben ein solches bereits genutzt. Die Studie zeigt, dass mehr Frauen als Männer, jüngere und besser ausgebildete sowie Menschen mit chronischen Krankheiten Arztbewertungsportale eher nutzen. Analysiert man allerdings die Bereitschaft, PRWs in Form einer App zu nutzen, so sind es eher die Männer, die dazu bereit sind. Zudem trägt noch Computerversiertheit, bereits vorhandene Nutzungserfahrung mit PRWs und/oder mit Apps, eine stärker ausgeprägte Persönlichkeitsfacette im Hinblick auf die Wertschätzung von Patientenwissen sowie eine positive Einstellung gegenüber PRWs positiv zur Nutzungsbereitschaft bei. Der negative Einfluss der Nutzungsdauer des Internets für die Suche nach gesundheitsorientierten Informationen auf die Nutzungsbereitschaft von PRW Apps wurde damit erklärt, dass die Personen, welche lange Zeit mit Recherchen im Internet verbringen, nicht die sind, welche sich aus einem Zeitdruck heraus für eine App und damit eine schnelle und überall verfügbare Lösung von PRWs entscheiden. Zwei Beiträge wurden dazu 2014 im Journal of Medical Internet Research (JMIR) veröffentlicht: http://www.jmir.org/2014/3/e97/ bzw. http://www.jmir.org/2014/6/e148/. Eine weitere Publikation beschäftigt sich detaillierter mit den zugrundeliegenden Unterschieden zwischen Frauen und Männern in psychografischen Determinanten bei der Suche nach gesundheitsrelevanten Informationen im Internet sowie damit korrespondierend mit Unterschieden in der virtuellen Arzt-Patientenbeziehung und ist 2015 erschienen und unter folgendem link verfügbar:http://www.jmir.org/2015/6/e156/

Ein weiteres Projekt in diesem Forschungsfeld hat am Lehrstuhl für Marketing und Internationales Management unter der Leitung von ao. Univ.-Prof. Dr. Sonja Grabner-Kräuter in Kooperation mit Dr. Martin Waiguny untersucht, wie die Nutzerinnen und Nutzer mit den Informationen auf den PRWs umgehen und wie die Online-Bewertungen ihre Einstellung zum bewerteten Arzt beeinflussen. Dabei wurden mittels experimentellem Design 168 webbasierte Fragebögen zu fiktiven Ärztebewertungen ausgewertet. Die Gestaltung der fiktiven Arztbewertungen und die Datenerhebung erfolgten durch zwei Master-Studentinnen. Die Ergebnisse dieses zweiten Forschungsprojekts zeigen, dass grundsätzlich sowohl die Zahl der Bewertungen als auch ihr Stil (sachlich oder emotional) Auswirkungen auf die Wahrnehmung durch die NutzerInnen haben. Neben einem Haupteffekt der Anzahl von Bewertungen (je mehr Bewertungen desto besser) zeigten sich Interaktionseffekte mit dem Stil der Bewertungen: Wenn der Arzt insgesamt nur wenige Bewertungen bekommen hat, führten faktenorientierte Bewertungen eher zu einer positiveren Einstellung gegenüber dem Arzt als emotional geprägte Bewertungen. Wenn aber bereits viele Bewertungen vorliegen, ist dieser Effekt nicht mehr beobachtbar. Bei einer hohen Zahl von Bewertungen zeigte sich kein Unterschied in der Glaubwürdigkeit von sachlichen und emotionalen Bewertungen, während bei einer niedrigen Anzahl vorliegender Bewertungen wiederum eine faktenorientierte, sachliche Bewertung als glaubwürdiger beurteilt wurde als eine emotional geschriebene. Auch diese Studie wurde vor kurzem im JMIR publiziert: http://www.jmir.org/2015/4/e93/.

Bei Interesse an diesem Forschungsprojekt oder an weiteren Forschungen des Lehrstuhls für Marketing und Internationales Management der Universität Klagenfurt aus dem Bereich “Health Communication” besuchen Sie bitte unsere Website www.aau.at/mim und kontaktieren Sie uns.