12/05/2025

Biologische Intelligenz als Grundlage für neue KI-Systeme

In einem neuen Forschungsprojekt, das vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim geleitet wird, untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wie Erkenntnisse über Lernprozesse in Tiergehirnen genutzt werden können, um KI-Systeme flexibler und effizienter zu machen. Von der Universität des Saarlandes ist Physiologie-Professor Jonas-Frederic Sauer beteiligt, der am Center for Integrative Physiology and Molecular Medicine (CIPMM) am Campus Homburg forscht.

Dazu hat das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit die folgende Pressemitteilung veröffentlicht:

Das Projekt trägt den Namen NAILIt – Neuro-inspired AI for Learning and Inference in non-stationary environments – und wird vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) über drei Jahre mit 1,6 Millionen Euro gefördert. In NAILIt entwickeln WissenschaftlerInnen des ZI gemeinsam mit Forschenden des Hector Instituts für Künstliche Intelligenz in der Psychiatrie (HITKIP), des Interdisziplinären Zentrums für Wissenschaftliches Rechnen (IWR) der Universität Heidelberg und des Centrums für Integrative Physiologie und Molekulare Medizin (CIPMM) der Universität des Saarlandes neue Ansätze, damit KI-Systeme sich zukünftig ähnlich flexibel an sich verändernde Bedingungen – zum Beispiel an neue Aufgaben oder unvorhergesehene Situationen – anpassen können wie Lebewesen.

Projektpartner an der Seite von Projektleiter Prof. Dr. Daniel Durstewitz (ZI) und seinen Mitarbeitenden sind Prof. Dr. Georgia Koppe (HITKIP, IWR) und Prof. Dr. Jonas-Frederic Sauer (CIPMM) mit ihren Teams.

Forschung an der Schnittstelle von Neurobiologie und Künstlicher Intelligenz

Im Mittelpunkt von NAILIt steht die Frage, wie sich die Lernprinzipien von Tiergehirnen auf Künstliche Intelligenz (KI) übertragen lassen. Während heutige KI-Modelle, beispielsweise große Sprachmodelle, meist einmal auf riesigen Datensätzen trainiert werden und anschließend nur begrenzt anpassungsfähig sind, gelingt es Tieren, ihr Verhalten laufend auf neue Situationen einzustellen – schnell, effizient und mit minimalem Aufwand. Solche Fähigkeiten werden auch für KI-Systeme immer wichtiger, etwa für die Steuerung autonomer Fahrzeuge oder für lernende Modelle, die direkt mit Menschen interagieren.
Die Forschenden setzen modernste, selbst entwickelte KI-Werkzeuge zur Rekonstruktion dynamischer Systeme (DSR) ein, um aus neuronalen und Verhaltensdaten generative Modelle des flexiblen Lernens zu gewinnen. Diese sollen aufzeigen, wie das Gehirn in Echtzeit, also während laufender Aufgaben, Informationen verarbeitet und sich anpasst.

Von grundlegenden Lernprinzipien zu neuen KI-Systemen

Darauf aufbauend wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter der Leitung von Prof. Dr. Daniel Durstewitz, Leiter der Abteilung Theoretische Neurowissenschaften am ZI, grundlegende Lernprinzipien identifizieren, die sich auf KI übertragen lassen. Ziel der Forschenden ist es, KI-Modelle zu ermöglichen, die sich selbstständig flexibel und schnell an neue Situationen anpassen können, ohne jedes Mal komplett neu trainiert zu werden.
Zudem wird das Projektteam der Frage nachgehen, wie sich die gewonnenen Erkenntnisse auf sogenannte spikende neuronale Netze anwenden lassen, also KI-Modelle, die Signale ähnlich wie biologische Nervenzellen verarbeiten. Ziel ist hier, energieeffizientere und naturgetreuere Formen künstlicher Intelligenz zu ermöglichen.

Langfristige Perspektiven für klinische Anwendung und KI-Forschung

„Unsere Arbeit soll nicht nur KI-Systeme verbessern, sondern auch helfen, dynamische Prozesse im Gehirn bei psychischen Erkrankungen besser zu verstehen und vorherzusagen“, so Durstewitz. „Denn langfristig sollen die von uns entwickelten Methoden auch in psychiatrischen Kontexten Anwendung finden, beispielsweise zur Vorhersage individueller Krankheitsverläufe oder zur Steuerung adaptiver Neurofeedback-Verfahren.“ Geplant ist, die Projektergebnisse in wissenschaftlichen Fachzeitschriften und bei großen Konferenzen zu KI und maschinellem Lernen zu publizieren. Perspektivisch sollen sie auch in Industriekollaborationen und biomedizinische Anwendungen überführt werden.

Quelle: Pressemitteilung des Zentralinstitut für Seelische Gesundheit