11/17/2025

Meilenstein auf dem Weg zum „Quanteninternet“ - publiziert in Nature Communications

Wissenschaftler stehen vor einer Apparatur
© Universität Stuttgart/Julian MaischTobias Bauer (links) und Marlon Schäfer (rechts) von der Universität des Saarlandes und Tim Strobel von der Universität Stuttgart (Mitte) bei der Vorbereitung eines Experimentes mit mobilen Quantenfrequenzkonvertern.

Forscher der Universität Stuttgart haben Quanten zwischen Photonen aus zwei entfernten Lichtquellen teleportiert und konnten damit einen entscheidenden Fortschritt bei der Entwicklung von Quantenrepeatern erzielen. Entscheidend für den Erfolg waren Quantenfrequenzkonverter, die minimale verbleibende Frequenzunterschiede zwischen den Photonen ausgleichen. Diese hat ein Team um Christoph Becher, Professor für Quantenoptik der Saar-Universität, entwickelt. Beteiligt waren auch Forscher aus Dresden.

Die Universität Stuttgart hat dazu die folgende Pressemitteilung veröffentlicht:

Der Alltag im Internet ist unsicher: Hacker knacken Bankkonten oder stehlen digitale Identitäten. Dank KI werden Angriffe immer ausgefeilter. Effektiven Schutz gegen solche Cybergefahren verspricht die Quantenverschlüsselung. Sie macht die Kommunikation mit Gesetzen der Quantenphysik abhörsicher. Der Weg zu einem Quanteninternet ist aber noch voller technischer Hürden. Forschende vom  Institut für Halbleiteroptik und Funktionelle Grenzflächen (IHFG) der Universität Stuttgart haben nun einen entscheidenden Fortschritt bei einer der technisch anspruchsvollsten Komponenten erzielt, dem „Quantenrepeater“. Sie berichten darüber im Fachmagazin Nature Communications (DOI: 10.1038/s41467-025-65912-8). An dieser Publikation sind auch Professor Christoph Becher und seine Doktoranden Tobias Bauer und Marlon Schäfer beteiligt.

Nanometerkleine Halbleiterinseln für die Informationsübertragung

„Weltweit ist es uns zum ersten Mal gelungen, Quanteninformationen zwischen Photonen, die aus zwei unterschiedlichen Quantenpunkten stammen, zu übertragen“, sagt Prof. Peter Michler, Leiter des IHFG und stellvertretender Sprecher des Forschungsprojekts Quantenrepeater.Net (QR.N). Worum geht es dabei? Jede digitale Nachricht – ob WhatsApp oder Videostream – besteht aus Nullen und Einsen. Das gilt auch für die Quantenkommunikation, bei der einzelne Lichtteilchen als Informationsträger dienen. Null oder Eins codiert man dann durch zwei unterschiedliche Richtungen der Polarisation der Photonen, also deren Ausrichtung in die Horizontale und Vertikale oder auch durch eine Überlagerung beider Zustände. Da Photonen den Gesetzen der Quantenmechanik folgen, lässt sich ihre Polarisation nicht immer vollständig auslesen, ohne Spuren zu hinterlassen. Ein Lauschangriff würde zwangsläufig entdeckt werden.

Quanteninternet fit machen für das Glasfasernetz

Eine weitere Herausforderung: Ein bezahlbares Quanteninternet würde – genau wie das heutige Internet – Glasfasern nutzen. Licht hat darin aber nur eine begrenzte Reichweite. Normale Lichtsignale werden deshalb etwa alle 50 Kilometer mit einem optischen Verstärker erneuert. Da Quanteninformationen nicht einfach verstärkt oder kopiert und weitergeleitet werden können, funktioniert das im Quanteninternet nicht. Die Quantenphysik allerdings erlaubt, Informationen von einem Photon auf ein anderes zu übertragen, ohne diese Informationen zu kennen. Dieses Verfahren nennt man Quantenteleportation.

Quantenrepeater als Knotenpunkte für Informationsübertragung

Darauf aufbauend entwickeln Physiker Quantenrepeater, die Quanteninformationen erneuern, bevor sie in der Glasfaser verloren gehen. Sie sollen im Quanteninternet als Knoten dienen. Die technischen Hürden sind jedoch groß: Um Quanteninformationen per Teleportation zu übertragen, müssen die Photonen ununterscheidbar sein – etwa die gleiche Ausdehnung und Farbe haben. Das ist extrem schwierig, da sie an verschiedenen Orten von unterschiedlichen Quellen erzeugt werden. „Lichtquanten aus verschiedenen Quantenpunkten sind zuvor noch nie teleportiert worden, weil es so herausfordernd ist“, sagt Tim Strobel, Wissenschaftler am IHFG und Erstautor der Studie. Sein Team hat im Rahmen von QR.N Halbleiterlichtquellen entwickelt, die nahezu identische Photonen erzeugen. „In diesen Halbleiterinseln entstehen bestimmte, festgelegte Energieniveaus wie in einem Atom“, erklärt Strobel. So lassen sich auf Knopfdruck einzelne Photonen mit definierten Eigenschaften erzeugen. „Unsere Partner vom Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung in Dresden haben Quantenpunkte hergestellt, die sich nur minimal unterscheiden“, so Strobel. Dadurch können an zwei Orten fast gleiche Photonen erzeugt werden.

Information wird von einem auf das andere Photon „gebeamt“

An der Universität Stuttgart gelang es dem Team, den Polarisationszustand eines Photons aus einem Quantenpunkt auf ein anderes aus einem zweiten Quantenpunkt zu teleportieren. Dabei erzeugt der eine Quantenpunkt ein einzelnes Photon, der andere ein verschränktes Photonenpaar. „Verschränkt“ bedeutet: Die Partner bilden quantenphysikalisch eine Einheit, auch wenn sie sich räumlich trennen. Ein Partner des Paars reist zum zweiten Quantenpunkt und interferiert mit dessen Lichtteilchen. Beide überlagern sich. Aufgrund dieser Überlagerung überträgt sich die Information des einzelnen Photons auf den entfernten Partner des Paars. Entscheidend für den Erfolg waren „Quantenfrequenzkonverter“, die minimale verbleibende Frequenzunterschiede zwischen den Photonen ausgleichen. Entwickelt hat sie ein Team um Prof. Christoph Becher, Experte für Quantenoptik an der Universität des Saarlandes.

Verbesserungen für deutlich größere Reichweiten

„Quanteninformationen zwischen Photonen aus unterschiedlichen Quantenpunkten zu übertragen, ist ein entscheidender Schritt, um künftig größere Distanzen zu überbrücken“, sagt Peter Michler. Im Stuttgarter Experiment waren die Quantenpunkte nur durch eine etwa zehn Meter lange Glasfaser getrennt. „Aber wir arbeiten daran, deutlich größere Entfernungen zu erreichen“, erklärt Strobel. Bereits in früheren Arbeiten zeigte das Team, dass die Verschränkung der Quantenpunkt-Photonen selbst nach einer 36 Kilometer langen Übertragung durch die Stuttgarter Innenstadt erhalten bleibt. Ein weiteres Ziel ist, die derzeit gut 70-prozentige Erfolgsrate der Teleportation zu steigern. Noch führen Fluktuationen im Quantenpunkt zu leichten Unterschieden der Photonen. „Diese wollen wir durch halbleitertechnische Verbesserungen verringern“, so Strobel. „Es war schon lange ein Traum, ein solches Experiment durchzuführen und diese Ergebnisse sind die Krönung jahrelanger Studien und wissenschaftlicher Fortschritte“, sagt Dr. Simone Luca Portalupi, Gruppenleiter am IHFG und einer der Koordinatoren dieser Arbeit. „Es ist spannend zu sehen, wie Experimente, die sich mit Grundlagenforschung befassen, erste Schritte in Richtung einsetzbarer Technologien machen."

Forschungsverbund Quantenrepeater.Net

Die Forschung zu Quantenrepeatern wird vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) im Rahmen des Projektes „Quantenrepeater.Net (QR.N)“ gefördert. Unter Koordination der Universität des Saarlandes (Verbundsprecher: 
Prof. Dr. Christoph Becher) haben sich im QR.N-Verbund 42 Partner aus Forschungseinrichtungen, Universitäten und Wirtschaftsunternehmen zusammengeschlossen, um die Technologie und den Einsatz von Quantenrepeatern in optischen Glasfasernetzwerken zu erforschen und zu erproben. Das Projekt basiert auf Ergebnissen des ebenfalls BMFTR-geförderten (vormals BMBF) Projektes „Quantenrepeater.Link (QR.X)“, das unter Federführung der Universität des Saarlandes von 2021 bis Ende 2024 bundesweit die Grundlagen für die Entwicklung eines Quantenrepeaters erforscht hat. Physikerinnen und Physiker der Universität Stuttgart haben beide Verbünde maßgeblich mitgestaltet. An den Experimenten zur Quantenteleportation waren unter Koordination des Instituts für Halbleiteroptik und Funktionelle Grenzflächen (IHFG) der Universität Stuttgart, das Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung (IFW) in Dresden und die Arbeitsgruppe Quantenoptik der Universität des Saarlandes beteiligt.

Quelle und Kontakt: Pressemitteilung der Universität Stuttgart