Mehrsprachigkeit und Interkomprehension

Bei der Sprachverarbeitung interagieren alle Sprachen, über die ein Individuum verfügt, und sein Wissen und die Kenntnisse darüber; die damit verbundenen Wissensressourcen beeinflussen sich fortwährend gegenseitig. Auf der Basis dieser Erkenntnis wurden in den vergangenen Jahrzehnten die sog. pluralen Ansätze entwickelt. Dabei handelt es sich um Konzepte zu Erwerb und Vermittlung von Mehrsprachigkeit, die stets mehr als eine einzelne Sprache fokussieren. Mehrsprachigkeitskompetenz ist dabei zu verstehen als « eine einzige mehrsprachige und plurikulturelle Kompetenz, die das gesamte Spektrum der Sprachen umfasst, die einem Menschen zur Verfügung stehen » (Europarat 2001: 163). Die Einbeziehung aller bereits vorhandenen sprachlichen und kulturellen Kenntnisse und Kompetenzen der Lernenden, also aller Lernerressourcen, ist demnach ein wesentlicher Aspekt, unabhängig davon, ob sie im schulischen oder außerschulischen Kontext erworben wurden. Sie alle sind von zentraler Bedeutung für den (Fremd-) Spracherwerb, da die umfangreichen, über Sprachen- und Fächergrenzen hinweg vorhandenen Synergien  für den weiteren Spracherwerb genutzt werden können. Die Vermittlung und der Erwerb von Mehrsprachigkeit sind damit eine transversale Aufgabe.

Die Interkomprehension ist eines der pluralen Lehr- und Lehrkonzepte zur Vermittlung von Mehrsprachigkeit. Es umfasst explizit die Entwicklung mehrsprachiger und interkultureller Kompetenzen. Mit Interkomprehension wird die Fähigkeit bezeichnet, insbesondere nahverwandte Sprachen verstehen zu können, ohne sie formal erlernt zu haben. Der Ansatz nutzt die beim Lernenden vorhandenen Ressourcen, indem das vorgelernte Wissen gezielt in den Lernprozess einbezogen wird, um rezeptive Kompetenzen in den bearbeiteten Zielsprachen bzw. einer ganzen Sprachengruppe zu generieren. Interkomprehensiv basierte Vorgehensweisen richten sich auf die Sensibilisierung für Sprachen und ihren Erwerb sowie einen bewussten Umgang mit ihnen. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Reflexion des eigenen Sprachlernprozesses, aber auch die Entwicklung von Lernerautonomie. Den Herkunfts-/Familiensprachen der Lernenden kommt hierbei eine wichtige Rolle zu, die ihnen vor allem im schulischen Kontext häufig nicht beigemessen wird; sie sind jedoch von zentraler Bedeutung für die individuelle sprachliche Entwicklung und Identitätsbildung. Daher sind sie ein wichtiger Bestandteil der Konzepte zur Mehrsprachigkeitserziehung. Über das virtuelle EuroCom-Zentrum stehen umfangreiche Materialien sowie ein Selbstlernportal für das Training von Lesekompetenzen im Italienischen, Rumänischen und Spanischen zur Verfügung.

Mehrsprachigkeit und Interkomprehension sind Gegenstand entsprechender Lehrveranstaltungen am Lehrstuhl und der regelmäßig gemeinsam mit Lehramtsstudierenden durchgeführten Schulprojekte zur Mehrsprachigkeit. Am Landesinstitut für Pädagogik und Medien (LPM) können Sprachlehrende eine entsprechende Fortbildung absolvieren, die mit einem Zertifikat abgeschlossen werden kann.

Auch in der Forschung bildet die Mehrsprachigkeit einen der Schwerpunkte am Lehrstuhl.