Zwischen Transfer und Vergleich

Theorien und Methoden der Literatur‐ und Kulturbeziehungen
aus deutsch‐französischer Perspektive

Die Literatur- und Kulturbeziehungen haben sich während der letzten Jahre im Zuge von Globalisierung, Kulturwandel und Medienrevolution radikal verändert. Diese Veränderungen schlagen sich direkt in neueren und neuesten theoretischen sowie methodischen Reflexionen nieder. Auf fruchtbare, aber auch auf besonders kontroverse Weise werden sie im deutsch-französischen Kontext diskutiert. 

Mit dem Saarbrücker Kolloquium wird erstmals ein kritischer Dialog eröffnet zwischen neuesten, zumeist durch junge Nachwuchswissenschaftler/-innen vertretenen literatur- bzw. kulturtheoretischen Zugängen und etablierten Experten-Ansätzen zu Fragen des Transfers und des Vergleichs.

Organisiert von Prof. Christiane Solte-Gresser, Prof. Hans-Jürgen Lüsebrink (Interkulturelle Kommunikation), Prof. Manfred Schmeling (Vergleichende Literaturwissenschaft) und dem Frankreichzentrum der Universität des Saarlandes fand die internationale und interdisziplinäre Tagung vom 9. - 11. Februar 2012 an der Universität des Saarlandes statt. Die Beiträge sind erschienen in der Schriftenreihe des Frankreichzentrums Vice Versa. Finanziert wurden Tagung und Publikation durch die VolkswagenStiftung.

Fragestellung und Erkenntnisinteresse

Das Projekt geht von der Beobachtung aus, dass sich die Literatur‐ und Kulturbeziehungen während der letzten Jahre im Zuge von Globalisierung, Kulturwandel und Medienrevolution radikal verändert haben. Diese Veränderungen schlagen sich direkt in neueren und neuesten theoretischen sowie methodischen Reflexionen nieder. Auf fruchtbare, aber auch auf besonders kontroverse Weise werden sie im deutsch‐französischen Kontext diskutiert. Während die aktuellen Ansätze angloamerikanischer Provenienz als relativ gut erforscht gelten können, steht allerdings eine systematische Ausschreitung des gegenwärtigen, sich ausgesprochen dynamisch entwickelnden deutsch‐französischen Theorie‐Feldes der Literatur‐ und Kulturbeziehungen noch weitgehend aus.

Mit diesem Projekt wird erstmals ein kritischer Dialog eröffnet zwischen neuesten, zumeist durch junge Nachwuchswissenschaftler/innen vertretenen literatur‐ bzw. kulturtheoretischen Zugängen und etablierten Experten‐Ansätzen (u.a. des Humboldt‐Forschungspreisträgers Michel Espagne) zu Fragen des Transfers und des Vergleichs. Damit soll nicht nur auf einer meta‐theoretischen Ebene Bilanz gezogen werden. Der innovative Charakter des Vorhabens besteht vor allem darin, die Theorien erstens auf ihre methodische Tragfähigkeit hinsichtlich aktuellster Literatur‐ und Kulturphänomene zu überprüfen, zweitens die höchst kontrovers verlaufende Diskussion entlang ihrer zentralen Konfliktlinien und strittigen Positionen nachzuzeichnen bzw. kritisch weiterzuführen und diese drittens in einem dezidiert interdisziplinären Kontext auf neue Perspektiven hin zu befragen. Denn es ist davon auszugehen, dass gerade die interdisziplinäre Debatte zwischen Literaturwissenschaftlern, Historikern, Sprach‐ und Kulturwissenschaftlern, welche sich allesamt mit methodischen Problemen der Vergleichbarkeit und des Transfers kultureller Phänomene auseinanderzusetzen haben, entscheidende Impulse für eine Neukonzeptualisierung des Theorien und Methodenspektrums der Vergleichs‐ und Transferforschung liefert.

An dem Projekt wirken (Nachwuchs‐)Wissenschaftler aus Frankreich, Kanada, Deutschland, der Schweiz und Belgien mit. Dies kann als besonderer Ausweis der Aktualität und der Internationalität der Problemstellung gewertet werden, sowie des Bedürfnisses, ein dringliches Desiderat gerade im Bereich der Methodenfragen zu beheben. Somit besteht erstmals die Gelegenheit, sämtliche derzeit bedeutenden und sich in der Theoriedebatte größtenteils kontrovers gegenüber stehenden Ansätze auf dem Gebiet der deutsch‐französischen Literatur‐ und Kulturbeziehungen systematisch zusammenzuführen und das hieraus entstehende Potenzial zur innovativen Weiterentwicklung insbesondere auf dem Gebiet der Methodik zu nutzen.

Ergebnisse

Übergeordnetes Ziel des internationalen und dezidiert interdisziplinär angelegten Projektes ist es, Theorien, Methoden und Begriffe auf dem Gebiet der Analyse von Kulturaustauschprozessen zu dokumentieren, ihre Praktikabilität zu überprüfen und über alternative Vorgehensweisen zu reflektieren. Im Zentrum des Interesses stehen daher zwei wissenschaftstheoretisch besonders dominante Kategorien kultureller Grenzüberschreitung: Transfer und Vergleich. Ein Grundzug des Vorhabens besteht somit darin, eine bislang vernachlässigte meta‐theoretische Diskussion sowohl über die historisch gewachsenen Ansätze als auch über den aktuellen Stand entsprechender Modelle einzuleiten.

Die bereits in der Themenformulierung des Kolloquiums vorgegebene Dynamik eines Prozesses, der sich zwischenden beiden Phänomenen des Transfers und des Vergleichs bewegt, hat sich bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt als deren produktivste Dimension erwiesen. Nahezu sämtliche Beiträge verweisen, freilich stets unter dem Vorbehalt komplexer methodischer Differenzierungsmöglichkeiten, auf die unauflösbare Interdependenz von Kulturtransferforschung und vergleichender Verfahrensweise. Einerseits zeigt sich der Vergleich damit als ein notwendiges Instrument der Transferforschung, andererseits entwickelt sich die traditionelle Komparatistik derzeit zu einer Disziplin, die kulturwissenschaftliche und damit auch inter‐ und transkulturelle Fragestellungen immer stärker ins Zentrum ihres Aufgabenspektrums rückt.

Interdisziplinarität und Meta‐Reflexion prägen denn auch die einzelnen Ansätze wie die gemeinsamen Diskussionen in entscheidender Art und Weise. Die Auseinandersetzung mit Kulturtransfer und Vergleich ist weniger an stofflichen Nachweisen und Deutungen ausgerichtet als an einem vielschichtigen interdisziplinären und interkulturellen Dialog, der Theoriebildung und Analyse gleichermaßen einschließt. Historische Bilanzierungen und innovative Vorschläge zur Weiterentwicklung der Forschungsparadigmen ergänzen sich. Dabei spiegeln gerade die deutschfranzösische Zusammensetzung des Teilnehmerkreises, durch die der Diskussionsstand aus dem französischen, belgischen, kanadischen, schweizerischen und deutschen Kulturraum zusammengeführt werden können, und die daraus resultierenden – auch kontroversen – Debatten auf ihre Weise die Thematik des Projektes wider.

Publikation

Die Paradigmen der Kulturbeziehungs- und Kulturkontaktforschung haben sich in den letzten Jahren beständig erweitert. Die deutsch-französischen Kulturbeziehungen stellen gerade auch aufgrund ihrer Differenzen und Konfliktpotenziale ein privilegiertes Feld dar, um entsprechende Theorien und Methoden auf ihre heuristische Aktualität zu prüfen und Perspektiven ihrer Weiterentwicklung aufzuzeigen.

Dieser Band konzentriert sich auf die Auseinandersetzung mit zwei grundlegenden Analysekategorien – Vergleich und Transfer –, die in erster Linie im deutsch-französischen Wissenschaftskontext entwickelt wurden und zurzeit besonders kontrovers diskutiert werden. Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen untersuchen anhand von vielfältigen Textsorten, Medien und soziokulturellen Kontexten die methodischen Herausforderungen dieser beiden Ansätze.

HerausgeberInnen:

Christiane Solte-Gresser
Hans-Jürgen Lüsebrink
Manfred Schmeling

Erschienen in der Reihe: Vice Versa. Deutsch-französische Kulturstudien

Franz Steiner Verlag 2013.
457 S., 11 s/w Abb.
Gebunden
ISBN 978-3-515-10634-4