1. DFG-Projekt "Ländliche und städtische Sozialgemeinschaften in Alemannien/Elsaß im Spiegel ihrer prekarischen Grundbesitzgeshäfte bis 1300. St. Gallen, Weißenburg, Basel, Straßburg" (2002-2011)

Die Prekarien, eine im Mittelalter gebräuchliche bedingte Landschenkung mit Nutzungsvorbehalt bzw. eine Landschenkung unter der Bedingung der Rückleihe zu Nießbrauch, sollen für die Klöster St. Gallen und Weißenburg und die Bischofsstädte Straßburg und Basel bis 1300 erfaßt und unter wirtschafts- und sozialhistorischen Kriterien aufgenommen werden. Ziel ist es, folgende noch offene Fragen zu klären:

• Gab es eine Verbindung zwischen der frühmittelalterlichen Prekarie und den spätmittelalterlichen Pachtverträgen? Es wird bisher angenommen, daß es keine Verbindungen gab, weil die Prekarie mit dem frühmittelalterlichen Großbauerntum untergegangen sei, doch gibt es diverse Indizien dafür, daß dies nicht der Fall war.

• Wurde die prekarische Landleihe verstärkt in strukturschwachen ländlichen Gebieten eingesetzt, somit von Grundherren als agrarpolitisches Instrument zur Erzielung agrarischer Innovation benutzt? Diese Hypothese ist anhand der Grundherrschaft des Klosters Prüm (Eifel) entwickelt und für das karolingische Tuszien zur Diskussion gestellt worden. Sie wäre für den Untersuchungsraum zu überprüfen.

• Kam die Prekarie im städtischen Umfeld zum Einsatz und diente sie dadurch urbanen Erschließungstrategien? Weder die Agrar- noch die Städteforschung hat sich diese Frage bisher gestellt, doch erweisen Urkunden und Stadtrechte, daß Prekarieverträge in den Städten Basel und Straßburg abgeschlossen und Grundstücksgeschäfte damit getätigt wurden.

• Welche Motive hatte ein Grundbesitzer, sein Land zu verschenken, um es als Prekator zu Nießbrauch zurückzuleihen? Zur Klärung dieser Frage wird von dem methodischen Neuansatz ausgegangen, die Prekarie als rechtliches Medium für Grundstücksgeschäfte zu betrachten. In dieser Hinsicht wurde sie benutzt von Witwen zur Absicherung ihres Witwengutes, von sozialgefährdeten alleinerziehenden Müttern, von sozialhochstehenden Begüterten zur Altersvorsorge bzw. zur Bewahrung ihres Lebensstandards im Alter unabhängig von fehlenden oder vorhandenen Erben, von Erblassern zur Vorbeuge gegen undankbare Erben, von Personen, die ihre bedingte oder völlige Arbeitsunfähigkeit befürchteten, von Grundbesitzern, die ihren Besitz gegen Güter an einem anderen Ort tauschen oder durch eine Hinzuleihe weiterer Güter vergrößern wollten.

• Die Ausweitung der Vergleichsbasis auf die Prekarien des dem Untersuchungsraum benachbarten und dort ebenfalls begüterten Klosters Gorze sind vor allem für drei Fragestellungen wichtig: (1) Welchen materiellen Gewinn versprachen sich die beiden Vertragsparteien, der landschenkende Prekarist einerseits und das landleihende Kloster andererseits, von diesem Grundstücksgeschäft? (2) Wie groß waren die Grundstücke, die Gegenstand eines Prekarievertrags waren? (3) Gibt es aufgrund der Größenordnung eine Beziehung zwischen der frühmittelalterlichen Manse und der spätrömischen ‚villa’? Diese zu beantworten, ist das abschließende Ziel des Projektes.

Das Forschungsvorhaben beabsichtigt, die wirtschafts- und sozialgeschichtliche Bedeutung des prekarischen Grundstücksgeschäfts bis zum Übergang ins Spätmittelalter zu ermitteln. Eine Monographie über die Prekarie fehlt bisher.

Aus dem Projekt sind bisher zwei Dissertationen und mehrere Beiträge in Sammelwerken und Zeitschriften entstanden. Eine Monographie ist in Bearbeitung.


Header-Bild: Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 848, Große Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse), https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg848/0018