Abschlussarbeiten
Allgemeine Anmerkung
Sollten Sie Interesse an mehrerer unserer Themen haben, bitten wir Sie, eine gemeinsame E-Mail an alle betroffenen Ansprechpartner zu schreiben, um unseren internen Organisationsaufwand somit zu verringern. Wir danken für Ihr Verständnis!
Themen für Abschlussarbeiten
In der AE Experimentelle Neuropsychologie bieten wir eine Reihe von Themen für Abschlussarbeiten an, sind aber auch offen für eigene Vorschläge. Bei empirischen Arbeiten haben Sie bei uns die Chance, eine neuropsychologische Methode wie EEG zu erlernen und selbst anzuwenden. Während der Bearbeitung eines Projekts werden Sie bei uns individuell betreut. Wir freuen uns, wenn Sie uns ansprechen!
Knowledge is power – Wirkt der konzeptuelle Kontext als ein Schema beim Lernen neuer Wortassoziationen?
Neue Assoziationen, wie zum Beispiel im Kompositum „Saftladen“, treten selten isoliert auf, sondern meist in einem inhaltlichen bzw. konzeptuellen Kontext. Auch die Bestandteile des Kompositums sind nicht vollkommen neu. Vielmehr sind die Wörter und entsprechend die Konzepte bereits bekannt und Teil einer existierenden semantischen Wissensstruktur. Aus gedächtnispsychologischer Sicht kann der konzeptuelle Kontext, in dem ein Kompositum gelernt wird, als ein Schema verstanden werden. Ein Schema ist eine assoziative Wissensstruktur, die die Gedächtnisbildung beeinflusst und erleichtert (Gilboa & Marlatte, 2017; Trends in Cognitive Science 2017 https://doi.org/10.1016/j.tics.2017.04.013 ) und auf Basis bereits bestehenden Vorwissens aufgebaut werden kann. Ein neues Kompositum wie Wellnessschemel könnte beispielsweise mit Hilfe des Kontextes „ein Hocker, der besonders komfortabel ist“ gelernt werden, da dieser Kontext nahelegt, warum die beiden Bestandteile des Kompositums (Wellness & Schemel) zu dem neuen Konzept kombiniert werden. Dieser unterstützende Kontext könnte demzufolge ein Schema bilden, der das Lernen des Kompositum erleichtert. Sieht man das Kompositum hingegen in einem neutralen Kontext, wie z. B. „ein Hocker, der aus Gummi gefertigt wurde“, wird nicht klar, warum ein aus Gummi gefertigter Hocker als Wellnessschemel bezeichnet wird. Der neutrale Kontext ist also keine assoziative Wissensstruktur und sollte demzufolge das Lernen des Kompositums nicht unterstützen. In drei Projekten sollen einzelne Aspekte des schemabasierten Lernens weiter untersucht werden:
Projekt 1: Schema-based learning comes with a price
In diesem Projekt soll die Annahme geprüft werden, dass schemabasiertes Lernen in einem unterstützenden Kontext zwar das Gedächtnis für das Kompositum verbessert, aber auch mit schlechterer Einprägung von Details einhergeht, also zu mehr Verwechslungsfehlern mit semantisch ähnlichen Wörtern führt.
Projekt 2: Not just another brick in the wall?
Vorstudien lassen vermuten, dass Komposita, die in einem unterstützenden Kontext gelernt werden, besser erinnert werden, weil sie distinkter geworden sind, also herausstechen. Diese Annahme soll in einem behavioralen Experiment untersucht werden.
Diese Themen eignen sich ausgezeichnet für eine Bachelorarbeit oder als Thema für ein Forschungspraktikum.
Ansprechpartner/in: Julia Meßmer & Axel Mecklinger
From the bottom to the top: Bottom-up Unitarisierung und das Assoziationsgedächtnis im Alter
Zwei-Prozess-Modellen des Rekognitionsgedächtnisses zufolge basiert episodisches Erinnern auf Rekollektion und Vertrautheit. Um sich erfolgreich an Assoziationen zu erinnern, wird normalerweise Rekollektion benötigt, da Vertrautheit alleine nicht ausreicht. Während des gesunden Alterns zeigt Rekollektion Defizite auf, wohingegen Vertrautheit intakt bleibt. Dadurch kommt es zum Assoziationsgedächtnisdefizit, d.h., ältere Personen haben im Vergleich zu jungen Personen größere Schwierigkeiten, sich an Assoziationen als an einzelne Informationen zu erinnern. Unitarisierung bezeichnet den Prozess, bei dem die beiden Bestandteile eines Paares sowie die darin enthaltene Assoziation zu einer neuen Einheit verbunden werden. Ziel der Unitarisierung ist es, dass eine solche Einheit verstärkt mithilfe von Vertrautheit erinnert werden kann, damit Rekollektion nicht zwingend notwendig ist. Dies stellt eine Möglichkeit dar das Assoziationsgedächtnisdefizit im hohen Lebensalter zu minimieren.
Projekt 1: Does that make sense? – Der Einfluss semantischer Relationen als Unitarisierungsstrategie auf das Assoziationsgedächtnisdefizit
Im Zusammenhang mit Unitarisierung werden verschiedene Möglichkeiten erforscht, um Bedingungen zu kreieren, die Unitarisierung fördern. Hierbei kann an dem zu lernenden Material angesetzt werden (bottom-up Unitarisierung), indem der semantische Zusammenhang zwischen den zu lernenden Bestandteilen eines Paares manipuliert wird. In diesem Projekt werden Objektpaare verwendet, welche aus zwei einzelnen Objekten bestehen, die entweder einen semantischen Zusammenhang (z.B. Milch und Cornflakes) oder keinen semantischen Zusammenhang aufweisen (z.B. Milch und Schuh).


Ziel des Projektes ist es, den Einfluss dieser bottom-up Unitarisierungsstrategie (semantischer vs. kein semantischer Zusammenhang) auf das Assoziationsgedächtnisdefizit und die zugrundeliegenden Prozesse zu untersuchen. Hierfür werden neben behavioralen Maßen für die Assoziationsgedächtnisperformanz auch neuronale Korrelate von Vertrautheit und Rekollektion anhand ereigniskorrelierter Potentiale im EEG mit jungen und älteren Probanden untersucht.
Projekt 2: Let’s speed it up! – Der Beitrag von Vertrautheit und Rekollektion zum Assoziationsgedächtnis im Altersvergleich
Unitarisierung bietet den Vorteil, dass Assoziationen verstärkt mit Hilfe von Vertrautheit erinnert werden können und Rekollektion, welche aufwendiger ist, nicht zwingend notwendig ist. Dennoch wird angenommen, dass es Altersunterschiede dahingehend gibt, inwiefern Vertrautheit und Rekollektion zum erfolgreichen Erinnern von Assoziationen beitragen (z.B. Mangels & Heinberg, 2006). Während ältere Menschen aufgrund ihres Rekollektionsdefizits unitarisierte Assoziationen verstärkt vertrautheitsbasiert erinnern, nutzen jüngere Menschen ihre intakte Rekollektion auch bei dem Erinnern unitarisierter Assoziationen. Mithilfe des Response Deadline Paradigmas kann der Beitrag von Vertrautheit und Rekollektion zum erfolgreichen Wiedererkennen untersucht werden (Mecklinger et al., 2011; Scheuplein et al., 2014). Hierbei wird angenommen, dass bei einer begrenzten Zeit für die Antwort in der Testphase (speeded response condition) das Wiedererkennen verstärkt auf Vertrautheit basiert, wohingegen das erfolgreiche Erinnern basierend auf Rekollektion erfolgen kann, wenn mehr Zeit für die Antwort in der Testphase gegeben wird (non-speeded response condition).


In diesem Projekt werden Objektpaare verwendet, die zwar keinen semantischen Zusammenhang besitzen, aber so angeordnet sind, dass entweder eine Handlung (z.B. Milch über einem Schuh, sodass sie hineingegossen werden könnte) ausgeführt werden kann oder nicht (z.B. ein Küchenmesser unter einer Dartscheibe). Diese Objektpaare werden im Rahmen eines Gedächtnisexperimentes mit dem Response Deadline Paradigma untersucht. Es werden junge und ältere Probanden getestet, um zu untersuchen, inwiefern Vertrautheit und Rekollektion zum erfolgreichen Abruf der Assoziationen beitragen und inwiefern es Unterschiede zwischen den beiden Altersgruppen gibt.
Mangels, J. A., & Heinberg, A. (2006). Improved Episodic Integration Through Enactment: Implications for Aging. The Journal of General Psychology, 133(1), 37–65. https://doi.org/10.3200/GENP.133.1.37-65
Mecklinger, A., Brunnemann, N., & Kipp, K. (2011). Two processes for recognition memory in children of early school age: An event-related potential study. Journal of Cognitive Neuroscience, 23(2), 435–446. https://doi.org/10.1162/jocn.2010.21455
Scheuplein, A.-L., Bridger, E. K., & Mecklinger, A. (2014). Is faster better? Effects of response deadline on ERP correlates of recognition memory in younger and older adults. Brain Research, 1582, 139–153. https://doi.org/10.1016/j.brainres.2014.07.025
Projekt 3: Still integrating? – Semantische Verarbeitung von bildlichem Material im Altersvergleich
Die N400 stellt eine EKP-Komponente dar, welche mit der semantischen Verarbeitung und Integration in Zusammenhang gebracht wird. Während des gesunden Alterns zeigt sich eine Abnahme der N400 im Vergleich zu jüngeren Personen. Verarbeiten ältere Personen seman-tische Inhalte weniger differenziert als jüngere Personen? Da die N400 oft im Zusammen-hang mit verbalem Material untersucht wurde, stellt sich die Frage, wie sich die N400 bei bildlichem Material verhält und inwiefern sich Altersunterschiede zeigen. Hierfür können Daten von jungen und älteren Probanden für zwei unterschiedliche Materialsets untersucht werden:
Zum einen können Altersvergleiche in der N400 für Objektpaare analysiert werden, die zwar keinen semantischen Zusammenhang aufweisen, aber so angeordnet sind, dass entweder eine Handlung (z.B. Milch über einem Schuh, sodass sie hineingegossen werden könnte) ausgeführt werden kann oder nicht (z.B. ein Küchenmesser unter einer Dartscheibe). Werden Objektpaare mit Handlungszusammenhang trotz fehlendem semantischen Zusammen-hang stärker integriert als Objektpaare ohne Handlungszusammenhang?
Zum anderen können Altersvergleiche in der N400 für Objektpaare mit semantischem Zusammenhang (z.B. Milch und Cornflakes) und ohne semantischen Zusammenhang (z.B. Milch und Schuh) analysiert werden, um zu sehen, ob die Objektpaare mit semantischem Zusammenhang semantisch stärker integriert werden als die Objektpaare ohne semantischen Zusammenhang.
Alle Projekte können im Rahmen einer Bachelor- oder Masterarbeit umgesetzt werden.
Ansprechpartner/in: Véronique Huffer & Axel Mecklinger
Der Einfluss von Unsicherheit auf das Erleben von Vertrautheit
Nach der Diskrepanz-Attributions-Theorie von Whittlesea und Williams (2001a, 2001b) entsteht ein Vertrautheitsgefühl für einen Stimulus durch eine überraschend flüssige Verarbeitung des Stimulus. Überraschend heißt in diesem Fall, dass die Verarbeitung des Stimulus viel leichter geht als es für den Stimulus in der gegebenen Situation zu erwarten gewesen wäre. In einer Reihe von Experimenten konnten Whittlesea und Williams zeigen, dass Wörter, die in einem Rekognitionstest untermittelbar nach einem prädiktiven Satzkontext (z.B. „The hikers got lost when they left the … TRAIL“) präsentiert wurden häufiger als gelernt klassifiziert wurden im Vergleich zu Wörtern nach einem neutralen Satzstamm („He helped the company build a new … TRAIL”). Dies traf sowohl auf tatsächlich gelernte Wörter (hits) zu als auch auf fälschlicherweise als alt klassifiziert Wörter (false alarms). Entscheidend für die Theorie ist aber nun, dass die flüssige Verarbeitung unerwartet ist. Whittlesea und Williams argumentieren, dass prädiktive Satzstämme Erwartungen hervorrufen, die nicht definitiv sind und die Probanden sich deshalb für kurze Zeit in einem Zustand der Unsicherheit befinden. Wenn dann ein passendes Zielwort erscheint, ist das Erlebnis als Ganzes überraschend flüssig und die flüssige Verarbeitung wird darauf attribuiert, dass das Wort schon einmal zuvor präsentiert worden sein muss (Altheit). Im Einklang damit ist der Effekt des Satzkontextes größer, wenn es eine kurze Pause zwischen Satzstamm und Zielwort gibt, d.h. wenn Zeit besteht, um Unsicherheit zu erleben, als wenn das Zielwort mit dem Satzkontext zusammen präsentiert wird (Whittlesea & Williams, 2001b, Experiment 1). Whittlesea und Williams lieferten in zahlreichen Artikeln Evidenz für ihre Theorie, Replikationen aus anderen Laboren sind aber rar. In einer schon abgeschlossenen Masterarbeit wurde ein umfassendes Stimulusset für das Satzkontextparadigma im Deutschen erstellt und erste Ergebnisse aus einer Online-Studie deuten darauf hin, dass sowohl der Satzkontexteffekt als auch der Pauseneffekt replizierbar sind. Das Paradigma soll nun weiterentwickelt und erstmals im Labor getestet werden (mögliche Bachelorarbeit).
In einem kürzlich erschienen Überblicksartikel, gehen wir (Mecklinger & Bader, 2020) davon aus, dass auch der mutmaßliche Vertrautheitseffekt im Ereignis-korrelierten Potential, die FN400, mit der Attribution von flüssiger Verarbeitung auf Altheit einhergeht. Verbindet man diesen Ansatz mit der Diskrepanz-Attributionstheorie von Whittlesea und Williams, wäre zu erwarten, dass auch die FN400 mit dem Satzkontext und der An-und Abwesenheit einer Pause variiert. Diese Hypothese soll in einer Masterarbeit (ggf. in Verbindung mit einer Projektarbeit) untersucht werden.
Referenzen:
Mecklinger, A., & Bader, R. (2020). From fluency to recognition decisions: A broader view of familiarity-based remembering. Neuropsychologia, 146, 107527.
Whittlesea, B. W., & Williams, L. D. (2001a). The discrepancy-attribution hypothesis: I. The heuristic basis of feelings of familiarity. Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory, and Cognition, 27(1), 3–13.
Whittlesea, B. W., & Williams, L. D. (2001b). The discrepancy-attribution hypothesis: II. Expectation, uncertainty, surprise, and feelings of familiarity. Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory, and Cognition, 27(1), 14–33.
Ansprechpartnerin/Ansprechpartner: Regine Bader & Axel Mecklinger