Wer war Günter Jacob?

Günter Jacob (1906-1993) war von 1932 bis 1946 Pfarrer in Noßdorf bei Forst/Niederlausitz. Er war Mitinitiator der Pfarrernotbundes und gehörte zum radikalen Flügel der Bekennenden Kirche. Von 1946 bis 1972 war er Generalsuperintendent der Neumark und der Niederlausitz bzw. des Sprengels Cottbus. Nach dem Mauerbau amtierte er von 1963 bis 1966 als Verwalter des Bischofsamtes für die Region Ost der Berlin-Brandenburgischen Landeskirche.

Als Theologe und kirchlichen Amtsträger bewegte ihn die Frage nach der Zukunft der Kirche und nach einer kirchlichen Praxis, die sowohl dem Evangelium vom gekreuzigten Christus als auch der gegenwärtigen Situation angemessen sein sollte. Die Grundentscheidungen seiner Theologie orientierten sich an Martin Luther und Karl Barth. Aber auch Rudolf Bultmann, Martin Heidegger, Dietrich Bonhoeffer, die liturgische Bewegung, die ökumenische Bewegung, die französischen Arbeiterpriester und die theologischen Neuansätze der 1960er Jahre beeinflussten ihn. Er war überzeugt, dass das Bündnis zwischen der Kirche und den weltlichen Mächten zu Ende gehe und dass die Volkskirche keine Zukunft habe. Die Kirche rief er auf, alle Restaurationsversuche aufzugeben und konsequent Christus auf seinem Weg "nach unten" nachzufolgen.

Jacobs Überlegungen mündeten in konkrete Vorschläge, zum Beispiel zur Laienbeteiligung und zur Gestaltung des Pfarramts. Aber als Generalsuperintendent blieb er in volkskirchliche Strukturen eingebunden. Er war gezwungen, mit Vertretern des Staates Gespräche zu führen und zu verhandeln. Ihnen gegenüber äußerte er Kritik, brachte Anliegen vor und erhob Forderungen, aber er ging auch auf Erwartungen der staatlichen Organe ein und war zur Kooperation bereit. Jacob war eine schillernde Persönlichkeit. In seinem Denken und Verhalten sind Konstanten, aber auch Veränderungen und Spannungen zu erkennen.