11.05.2022

Damit das Obst nicht nach Waschmittel schmeckt: Ingenieure präsentieren neueste Gas- und Geruchssens

Wir umgeben uns täglich mit einer Vielzahl von Kunststoffgegenständen, die Substanzen und Gerüche ausströmen, von denen nicht klar ist, ob sie eventuell schädlich sind – oder die einfach nur unangenehm stinken. Spezialisten der Universität des Saarlandes und der 3S GmbH, einer Ausgründung des Lehrstuhls für Messtechnik, präsentieren auf der Hannover Messe (30. Mai bis 2. Juni) die neueste Generation von Gas- und Geruchssensoren, die diese Zweifel in Zukunft beseitigen können.

Was die Messung von Gerüchen und Gasen mit Nachhaltigkeit zu tun haben soll, erschließt sich auf den ersten Blick nur den wenigsten Menschen. Dennoch gibt es diese Verbindung, und die ist gar nicht so abwegig, wie man meinen sollte. „Inzwischen werden ja zum Beispiel Kunststoffe für viele Anwendungen recycelt. Es gibt Autohersteller, die machen bereits heute Sitze aus wiederaufbereitetem Kunststoff“, sagt Andreas Schütze. Und hier wird es heikel. „Ich habe mal an einem Sack Kunststoffgranulat gerochen, der hat auch nach mehreren Reinigungen immer noch nach Waschmittel gerochen, denn das Granulat ist aus alten Waschmittelflaschen gewonnen worden“, führt der Professor für Messtechnik an der Universität des Saarlandes weiter aus. Dieses Plastik für etwas anderes zu verwenden, ist so gut wie ausgeschlossen. Insbesondere für Lebensmittelverpackungen sind solche Kunststoffe bisher undenkbar. In einen Apfel zu beißen, der nach Waschmittel schmeckt, dürfte wohl den wenigsten Menschen Freude bereiten.
 
Ingenieure wie Andreas Schütze könnten hier in Zukunft ihren Beitrag leisten, um das richtige Plastik für die richtige Wiederverwendung zu finden. Denn Schütze und die 3S GmbH, eine mittelständische Firma, die von ehemaligen Mitarbeitern des Lehrstuhls und Absolventen gegründet wurde, erforschen unter anderem, wie Sensoren zuverlässig Gerüche identifizieren können. Gelingt es Sensoren, zweifelsfrei auch kleinste Geruchsrückstände beim Plastikrecycling aufzuspüren, könnten Kunststoffe viel zielgenauer wiederverwertet werden. Mit denselben Sensortechnologien können auch gesundheitsschädliche Stoffe, egal ob aus der alten Nutzung der Materialien oder entstanden während des Recyclings, erkannt und bewertet werden. Das sind nur zwei Beispiele für die Anwendungsmöglichkeiten von Gas- und Geruchssensoren, die Andreas Schütze und, kommerziell, auch die 3S GmbH in Saarbrücken erforschen. Auf der Hannover Messe Ende Mai stellen sie gemeinsam die Einsatzfelder dieser „digitalen Testpersonen“ vor.
 
Ein großes Zukunftsthema ist etwa die Luftqualität in Innenräumen, was sowohl unangenehme Gerüche als auch die Belastung mit (nicht immer zu riechenden) Schadstoffen betrifft. „Heutzutage verströmen viele Gegenstände, Möbel, Teppiche und nicht zuletzt auch wir Menschen in Innenräumen flüchtige organische Substanzen oder Volatile Organic Compounds, so genannte VOC“, erklärt Andreas Schütze. Aber die genaue Zusammensetzung dieses Gasgemisches kann bisher nicht kontinuierlich mit einheitlichen Methoden gemessen; die Saarbrücker Ingenieure erarbeiten dazu gerade eine Prüfnorm, die dann möglicherweise bei der Zulassung entsprechender Geräte zum Einsatz kommt. Bisher jedoch herrscht Wildwuchs auf dem Markt für Luftqualitäts-Messgeräte. „Wir wissen jedoch, dass diese VOC auch für viele der als unangenehm empfundenen Gerüche in Innenräumen verantwortlich sind. Wir wissen aber häufig nicht, um welche Verbindungen es sich genau handelt oder welche darüber hinaus auch gesundheitsschädlich sind und welche nicht“, erläutert Caroline Schultealbert von der 3S GmbH.
 
Hier könnten Sensorsysteme, die mit Methoden des Maschinellen Lernens sehr zielgenau Gerüche und Schadstoffe identifizieren können, in Industrie, Büro und in Privathaushalten, aber auch in Außenbereichen, etwa im Umfeld von Industrieanlagen sehr viele gute Dienste leisten. „Autohersteller haben zum Beispiel Teams aus bis zu fünf Fachleuten, die neue Modelle auf Gerüche hin prüfen“, erläutert Andreas Schütze. Das sind alles speziell ausgebildete Geruchsexperten. „Aber nach kurzer Zeit riechen die auch nicht mehr so genau. Das liegt an der menschlichen Nase, die nach einer gewissen Gewöhnung Gerüche nicht mehr so gut wahrnimmt.“ Sprich: Wenn’s stinkt, ist es nach einer gewissen Zeit nicht mehr so schlimm. Oder – umgekehrt – das angenehme Parfum riecht nicht mehr so auffallend gut wie in den ersten Minuten. Hier helfen Sensoren, die unermüdlich und ohne die subjektiven Verzerrungen eines menschlichen Gehirns Gerüche wahrnehmen können. „Die menschliche Nase braucht man aber immer noch als Referenz“, erklärt Caroline Schultealbert. Die Menschen sind dann die übergeordnete Instanz, die die Arbeit der Sensoren nochmals genauer in Augenschein nehmen sollen. Die auf objektiven Messungen fußende Arbeit der Sensoren ist also einerseits zuverlässiger als die fehlbare menschliche Nase. „Darüber hinaus ist es auch deutlich günstiger, als zum Beispiel fünf top ausgebildete Riech-Spezialisten zu bezahlen“, gibt Andreas Schütze zu bedenken.
 
Den Sensoren ist es übrigens egal, ob sie gesundheitsbelastende Schadstoffe im Innenraum messen sollen, die geruchsfrei sind, oder unangenehme Gerüche, die allerdings nicht zwangsläufig schädlich sein müssen. „Die Technologie dabei ist immer dieselbe“, erklärt Andreas Schütze. „Die Sensoren werden temperaturzyklisch betrieben und erzeugen so charakteristische Signalmuster.“ Von grundlegender Bedeutung sei viel mehr, die Sensoren richtig zu kalibrieren, so der Experte für Messtechnik weiter. Es gibt Sensoren, die schlagen auf wenige Gase und Verbindungen zuverlässig an, aber die sind nicht sehr feinfühlig, um es nach menschlichen Maßstäben zu bewerten. „Wir haben jedoch eine spezielle Gas-Mischanlage, die 18 unterschiedliche Gase in jeder möglichen Konzentration untereinander mischen kann“, sagt Dennis Arendes, der als Mitarbeiter von Andreas Schütze die Anlage wesentlich mit entwickelt hat. „Auf diese Weise können wir nahezu jedes denkbare Gasgemisch erzeugen, womit wir die Sensoren im Anschluss kalibrieren können.“ Die Kombinationsmöglichkeiten seien nahezu unendlich, was weltweit nur ganz wenige Gasmischer leisten könnten. Herkömmliche so genannte voll-faktorielle Versuche, mit denen automatisch alle denkbaren Mischungsverhältnisse durchgespielt werden, sind hier nicht mehr einsetzbar, da die Kombinationsmöglichkeiten zu viel Zeit erfordern würden. Der Gasmischer erzeugt daher bei der Kalibrierung lediglich einige hundert völlig zufällige Gasgemische, mit denen der Sensor dann mittels Künstlicher Intelligenz lernt, auf welche Stoffe und Gemische er reagieren soll. „Diese Kombination aus komplexer Anlagentechnik, dynamisch betriebenen Sensoren und KI ist es, was unsere Sensorsysteme so einmalig macht“, ordnet Andreas Schütze diese Vorgehensweise ein.

Ein Team des Lehrstuhls von Andreas Schütze sowie der 3S GmbH wird die Möglichkeiten der Luftqualitäts- und Geruchsmessung auf der Hannover Messe vorstellen (Halle 2 am Stand B28).
 
Weitere Informationen erteilen:
Prof. Dr. Andreas Schütze
Tel.: (0681) 3024663
E-Mail: schuetze(at)lmt.uni-saarland.de  
 
Dr. Caroline Schultealbert
3S GmbH
Tel.: (0681) 95828657
E-Mail: caroline.schultealbert(at)3S-ing.de

Fotos zum kostenlosen Gebrauch in Zusammenhang mit dieser Pressemitteilung finden Sie am Ende der Meldung auf der Webseite der Universität des Saarlandes zum Download.

Redaktion:
Thorsten Mohr
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