Kulturökologie und ökologische Kulturen in der Großregion

Publikation

Kürzlich ist das Buch Kulturökologie und ökologische Kultur in der Großregion / Écologie culturelle et cultures écologiques dans la Grande Région unter Herausgeberschaft von Christiane Solte-Gresser und Sébastian Thiltgesbei bei Peter Lang erschienen. Das Buch befasst sich mit der Beziehung zwischen Natur und Kultur, welche anhand des grenzüberschreitenden Raumes der europäischen Großregion (Lothringen, Luxemburg, Rheinland-Pfalz, Saarland, Wallonien) verdeutlicht wird.

Weitere Informationen zum Buch können Sie dem Flyer entnehmen.

 

Transdisziplinäre Tagung

Transdisziplinäre Tagung (Luxemburg – 1.-2. Juni 2017)

Organisation: Jeanne E. Glesener, Christiane Solte-Gresser und Sébastian Thiltges

Derzeit macht sich ein kleines Land daran, Rohstoffe aus dem Weltraum zu erschließen1. Gleichzeitig tritt die Erde ins Anthropozänein, jenes neue geologische Zeitalter, das für Millionen Jahre durch einen menschlichen Fußabdruck gekennzeichnet sein wird, der sich tief in die Sedimentschichten eingegraben hat. Wie lassen sich diese bislang unvorstellbaren neuen räumlichen und zeitlichen Veränderungen erfassen und imaginieren? Wie sollten wir uns von einem derart globalen Wandel persönlich oder kollektiv betroffen fühlen – wo er doch eher die Angelegenheit einer abstrakten Menschheit zu sein scheint?

Ob es sich um die aktuellen (oft mehr ideologisch als wissenschaftlich geführten) Debatten über den anthropogenen Klimawandel handelt, um die wieder erstarkte Natursehnsucht vieler stadtmüder Bürger oder auch die zahlreichen lokalen Umweltinitiativen, die zu einem achtsamen Umgang mit der Natur aufrufen: Stets stehen die Beziehungen zwischen Natur und Kultur im Zentrum der Reflexionen und Aktivitäten. Gerade weil aber die Wissenschaft den Bereich ökologischer Fragen mit ihren Modellen und Prognosen vereinnahmt und die Politik ihn durch Maßnahmen und Regelungen besetzt, scheint es geboten, spezifisch kulturelle Umwelt-Diskurse (wieder) ins Spiel zu bringen. Denn so lässt sich das Thema auf eine vielfältigere Weise angehen.

Solche Ansätze versammeln die EnvironmentalHumanities, die sich mit den sozialen, psychologischen, diskursiven und emotionalen Interaktionen zwischen Menschen/Gesellschaften einerseits und der physischen Umwelt und ihren nicht-menschlichen Agenten andererseits beschäftigen. Dabei stellen sie auch kritisch die Frage, ob eine Trennung von objektiven Fakten, politischen Perspektiven, ästhetischen Dimensionen und Interpretationen überhaupt möglich ist3. Solche produktiven interdisziplinären Forschungsansätze sollen für unsere Tagung nun auf einen ganz bestimmten ökokulturellen Raum, nämlich Luxemburg und die Großregion, bezogen werden. Das ermöglicht es, die komplexen Beziehungen zwischen der lokalen, regionalen und globalen Ebene neu zu fassen; und zwar gerade, indem man auch die Erde, die Pflanzen- und die Tierwelt4 – also die traditionell eher vernachlässigten Bereiche der Geisteswissenschaften – mit in die Überlegungen einbezieht. Zugleich definieren kulturwissenschaftliche Disziplinen Natur- Kultur-Beziehungen als eine dynamische, variable Konstruktion: Sie arbeiten mit ganz unterschiedlichen Diskursen und Repräsentationen der Umwelt, die sie von vereinfachenden und vereinheitlichenden Naturvorstellungen abgrenzen.

Neben technologischen Innovationen und den herrschenden ökologischen Diskursen, die derzeit unser Verhältnis zur Umwelt bestimmen, stellen Kunst und Kultur nicht einfach „Sensoren5" aktueller gesellschaftlicher Gefühlslagen dar. Sie sind auch nicht das bloße Vehikel für „grüne“ Überzeugungen. Sie bieten vielmehr mannigfaltige Reflexions- und Experimentalräume, eröffnen neue Wahrnehmungsweisen und Perspektiven auf die Umwelt und tragen dazu bei, mögliche Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit zu imaginieren.

Auch wenn Umweltfragen im sozialen und politischen Bereich derzeit ausgesprochen intensiv diskutiert werden, so fällt doch auf, dass umfassende, systematische Studien über den Zusammenhang von Kultur und Ökologie in Luxemburg und der Großregion vollständig fehlen. Die geplante Tagung soll diese Lücke schließen, indem sie sich mit den folgenden Forschungsschwerpunkten befasst.

In einer diachronen Perspektive auf Natur-und Umweltkonzepte der Großregion lässt sich etwa fragen, welche wichtigen Ereignisse und Positionen das ökologische Denken bislang maßgeblich geprägt haben. Beispiele wären hier unter anderem die Debatten um die Atom- Reaktoren Cattenom und Remerschen oder die zahlreichen Informationsveranstaltungen über die bevorstehende Ankunft des Wolfes in der Region. Lassen sich Elemente und Phasen einer Kulturgeschichte der Natur in Luxemburg und der Großregion rekonstruieren? Wie verändert sich die Rolle der Landschaft und des Naturerbes im Laufe der Zeit? Stellten diese zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch eine wesentliche Kategorie für die Bildung einer nationalen oder regionalen Identität dar, wäre nun zu fragen, inwiefern sich solche Funktionen angesichts aktueller ökologischer und globaler Entwicklungen wandeln. Wie beeinflusst Ökologie unsere Vorstellungen von Modernität, Stadtplanung, Kulturentwicklung oder Landschaftsgestaltung?

Die Umweltproblematik bildet eine besondere Herausforderung für ganz unterschiedliche Disziplinen; insofern nämlich, als sie dazu zwingt, die komplexen Wechselbeziehungen zwischen Mensch und Natur neu zu denken. Dies betrifft Bereiche wie (Kultur-)Geographie, Politikwissenschaft, Regionalplanung, Soziologie, Sprachökologie, Bildung, museale Naturvermittlung, usw. Wie wirken sich jüngste umweltrelevante Aktivitäten, etwa die Gründung von Transition-Initiativen, soziokulturell aus? Inwiefern sind solche Bewegungen durch narrative Modelle und ikonografische Muster beeinflusst? Welche Haltung nehmen naturgeschichtliche Museen oder andere Einrichtungen (wie Forstämter, Naturstiftungen, Nationalparks) gegenüber Umweltfragen ein? Welche Rolle spielt die Natur in Bildungs- oder weiteren Kontexten und Disziplinen wie in der Psychologie und Philosophie?

Diese transdisziplinäre Perspektive soll ergänzt werden durch den intermedialen Vergleich verschiedener Formen künstlerischen und literarischen Schaffens. Interessante Forschungsfelder wären etwa Fotografie, Malerei, Kino, Musik, Landschaftsinstallationen, Roman, Lyrik, Drama oder Essay. Aber auch journalistische Schriften, touristische Präsentationen, Werbemaßnahmen oder politische Reden stellen vielversprechende Untersuchungsgegenstände dar. Wie wird Umwelt erzählt, gestaltet und repräsentiert? Welche neuen narrativen und ästhetischen Formen bringt die Ökologie hervor? Wie können Künstler oder Autoren Umweltbelange und ökologische Fragen ästhetisch überzeugend vermitteln? Da im Bereich der Ökologie zahlreiche widersprüchliche Informationen, Positionen und Ansätze kollidieren, können sprachliche oder bildliche Darstellungen des Verhältnisses zwischen Natur und Kultur, zwischen Mensch und Umwelt, einen wichtigen Beitrag zu aktuellen ökologischen Debatten leisten, indem sie etwa Leerstellen aufdecken, Ambivalenzen vor Augen führen oder neue Möglichkeitsräume eröffnen.

Was Literatur und Kunst im engeren Sinne betrifft, so geht es unter anderem darum, die in den jeweiligen Werken vorherrschenden Themen und deren Darstellungsformen zu erfassen, um zu verstehen, ob und wie Künstler und Autoren explizit oder implizit neue umweltspezifische Sujets verarbeiten. Solche Analysen können sich mit zeitgenössischen „Ökofiktionen7“ beschäftigen, aber auch mit Werken, in denen die Umweltproblematik nicht direkt zur Sprache kommt, sondern die beispielsweise Gegenstände, Bilder und Erzählmuster enthalten, welche eher indirekt auf eine besondere (proto-)ökologische Sensibilität schließen lassen. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob jüngste Veröffentlichungen zu diesem Thema ausschließlich dem „Öko-Mainstreaming8“ angehören oder ob sie darüber hinaus zu einer kritischen Reflexion über Ökologie anregen.

Erwünscht sind sowohl Vorträge zur Grundlagenforschung als auch Anwendungsbeispiele und Fallstudien. Ebenfalls willkommen sind Projektvorstellungen und literarische oder künstlerische Beiträge wie Lesungen, Ausstellungen, Vor-Ort-Begehungen, usw. Darüber hinaus ist eine Podiumsdiskussion mit verschiedenen kulturellen und umweltpolitischen Akteuren vorgesehen. Themenvorschläge in deutscher, englischer oder französischer Sprache werden bis zum 1. Januar 2017 an sebastian.thiltges(at)uni-saarland.de erbeten. Die Auswahl erfolgt durch einen internationalen wissenschaftlichen Beirat.

Die Tagung findet statt im Rahmen des von Sébastian Thiltges realisierten Postdoktoranden- Projektes „Écrire l’écologie au Grand-Duché: émergence et pluralité d’un discours environnementaliste dans le roman luxembourgeois du XXe siècle à nos jours (ECOLITLUX)“, das am Lehrstuhl für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität des Saarlandes angesiedelt ist und vom Fonds National de la Recherche Luxemburg finanziert wird.

 

Kontakt

Christiane Solte-Gresser - Universität des Saarlandes

Gebäude A2 2, Raum 0.09

66123 Saarbrücken

Écologie culturelle et cultures écologiques dans la Grande Région (Appel à communication)

Colloque transdisciplinaire (Luxembourg – 1-2 juin 2017) organisé par Jeanne E. Glesener, Christiane Solte-Gresser et Sébastian Thiltges

 

À l’heure où un petit pays se lance dans l’exploitation post-terrestre de ressources minières spatiales1 , la Terre connaît l’aube de l’Anthropocène2 , cette nouvelle ère géologique définie par l’empreinte humaine gravée pour des millions d’années durant dans les couches de sédiments. Comment rendre perceptibles et imaginables ces nouvelles dimensions spatiales et temporelles engendrées par des transformations autrement incommensurables ? Comment se sentir concerné, à titre individuel et collectif, par ces bouleversements globaux qui ne semblent être que l’affaire d’une humanité abstraite ?

Les débats actuels sur l’origine anthropique du changement climatique (souvent davantage idéologiques que scientifiques), la résurgence d’un sentiment de la nature de la part de citadins surmenés, ou encore le développement d’initiatives locales prônant le respect de l’environnement, (re)mettent le rapport entre nature et culture au cœur des réflexions et des actions. Alors que la science, ses modèles et prévisions, ainsi que la sphère politique, ses mesures et engagements, semblent accaparer la question écologique, il est urgent d’appréhender la pluralité des discours culturels face à ces enjeux.

Repensant la séparation des dimensions factuelle, politique et esthétique3 , les humanités environnementales étudient les multiples interactions (sociales, psychologiques, discursives, affectives, etc.) de l’être humain et de la société avec l’environnement physique et les actants non- humains. Concentrer ces recherches sur un espace écoculturel précis, en l’occurrence le Luxembourg et la Grande Région, permet d’articuler différemment le lien entre le local, le régional et le global, notamment à travers le postulat éthique incluant la terre, les mondes animaux et végétaux4 , habituels oubliés des sciences humaines et sociales. À l’inverse, ces dernières définissent la culture comme un ensemble dynamique et complexe, construisant différents discours et représentations des milieux, contrecarrant ainsi le mythe d’une nature unifiée et séparée de la diversité humaine.

Parallèlement aux discours ambiants et aux innovations technologiques qui déterminent notre rapport à l’environnement, les productions culturelles ne sont-elles que des « senseurs5 » des préoccupations dans l’ère du temps ou des véhicules du fameux message écolo ? Ne constituent- elles pas des espaces d’expérimentation, témoignant ainsi de « la nécessité d’une nouvelle esthétique, au sens d’un renouvellement de nos modes de perception, de notre sensibilité, pour pouvoir répondre à ce qui est en train de nous arriver »  ?

Malgré l’évolution rapide des préoccupations environnementales dans la sphère sociale et politique, aucune étude approfondie des rapports entre écologie et culture au Luxembourg et dans la Grande Région n’a été menée à ce jour. Le colloque pourra dès lors s’articuler autour de plusieurs axes.

Quels ont été, dans une perspective diachronique, les grands événements et débats qui ont alimenté la pensée écologique, à l’instar des réactions aux centrales nucléaires de Remerschen et de Cattenom ou, plus récemment, des séances d’informations préparant l’arrivée imminente du loup ? Quels seraient des éléments d’une histoire culturelle de la nature au Luxembourg et dans la Grande Région ? Le rôle imparti aux paysages et au patrimoine naturel, catégories essentielles dans le développement d’une identité nationale ou régionale au début du XXe siècle, change-t-il en fonction de la nouvelle donne environnementale et globale ? L’écologie oblige-t-elle à penser différemment le discours sur la modernité, interrogation qui pourra par exemple inclure le développement culturel, l’urbanisme et l’architecture ?

Thème inédit, l’écologie questionne la manière dont les différents champs disciplinaires conçoivent les interrelations entre l’humain et l’environnement : géographie, science politique, aménagement du territoire, sociologie, écologie linguistique, pédagogie, médiation muséale de la nature, etc. Quel est l’impact socioculturel de phénomènes récents tels que les mouvements Transition (et autres) et comment recourent-ils à des formes narratives et imaginaires ? Quelle posture adoptent les musées d’histoire naturelle ou autres institutions (Administration de la nature et des forêts, etc.) face aux enjeux environnementaux ? Quel est le rôle attribué à la nature dans l’enseignement, voire dans d’autres contextes tels que la psychologie et la philosophie ?

À cette perspective transdisciplinaire s’ajoute la comparaison intermédialedes différentes formes d’expression artistique (photographie, peinture, cinéma, musique, installations plastiques et paysagères, etc.) et textuelle (roman, poésie, théâtre, essai, mais aussi écriture journalistique, description touristique et discours politique). Comment l’écologie est-elle racontée et représentée ? À quelles nouvelles formes narratives et esthétiques l’écologie donne-t-elle naissance ? Comment certains artistes et/ou écrivains transmettent-ils leur éventuel engagement ou leurs préoccupations à travers leurs créations ? Eu égard à la collision d’informations contradictoires concernant l’écologie et ses rapports avec la société, l’étude des représentations des rapports entre nature et culture permet aussi de déceler l’impensé de certains discours sur l’environnement.

Concernant plus précisément la littérature et les arts, le relevé de thèmes récurrents et spécifiques permettra d’étudier comment les créateurs incluent explicitement ou implicitement les nouvelles thématiques environnementales. L’analyse pourra porter sur des « écofictions7 » et sur des œuvres qui n’abordent pas la question environnementale directement, mais contiennent des thèmes et des schémas narratifs portant la marque d’une sensibilité (proto)écologique. Les publications récentes abordant le sujet relèvent-elles exclusivement de « l’éco-mainstreaming8 » ou les créateurs s’inscrivent-ils dans une réflexion critique sur l’écologie ?

Les communications proposées pourront porter sur des recherches d’ordre fondamental ou appliqué. Seront également encouragés des témoignages de projets et des performances littéraires et artistiques (lectures, expositions, visites de site, etc.). L’organisation d’une table ronde faisant dialoguer différents acteurs des sphères culturelle et écologique est envisagée. Les propositions de communications – en français, en allemand ou en anglais – sont à envoyer à sebastian.thiltges(at)uni-saarland.deavant le 1er janvier 2017. Elles seront examinées par un comité de lecture international.

Ce colloque est organisé dans le cadre du projet postdoctoral de Sébastian Thiltges « Écrire l’écologie au Grand-Duché : émergence et pluralité d’un discours environnementaliste dans le roman luxembourgeois du XXe siècle à nos jours (ECOLITLUX) », mené à l’institut de littérature générale et comparée à l’Université de la Sarre avec le soutien du Fonds National de la Recherche Luxembourg.

 

Contact

Christiane Solte-Gresser - Universität des Saarlandes

Gebäude A2 2, Raum 0.09

66123 Saarbrücken

Anmerkungen zum Call for Papers "Kulturökologie und ökologische Kulturen in der Großregion"

1 SCHNEIDER D., „D’Erausfuerderunge vum SpaceMining“, 21. Juni 2016, https://www.100komma7.lu/article/aktualiteit/d-erausfuerderunge-vum-space-mining.

2 CARRINGTON D., „The Anthropocene Epoch : Scientists Declare Dawn of Human-influenced Age“, TheGuardian, 29. August 2016, https://www.theguardian.com/environment/2016/aug/29/declare-anthropocene-epoch-expertsurge-geological-congress-human-impact-earth.

3 ZAPF H., Literature as Cultural Ecology. Sustainable Texts, Bloomsbury, 2016, S. 49.

, Vgl. HEISE U. K., Sense of Place and Sense of Planet. The Environmental Imagination and the Global, Oxford University Press, 2008. 

5 BECKER J., „L’écologie prospective de la robotique“, CHARBONNIER P., KREPLAK Y. (éds), Écologiques. Enquêtes sur les milieux humains, Tracés, n° 22, 2012, S. 128.

6 HACHE É., „Introduction : Retour sur Terre“, De l’univers clos au monde infini, Éditions Dehors, 2014, S. 13.

7 CHELEBOURG C., Les Écofictions. Mythologies de la fin du monde, Les Impressions nouvelles, 2012.

8 WANNING B., STEMMANN A., „Ökologie in der Kinder- und Jugendliteratur“, DÜRBECK G., STOBBE U. (éds), Ecocriticism. Eine Einführung, Böhlau Verlag, 2015, S. 266.