Entrainment im Livekonzert

Maren Hochgesand (Technische Universität Dortmund, Institut für Musik und Musikwissenschaft)

Der Impuls, Körperbewegungen zu Musik zu synchronisieren und dabei Freude zu empfinden, kann bereits bei Säuglingen beobachtet werden. Die Synchronisation von Bewegungen zu einem externen auditorischen Stimulus wird als musikalisches Entrainment bezeichnet. Bewegungssynchronisation zwischen Individuen kann sich positiv auf die Stimmung, soziale Bindung und prosoziales Verhalten auswirken. Effekte von Musik auf prosoziales Verhalten konnten bisher im Kontext des gemeinsamen Musizierens und des Hörens von Musik mit prosozialen Texten beobachtet werden. Ob durch das gemeinsame Erleben eines Livekonzerts ähnliche Zusammenhänge zwischen Bewegungsentrainment, sozialem Erleben und prosozialem Verhalten feststellbar sind, wurde bisher noch nicht in ökologisch validen Konzert-Settings überprüft.
Während eines Rockkonzerts wurden bei 42 Personen (57.1 % weiblich, durchschnittlich 25.61 Jahre alt) Bewegungsdaten an Torso und Arm aufgezeichnet. Nach dem Konzert wurde die Stimmung, das Konzerterleben und das soziale Erleben durch Fragebogen erhoben und prosoziales Verhalten mittels Spendenverhalten gemessen.
Wir konnten signifikantes Bewegungsentrainment zur Musik beobachten und der von den Konzertbesuchenden selbst angegebene Wunsch, sich während des Konzerts zur Musik zu bewegen, stand in einem positiven Zusammenhang mit dem gemessenen Bewegungsentrainment. Die Ergebnisse zeigen auch positive Korrelationen zwischen Bewegungsentrainment und der Gesamtbewertung des Konzerts sowie Valenz und positiver Aktivierung. Da keine signifikanten Korrelationen zwischen Bewegungsentrainment und den Dimensionen des sozialen Erlebens eines Konzerts sowie prosozialem Verhalten festgestellt werden konnten (16.67 % der Konzertbesuchenden spendeten), scheinen diese Prozesse diesem Ergebnis nach voneinander entkoppelt zu sein. Damit konnten wir die Befunde früherer Studien nicht bestätigen. Bewegungsentrainment ist gemäß dieser Studie eher als Indikator für Gefallen eines Konzerts zu bewerten. Es könnten allerdings weitere Faktoren existieren, die zwischen Bewegungsentrainment und sozialem Erleben beziehungsweise prosozialem Verhalten vermitteln.
Weitere Ergebnisse und Implikationen auch auf Grundlage zusätzlicher Daten, die während zweier Big Band-Konzerte gesammelt wurden, werden im Rahmen des Vortrags vorgestellt und diskutiert.

 

Maren Hochgesand studierte von 2013–2021 Musikwissenschaft und Theaterwissenschaft an der HfM Karlsruhe sowie den Universitäten in Mainz, Glasgow, Bremen und Oslo und ist seit 2022 wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Systematischen Musikwissenschaft am Institut für Musik und Musikwissenschaft der Technischen Universität Dortmund. Praktische Erfahrungen sammelte sie u. a. an Theatern, im Verlag Breitkopf & Härtel und in der redaktionellen Mitarbeit am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit der empirischen Erforschung von Livekonzerten in unterschiedlichen Settings. Ihr besonderes Interesse liegt dabei auf dem Konzerterleben, Entrainment und den Wirkungen auf die soziale Beziehung innerhalb des Publikums.

Hauke Egermann absolvierte ein Studium der Systematischen Musikwissenschaft, Medienwissenschaft und Kommunikationsforschung (MA 2006, Hochschule für Musik und Theater Hannover). Anschließend studierte er Neurowissenschaften (PhD in Musikpsychologie/Neurowissenschaften 2009, Zentrum für Systemische Neurowissenschaften Hannover). Er war Postdoctoral Research Fellow am Centre for Interdisciplinary Research in Music Media and Technology (2009-2011, McGill University, Montreal, Kanada). Von 2011 bis 2015 lehrte und forschte er an der Audio Communication Group (Technische Universität Berlin). Im Jahr 2015 war er Visiting Research Fellow am Center for Digital Music, Queen Mary, University of London. 2016 wurde er im Fach Musikwissenschaft an der Technischen Universität Berlin habilitiert. Seit 2016 war er zunächst Assistant Professor (Lecturer), dann Associate Professor (Senior Lecturer) am Department of Music, University of York, UK. Hier gründete und leitete er die York Music Psychology Group. Seit 2021 hat Hauke Egermann eine Universitätsprofessur für Systematische Musikwissenschaft am Institut für Musik und Musikwissenschaft der Technischen Universität Dortmund inne.