Über Musik und ihre Daten

Prof. Dr. Christoph Seibert (Institut für Musikinformatik und Musikwissenschaft, Hochschule für Musik Kalrsruhe)

Das Verhältnis von Musik und Informatik und die Praxis der Musikinformatik sind auch bestimmt über das Verhältnis von Musik und Daten. Daten, die mit Bezug auf Musikpraktiken erfasst und verarbeitet werden können umfassen zum Beispiel Audiodaten, symbolische Daten, Interaktionsdaten und physiologische Daten. Eine Vielzahl von Musikpraktiken lässt sich auf ein Input-Output-Modell übertragen in dem diese verschiedenen Arten von Daten mithilfe von spezifischen Algorithmen verarbeitet werden, beispielsweise im Zuge von Prozessen der Analyse, Synthese oder Transformation. Hiervon ausgehend lässt sich fragen, in welchem Verhältnis diese Daten und Algorithmen zu den Musikpraktiken und musikalischen Phänomenen stehen, die sie adressieren. Dies soll exemplarisch anhand verschiedener Praxisfelder geschehen: Klangsynthese, d.h. die Generierung von Audiodaten mithilfe von Non-Standard-Verfahren im Vergleich zu Verfahren die auf dem Unit-Generator-Konzept beruhen; die Generierung von symbolischen Daten mithilfe verschiedener generativer KI-Modelle; die Analyse von Audiomaterial mithilfe verschiedener Methoden der Audio-Feature-Extraction. Im Rahmen einer solchen Betrachtung kann beispielsweise diskutiert werden, von welchen Faktoren die Reichweite computergestützter Analyseergebnisse abhängig ist oder inwieweit musikinformatischen Praktiken ein essentialistischer Musikbegriff innewohnt. Ein systematisches und tieferes Verständnis für das Verhältnis von Musik und Daten kann letztlich auch der Vermittlung zwischen Musikwissenschaft und Informatik dienen und die Möglichkeiten gemeinsamen Forschens verbessern.

 

Christoph Seibert ist Professor für Musikinformatik und Leiter des IMWI - Institut für Musikinformatik und Musikwissenschaft an der Hochschule für Musik Karlsruhe. Er war PostDoc am Max-Planck-Institut für Empirische Ästhetik in Frankfurt am Main. Nach Studien der Musikwissenschaft und der Ton- und Bildtechnik wurde er 2014 mit einer Arbeit über Musik und Affektivität an der Hochschule für Musik Karlsruhe promoviert. Im Sinne einer transdisziplinären Musikforschung verbindet er philosophische, empirische und musiktechnologische Perspektiven und Methoden. Derzeitige Arbeitsschwerpunkte sind situierte Ästhetik, Konzertforschung, Musik und KI und die Interaktion zwischen Technologie und musikalischer Praxis.