Nationalsozialismus, Kriege und Besatzungen, Erinnerungskultur
Forschungsprojekte

Buchprojekt
Öffentliche Debatten über Terrorismus. Die anarchistischen Attentate in Westeuropa im goldenen Zeitalter der Presse (1878-1906)
An den Universitäten Kassel und Saarbrücken startet ein gemeinsames Projekt zur Entwicklung eines Informations- und Erinnerungskonzepts zur Geschichte der ehemaligen Deutschen Kolonialschule (DKS) in Witzenhausen. Das Vorhaben, das bis Dezember 2026 läuft, untersucht das koloniale Erbe Witzenhausens, das zwischen 1898 und 1944 von der Deutschen Kolonialschule für Landwirtschaft, Handel und Gewerbe (DKS) geprägt wurde und betrachtet darüber hinaus die Entwicklung ihrer Nachfolgeinstitutionen. Gefördert wird das Projekt auf Beschluss des Bundestages von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM). Ziel ist es, in Witzenhausen einen Erinnerungsort zu entwickeln, der vor dem Hintergrund aktueller Fragen und Debatten historisches Wissen vermittelt und Raum für kritische Reflektionen und Austausch bietet.
Im Rahmen des Projekts sollen Informationsangebote für verschiedene Zielgruppen erarbeitet werden. Der Leitgedanke dabei ist es, auf Grundlage ausgewählter historischer Quellen Wissen über die deutsche Kolonialgeschichte und ihre Folgen zu vermitteln. Dabei soll ein kritisches Bewusstsein für historisch gewachsene Ungleichheiten zwischen dem Globalen Süden und dem Globalen Norden gefördert werden. Ein besonderer Fokus liegt auf der global-vernetzten Landwirtschaft. Zusätzlich bietet der Standort das Potenzial, die Verflechtungen deutscher Kolonialgeschichte mit Antisemitismus und Nationalsozialismus komplex zu reflektieren – ein Thema, das angesichts aktueller antidemokratischer und autoritärer politischer Tendenzen von hoher gesellschaftlicher Relevanz ist.
Die Idee entstand aus einer studentischen Initiative im Jahr 2017, die sich in einem agrarhistorischen Seminar mit der Geschichte des heutigen Fachbereichs „Ökologische Agrarwissenschaften“ (FB 11) der Universität Kassel befasste. Teile des Campus befinden sich auf dem Gelände und in den Gebäuden der ehemaligen DKS. Deren Nachfolgeinstitution, das Deutsche Institut für tropische und subtropische Landwirtschaft (DITSL), verwaltet seit 1957 die Liegenschaften. Das Projekt knüpft auch an die Veranstaltungsreihe „Witzenhausen und der Kolonialismus“ an, die zuletzt die Wiedereinweihung des Mahnsteins im Klosterinnenhof am 9. November 2024 initiierte.
Neben der historisch-wissenschaftlichen Aufarbeitung wird das Projekt als partizipatives Vorhaben gestaltet. Lokale Akteur:innen, Künstler:innen und die Zivilgesellschaft werden aktiv eingebunden, um eine kritische und multiperspektivische Auseinandersetzung zu fördern. Dabei wird der Prozess als Angebot zum Dialog verstanden, bei dem Impulse, Anregungen und Kritik aus der Gesellschaft aufgenommen und integriert werden können.
Kontakt:
Dr. Birgit Metzger, birgit.metzger(at)uni-kassel.de, birgit.metzger(at)uni-saarland.de, Johnny Ibraimo

Buchprojekt
Öffentliche Debatten über Terrorismus. Die anarchistischen Attentate in Westeuropa im goldenen Zeitalter der Presse (1878-1906)
Das Buchprojekt analysiert in vergleichender und transnationaler Perspektive den politischen und gesellschaftlichen Umgang mit den anarchistischen Attentaten in Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien, die in den Sozialwissenschaften als Prototyp des “modernen” Terrorismus gelten. Es nimmt mit einem kultur- und mediengeschichtlichen Ansatz in den Blick, wie in öffentlichen Debatten die Grenzen legitimer Politik verhandelt und durch Prozesse der Inklusion und Exklusion verschoben sind. Zudem liegt der Fokus auf der Frage, inwieweit diese Debatten transnational und europäisch geprägt sind.
Mitwirkende: Prof. Dr. Fabian Lemmes

Dissertationsprojekt: Beziehungen zum Feind? Zur Rolle der Wehrmachtseelsorger im deutsch besetzten Europa 1939–1945
Betreuung: Prof. Dr. Fabian Lemmes | Prof. Dr. Hélène Miard-Delacroix
Kontakt:
Julika Badsteiber-Waldt, M.A.
Das Dissertationsprojekt untersucht anhand der bislang wenig erforschten Gruppe der christlichen Wehrmachtseelsorger Chancen, Grenzen und Effekte von Interaktionen in Besatzungszusammenhängen im Sinne einer Histoire Croisée. Die hunderten evangelischen und katholischen Pfarrer, die zusammen mit dem Militär zwischen 1939 und 1945 in großen Teilen des deutsch besetzten Europas auftraten, eröffnen ein transnationales Forschungsfeld an der Schnittstelle von Militär- und Alltagsgeschichte. Durch ihre Sonderstellung zwischen NS-Staat und Kirche verfügten sie über ungewöhnliche Handlungsspielräume in den hierarchischen Systemen, hatten aber auch widersprüchliche Anforderungen zu meistern. Ihre komplexe Rolle in asymmetrischen Machtverhältnissen wird im Projekt in einem vergleichenden Ansatz beleuchtet, wobei Interaktionen mit der Bevölkerung, Transfers und Verflechtungen im Vordergrund stehen.

Dissertationsprojekt: Volksdeutsche, Westfalczycy, Français·es naturalisé·e·s? Die polnischstämmige Minderheit in Nordfrankreich im Kontext von Migration, Besatzung und Kollaboration, 1938–1948
Betreuung: Prof. Dr. Fabian Lemmes
Kontakt:
Martin Christoph Kloza, M.A.
Das Projekt untersucht die Rolle der polnischen Minderheit im Norden Frankreichs während der deutschen Besatzung und der sie flankierenden Migrationsbewegungen. Dabei interessieren vor allem jene Akteur:innen, die für die Besatzungsmacht arbeiteten, sich zur Waffen SS meldeten oder in die Volkdeutsche Kulturgemeinschaft Nordfrankreich (VDK) einschrieben.

Dissertationsprojekt: Kriegsgefangene. Erfindung und Entwicklung eines Kriegsstatus im Zeitalter des Massenheeres in Deutschland und Frankreich, 1792–1914.
Betreuung: Prof. Dr. Fabian Lemmes
Kontakt:
Jérémy Gaudais, M.A.
Zwischen 1792 und 1914 änderte sich der militärische und rechtliche Status von Kriegsgefangenen in abendländischen Gesellschaften radikal. Die Aufklärung und die Revolution führten dazu, dass Frankreich 1792 erstmals Kriegsgefangene gesetzlich schützte. Später folgten weitere Staaten mit Regelungen. Internationale Konferenzen im 19. Jahrhundert kodifizierten und humanisierten das Kriegsrecht. Diese Dissertation untersucht die Entwicklung des Kriegsgefangenenrechts in Frankreich und Deutschland und deren Einfluss auf die Genfer Konvention von 1949.
Abgeschlossene Projekte
Binationales Forschungsprojekt (DFG/ANR): Evakuierungen im deutsch-französischen Grenzraum
Les évacuations dans l’espace frontalier franco-allemand 1939-1945
Laufzeit: 2012 bis 2018 | Mehr Informationen finden Sie hier.
Projektleitung: Prof. Dr. Olivier Forcade | Prof. Dr. Johannes Großmann | Prof. Dr. Dr. h.c. Rainer Hudemann | Prof. Dr. Fabian Lemmes
Publikationen (Auswahl)
Julika Badstieber-Waldt, Besatzung transnational? Überlegungen zu Grenzen und Chancen transnationaler Okkupationsforschung am Beispiel der deutschen besatzung in Frankreich im Zweiten Weltkrieg", in: Bernier-Monod, Agathe u.a. (Hrsg.): L'Allemagne et au-delà. Questionner les dynamiques nationales et transnationales, Stuttgart 2024.
Julika Badstieber-Waldt, Zwischen Wehrmachtgemeinde und Gefängniszelle: Der Wehrmachtpfarrer Otto Gramann im besetzten Belgien/Nordfrankreich 1940 bis 1944, Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 71, (4) 2023, S. 707-747.
Martin Kloza, '…Volksdeutsche (ou peut-être simplement des Polonais pro allemands).' Die Volksdeutsche Kulturgemeinschaft Nordfrankreich als Instrument der NS-Germanisierungspolitik, Trajectoires 14 (2021).
Fabian Lemmes, Arbeiten für das Reich. Die Organisation Todt in Frankreich und Italien 1940–1945, Florenz, 2009, online verfügbar hier.
Fabian Lemmes, Zwangsarbeit in Saarbrücken. Stadtverwaltung, lokale Wirtschaft und der Einsatz ausländischer Zivilarbeiter und Kriegsgefangener 1940–1945, St. Ingbert 2004.
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Medienbeiträge des Lehrstuhls
|SR kultur: "Mögliche Lehrplanänderung: Saarländische Schüler sollen Gedenkstätte oder KZ besuchen"|
Prof. Dr. Fabian Lemmes sprach am 04.12.2024 als Interviewpartner in der Radiosendung SR kultur mit Sonja Marx über die mögliche Lehrplanänderung zum vorgeschriebenen Besuch von Gedenkstätten für saarländische Schüler:innen.
"Nie wieder ist jetzt" - das ist ein Slogan, der in der letzten Zeit wieder sehr aktuell ist. Doch wie kann man dafür sorgen, dass sich auch die heutigen Schülerinnen und Schüler der Verbrechen des Nationalsozialismus bewusst werden? Eine Maßnahme wird in Zukunft in den saarländischen Lehrplänen stehen: die Schüler und Schülerinnen sollen zumindest einmal in ihrer Schullaufbahn eine Gedenkstätte oder ein KZ besuchen. Dazu im Interview Prof. Fabian Lemmes. Er ist Mitglied der Landesarbeitsgemeinschaft Erinnerungsarbeit im Saarland.
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|Tagung "Erinnern und Gedenken über Grenzen hinweg"|
Am 10. Oktober 2024 organisierte der rheinland-pfälzische Landtag in Trier die Fachtagung "Erinnern und Gedenken über Grenzen hinweg". Auf der Tagung fand eine Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus in der Großregion statt. Professor Fabian Lemmes hat dort einen Vortrag zur saarländischen Geschichte im Nationalsozialismus gehalten. Aber auch die Geschichte der sechs anderen Gebiete der Großregion aus den Ländern Deutschland, Frankreich, Luxemburg und Belgien und ihre Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus wurden in Tagungsbeiträgen näher beleuchtet.
|SR 3: "Jeder Stein sind zwei Soldaten"|
Prof. Dr. Fabian Lemmes als Interviewpartner in der Radiosendung des SR 3 “Land & Leute: Jeder Stein sind zwei Soldaten” von Kerstin Gallmeyer und Uwe Jäger am 19. November 2023.
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