7. Deutsch-französische Strafrechtstagung
»Atypische Figuren« des Strafrechts – zwischen Topos, Mythos und Praxis – Randerscheinungen des Strafrechts?
Seit 2007 finden regelmäßig Treffen von französischen und deutschen Strafrechtlern aus Universität und Praxis statt, die der vertieften Kenntnis des jeweils anderen Rechts und seiner aktuellen Entwicklung, sowie dem Vergleich dieser beiden ebenso eng verwandten wie eigenständigen Rechtsordnungen dienen. Die erste Tagung dieser Art fand damals an der Universität Metz statt und so kommt diese Veranstaltung nach einer längeren Unterbrechung zurück zur Université de Lorraine in Partnerschaft mit den Universitäten des Saarlandes und Strasbourg, auch mit dem Anliegen insbesondere junge Nachwuchswissenschaftler- und -wissenschaftlerinnen zu involvieren.
Die für diese 7. Tagung ausgesuchte Thematik ist die der Kohärenz des Strafrechts angesichts neuer Täter- und Opferfiguren. Wie sind solche Konstrukte mit den Grundprinzipien des klassischen Strafrechts (Gesetzlichkeitsprinzip, Schuldprinzip) zu vereinbaren? Es sollen hier reale oder vermeintliche »atypische« alte oder neue Täter- oder Opferfiguren und ihre Umrisse und Konsistenz untersucht und hinterfragt werden: Ist die Wahrnehmung dieser Figuren durch Gesellschaft und Gesetzgeber nicht durch kulturelle Filter verzerrt? Gibt es solche Straftaten wie den »Ökozid« oder den »Feminizid« aus einer reinen juristischen Perspektive wirklich? Wie haben sich Figuren kollektiver Täter (wie Unternehmen oder andere juristische Personen) oder kollektiver Opfer (wie die Europäische Union oder Umwelt, Ökosysteme bzw. Klima) entwickelt? Gibt es die Figur des »virtuellen Täters« wie die künstliche Intelligenz schon? So stellt sich auch die Frage der Rechtsgüter, die solche Figuren unterlegen sollen.
Die typische Figur des Täters im Strafrecht war ursprünglich die eines gewalttätigen Mannes. Diese hat die Tatbestände in ihrer anfänglichen Form stark geprägt. Obwohl sich das Strafrecht im StGB und in besonderen Gesetzen mit den Tatbeständen des materiellen Rechts mit neuen Formen der Kriminalität auseinandergesetzt und immer wieder angepasst hat (dies gilt auch für das formelle Recht mit neuen Verfahrensformen) – dies mit mehr oder weniger großem Erfolg – stellt sich letztlich dennoch die Frage: Sprengen diese neuen Figuren nicht den Rahmen des klassischen Strafrechts trotz seiner erprobten Plastizität?
Die Tagung wird voraussichtlich am 28. und 29. September 2023 stattfinden. Gefördert wird sie von der Deutsch-Französischen Hochschule und organisiert von Dr. Julien Walther, Maître de conférences HDR [Université de Lorraine, IFG], Prof. Dr. Jocelyne Leblois-Happe [Université de Strasbourg, CDPF] und Prof. Dr. Dominik Brodowski, LL.M. (UPenn) [UdS].