Forschung

Forschung - PD Dr. Ulrike Stölting

Forschungsprojekte im Einzelnen:

1. „Gnostischer Grundmythos und die vielfältigen Varianten“

Seit der Erschließung vorher unbekannten Quellenmaterials hat sich in der Gnosisforschung ein Konsens gebildet, die unterschiedlichen Richtungen als Varianten eines Grundmythos aufzufassen. In diesem Sinn wird die Gnosis als „Weltreligion“ bezeichnet, trotz der disparaten Mythensysteme, Motive und Inhalte, die die einzelnen Bewegungen – „parasitär“ (N. Brox) – aus ihrem jeweiligen religiösen Umfeld bezogen. Als Basis und Lösungspotential dieses Grundmythos wird ein (synkretistischer orientalischer) Hellenismus betrachtet. Dies trifft sicher für einen Großteil der bekannteren gnostischen Strömungen zu. Eine Reihe aber von Richtungen, die im syrisch-persischen Raum entstanden sind und sich auch nur dort verbreitet haben, scheint dieser Interpretation in vielen Details zu widersprechen. Untersucht werden soll – soweit dies die schwierige Quellenlage zulässt –, ob die oben genannte These sich auch hier verifizieren lässt oder evt. gänzlich andere Motivstränge eine Rolle spielen.

2. „Frauenmystik und die Rolle der Frau in Christentum und Islam“

Dieses Projekt verbindet die Ergebnisse meiner Habilschrift „Christliche Frauenmystik im Mittelalter. Historisch-theologische Analyse, Mainz 2005“ und eine frühere Untersuchung, veröffentlicht unter dem Titel „Mystik bzw. Sufik im Islam, in: Karl-Heinz Ohlig, Weltreligion Islam. Eine Einführung, Mainz 2000, S. 303 - 358“, und führt sie fort. Das im Islam seltene Phänomen einer Frauenmystik – zudem mit schwieriger Quellenlage – soll mit der reichhaltigen christlichen Frauenmystik im Mittelalter in Strukturen, Motiven und Eigenarten verglichen werden. Darüber hinaus soll in beiden Traditionen die Analyse ausgeweitet werden auf Frauen, deren Mystik nur (noch?) in Berichten männlicher Theologen/Mystiker überliefert ist. In beiden Traditionen soll die Frage nach den spezifischen Geschlechterrollen, innerhalb deren Raster die jeweiligen Frauen lebten und agierten, untersucht werden.

3. „Religion und Macht“

Religion hat von Anfang der Geschichte an politische und gesellschaftliche Macht begründet und legitimiert und war auch selbst ein Machtfaktor. Auch in differenzierteren Kulturen mit der Entstehung spezifischer Strukturen religiöser und gesellschaftlicher Art blieben beide Bereiche eng verbunden oder gar eine Einheit. Eine bewusste gedankliche und zunehmend faktische Unterscheidung zwischen ihnen kann als Resultat der besonderen Bedingungen und als spezifische Leistung in der europäischen Kulturtradition (z.B. Kaiser und Papst, Investiturstreit usw.) angesehen werden, woraus sich konfliktreiche Spannungen ergaben. Gegenstand des Projekts ist eine Erfassung und Analyse der sehr unterschiedlichen und komplexen gesellschaftlichen, politischen und rechtlichen Regelungen des heutigen Verhältnisses von Kirche(n) und Staat in den Mitgliedsländern der Europäischen Union auf dem Hintergrund ihrer jeweiligen Geschichte. Eine spezielle Frage wird sein, wie weit diese Regelungen funktionsfähig sein können für den Umgang mit den muslimischen Minoritäte