Anna Carina Mensch

„Europa, Europa, ich komme zu dir“ – Filmische Narrationen der Flucht und Integration von Kindern und Jugendlichen aus außer-europäischen Gesellschaften nach Europa

Erstbetreuerin: Prof. Dr. Polzin-Haumann. Zweitbetreuung durch Prof. Dr. Hans-Jürgen Lüsebrink

 

Im Kontext der massiven Fluchtbewegungen aus außereuropäischen Ländern nach Europa hat in den zurückliegenden Jahren eine Gruppe Geflüchteter besonders die mediale und gesellschaftliche Aufmerksamkeit erregt: Die Gruppe der Kinder und Jugendlichen, die sich ohne Begleitung auf die lebensgefährliche Reise nach Europa begeben haben und deren Inobhutnahme und zeitnahe Integration die Aufnahmegesellschaften vor besondere Herausforderungen stellt. Der Umgang mit den „unbegleiteten Minderjährigen“ (uM) ist hierzulande wie in unseren europäischen Nachbarländern umstritten. Während einerseits für eine rigidere Durchführung von Maßnahmen zur Altersfeststellung plädiert wird, wird andererseits auf den besonders vulnerablen Charakter dieser Flüchtlingsgruppe verwiesen und zur Einhaltung der UN-Kinderrechtskonvention gemahnt.  


Ein Medium, dem in Zusammenhang mit der Integration zugewanderter Menschen in unsere Gesellschaft eine besondere Bedeutung zukommt, ist das Medium Film. So kann der Film Kiesel zufolge als „kommunikativer Mittler zwischen Menschen auf der Flucht und den jeweiligen Aufnahmegesellschaften“  dienen, wobei bestimmte „Vermittlungsinstanzen und -figuren“  (wie Filmemacher, Vertriebsfirmen, Kinos etc.) eine wichtige Rolle spielen. Auch amateurhafte Handyfilme von Geflüchteten selbst können die Integration befördern, indem sie die notwendige Verarbeitung traumatischer Fluchterlebnisse unterstützen. So haben im Zuge der jüngeren Fluchtbewegungen gerade viele Jugendliche das neue Medium genutzt, um ihre persönliche Erfahrung in Echtzeit zu dokumentieren, als historisches Zeugnis für die Nachwelt festzuhalten und ihre Erlebnisse mit anderen Menschen zu teilen. Nicht zuletzt gilt es im Zusammenhang mit der Integration Geflüchteter Filmprojekte zu nennen, die in den letzten Jahren im Rahmen sozialer Initiativen mit dem Ziel entstanden sind, „Betroffenen“ selbst die Kamera zu geben – und damit eine Chance, innerhalb der Aufnahmegesellschaft Verständnis für die eigene Situation zu schaffen.


Im Rahmen des Dissertationsprojekts sollen filmische Darstellungen der Lebensrealität unbegleitet geflüchteter Kinder und Jugendlicher aus diversen außereuropäischen Ländern in Ländern des 'Schengen Raums' untersucht werden. Auf der Basis einer Betrachtung der rechtlich-politischen und soziokulturellen Rahmenbedingungen der Aufnahme und Integration geflüchteter Kinder und Jugendlicher in den jeweiligen Ländern sowie der Hintergründe, Motive und sozialpsychologischen Dimensionen der Flucht, soll mit Methoden der Film- und interkulturellen Medienanalyse analysiert werden, wie und mit welchen filmästhetischen Mitteln allein geflüchtete Kinder und Jugendliche in filmischen Werken charakterisiert und ihre Lebenssituation sowie ihre individuellen Fluchtschicksale, Traumata und Grenzerfahrungen inszeniert werden. Da der Fokus auf Darstellungen im Zielland liegt, spielen auch erste interkulturelle Kontakte und Fremdwahrnehmungsmuster eine wichtige Rolle. Durch eine Rezeptionsanalyse im Sinne der Cultural Studies soll untersucht werden, welche Rolle den ausgewählten Filmen im jeweiligen nationalen und europäischen Diskurs über geflüchtete Kinder und Jugendliche zukommt und inwiefern sie wirklich zu deren (Erst-)Integration beitragen können.