IMK-Vortrag-2019-01-10

Urheberrecht für die digitale Welt: Wie steht es um die Urheberrechtsreform in Brüssel; und was kann der deutsche Gesetzgeber tun?

Seit Anfang des Jahrtausends gibt es ein „Urheberrecht für die Informations-gesellschaft“. Doch in den letzten zwanzig Jahren hat sich in der digitalen Welt vieles fundamental verändert. Daher wird derzeit in Brüssel kontrovers über eine Reform des Urheberrechts für den digitalen Binnenmarkt diskutiert. Anlass, im Rahmen des Informations- und Medienrechtlichen Kolloquiums Saarbrücken (IMK) am 10. Januar 2019 über den Stand der Reform zu informieren und zu fragen, was sich in Brüssel tut, und was der deutsche Gesetzgeber noch regeln kann, wenn Brüssel entschieden hat.

Hierzu begrüßte Prof. Dr. Ory, Direktor des Instituts für Europäisches Medienrecht (EMR), nach einer kurzen Einleitung in die Komplexität aktueller Urheberrechtsthemen, den Referenten des Abends: Herrn Matthias Schmid, Referatsleiter Urheber- und Verlagsrecht im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz.

Schmid ging in seinem Vortrag zunächst auf die Entstehung des geltenden Rechtsrahmens für das heute digitale Urheberrechts ein. Hierfür zeigte er auf, wann die entsprechenden Weichen im Bereich des Urheberrechts gestellt wurden: Vom „Green Paper“ der US-Regierung über die Zukunft des „Digital Copyright Law“ aus dem Jahre 1994 bis hin zur Umsetzung der europäischen InfoSoc-RL in Deutschland im Jahr 2003. Dem gegenüber stellte Schmid die Entwicklung der aktuellen der technischen und sozialen Weichenstellungen: Vom ersten verkaufen Buch auf Amazon 1995, über das erste iPhone im Jahr 2007, bis hin zur über fünfzigprozentigen Nutzung mobilen Internets in Deutschland seit 2015. Hierbei wurde die Diskrepanz zwischen der Dynamik der technischen Entwicklung und der Statik der rechtlichen Regulierung verdeutlicht. Daneben gestellt wurden auch Umsatzentwicklungen der deutschen Musikindustrie sowie die Entwicklung der Werbeeinnahmen im Bereich der Presseverlage. Woraufhin Schmid die Regulierungsebenen seit 2001 analysierte: Hier sei insbesondere der EuGH als Ersatzgeber tätig gewesen, was im Ergebnis jedoch aufgrund langer Verfahrensdauer und des retrospektiven Charakters der Rechtsprechung problematisch sei.

Hiernach leitete Schmid über zur aktuellen Urheberrechtspolitik. Diese genieße seit der Aufnahme des Zieles eines „einheitlichen europäischen Urheberrechts“ in die zehn Thesen des Kommissionspräsidenten Juncker im Jahr 2014 einen hohen politischen Stellenwert. Jedoch seien regulatorische Entwicklungen wie die 2018 in Kraft getretene Portabilitätsverordnung als erste Verordnung im Bereich des Europäischen Urheberrechts zwar ein Signal für den digitalen Binnenmarkt, jedoch noch kein großer Wurf. Daneben wurde im Rahmen der aktuellen Urheberrechtsentwicklungen noch die Umsetzung des Vertrags von Marrakesch zur Erleichterung des Zugangs für blinde zu urheberrechtlich geschützten Werken vorgestellt. Die so genannte „Online-SatCab-Richtlinie“ wurde Ende 2018 politisch konsentiert und wird bis zum Frühjahr 2012 umzusetzen sein.

Danach ging Schmid zum Kernthema des Abends über, der aktuell im Trilog-Verfahren verhandelten Richtlinie über das Urheberrecht im Digitalen Binnenmarkt. Hierbei wurde zunächst der politische Gang der Reform beschrieben, vom Vorschlag der Kommission im Jahr 2016 über die turbulenten Abstimmungen und Diskussionen im Europäischen Parlament im Jahr 2018 bis hin zu den aktuellen Trilog-Verhandlungen, bei denen nun für den 21. Januar 2019 der finale Trilog geplant ist. Schmid stellte kurz den Inhalt des Reformentwurfs vor: Dieser berühre vielfältige Themenbereiche von neuen gesetzlichen Erlaubnissen beispielsweise im Bereich Data-Mining, über Regelungen zu vergriffenen Werken, Verlegerbeteiligung, Plattformregulierung, bis hin zu Änderungen im Urhebervertragsrecht. Danach ging er auf die derzeit besonders strittigen Punkte ein, nämlich dem Leistungsschutzrecht für Presseverleger und dem Thema „Upload-Filter“ bei der Plattformregulierung. Hierbei zeigte er die komplexen unterschiedlichen Interessengruppen und deren divergierende Vorstellungen auf. Herausforderung der aktuellen Regulierung sei es, eine balancierte Entscheidung der widerstreitenden Interessen zu finden, welche auch auf die aktuellen Paradigmenwechsel bei der Verbreitung und Nutzung urheberrechtlicher Werke berücksichtigen müsse.

Zum Abschluss des Vortrags fasste Schmid noch ein Kernproblem aktueller Urheberrechtsregulierung zusammen: Wir würden geleentlich „heute die Probleme von gestern mit den Menschen von vorgestern“ regulieren. Schmid plädierte für einen zukunftsgerichteten Regulierungsansatz, der sich zunächst einmal die Frage stellt, wie die digitale Welt im Jahr 2030 aussehen könnte und sollte.

 

Die anschließende Fragerunde spiegelte die Vielfalt aktueller urheberrechtlicher Diskussionen wieder. Von praktischen Fragen zum Ablauf von Verhandlungen auf EU-Ebene über Themen wie von Künstlicher Intelligenz produzierte Werke bis hin zu modernen Vergütungsregeln und Daten-Ökonomie. Schmid bekräftige hierbei, dass es in manchen Bereichen durchaus sinnvoll sein könnte, sich zunächst von eingefahrenen Vorstellungen zu lösen und zu überlegen, wie ein neu gedachtes Urheberrecht aussehen könnte, um so eine bessere Orientierung für zukunftsfähige Reformansätze zu entwickeln.