Exkursionen

Auf den Spuren Wolframs – Exkursion nach Wolframs-Eschenbach

Bericht von Janine Schwab, Katharina Wilhelm und Alrun Frings

Mit einer kleinen Gruppe von Seminarteilnehmern und Institutsangehörigen der Mediävistik fuhren wir am 28. Juni 2019 nach Wolframs-Eschenbach. Anlass zu dieser interessanten und uns allen gut in Erinnerung bleibenden Tagesexkursion war Frau Schindlers Hauptseminar zu Wolfram von Eschenbach im SoSe 2019.

Die Kleinstadt Wolframs-Eschenbach liegt in Mittelfranken an der Deutschen Burgenstraße und beansprucht für sich, die Heimatstadt Wolframs von Eschenbach zu sein, weshalb das damalige Obereschenbach im Jahr 1917 entsprechend umbenannt wurde. Anhaltspunkte dafür, dass es sich hier um das Eschenbach handelt, liefern topographische Hinweise und Ortsnamen in Wolframs Werken. Beispielsweise wird mit Tolenstein (Pz 409,8) das heutige Dollenstein im Landkreis Eichstätt identifiziert. Urkundliche Belege dafür, dass Wolfram hier gelebt oder gewirkt hat, gibt es allerdings nicht. Sicher ist hingegen, nebenbei erwähnt, dass der Ort als Filmkulisse für die Realverfilmung von „Räuber Hotzenplotz“ (1974) diente.

 

Nach der Ankunft stärkten wir uns zunächst im idyllischen „Café Parzival“ mit einer Parzival-Schorle und besichtigten danach den historischen Stadtkern, in dessen Zentrum sich der Wolfram-von-Eschenbach-Platz mit dem 1861 enthüllten Wolfram-Denkmal befindet, „das Wolfram durch Harfe, Lorbeerkranz und Schwert als Sänger, Dichter und Ritter kenntlich macht“, wie die Internetpräsenz der Stadt stolz informiert. Die lokale Literaturverehrung kennt allerdings auch andere Autoren: Rings um die noch vollständig erhaltene Stadtmauer führt ein „Literaturweg“, auf dem fünfzehn Autorinnen und Autoren verschiedener Jahrhunderte, die sich in ihrem Werk mit Franken befasst haben, kurz vorgestellt werden.

Die Wartezeit bis zur Öffnung des Wolfram-von-Eschenbach-Museums, unserem eigentlichen Ausflugsziel, überbrückten wir im benachbarten Liebfrauenmünster. Die wohl älteste gotische Hallenkirche Süddeutschlands, die im 13. Jahrhundert vom Deutschen Orden erbaut wurde, beeindruckt nicht nur mit vielfältigen Heiligendarstellungen, die Herr Rein uns anhand der Attribute anschaulich erläutern konnte, sondern auch mit dem kunstvoll gestalteten bunten Kirchturmdach.

 

Durch einen glücklichen Zufall konnten wir zudem außerhalb der Öffnungszeiten die Handschriftenausstellung „Minnesang und Schwerterklang“ im Deutschordensschloss besichtigen, die 46 Reproduktionen der Künstlerin Marianne Voss von Dichterporträts aus dem Codex Manesse zeigte – darunter auch das berühmte Bildnis Wolframs als Ritter, das wir alle von Frau Schindlers Bürotür (oder T-Shirt :-)) kennen.

Gegen Mittag war es dann so weit und wir betraten gespannt das ehemalige Rathaus der Stadt, das seit 1995 das Wolfram-von-Eschenbach-Museum beherbergt. Entgegen der Erwartung gibt es hier keine klassischen Exponate von oder über Wolfram. Stattdessen befasst sich das Museum mit der Frage: „Kann man Literatur ausstellen?“ Durchaus eine Rarität unter den Museen Deutschlands und ein Vorreiter für den Stand der Zeit, wenn man dessen Eröffnung in den 90er Jahren beachtet. Im Rahmen dieser Fragestellung wurden zehn Räume gestaltet, die sich damit auf unterschiedliche Weise auseinandersetzen und Wolfram als Autor sowie seine Werke und ihre Rezeption auch für interessierte Laien zugänglich machen. Dabei folgt das Museum ganz dem Konzept des selbstentdeckenden Lernens und ist sehr schülerorientiert gestaltet. In den aufwändig gestalteten Ausstellungsräumen werden komplexe Zusammenhänge in den Werken Wolframs physisch erlebbar, beispielsweise durch die dreidimensionale Darstellung der Verwandtschaftsverhältnisse im Parzival oder durch die Möglichkeit, die Melodie der Titurelstrophe zu hören.

Gleich im ersten Raum wird der Besucher zu Fragen über Wolfram, das Mittelalter allgemein und die mittelhochdeutsche Sprache angeregt steht somit ganz im Zeichen einer zentralen Aufforderung Frau Schindlers aus dem Hauptseminar: „Scheuen Sie sich nicht, Fragen zu stellen, und bleiben Sie neugierig!“ Der zweite Raum setzt sich mit Wolframs Biographie auseinander und macht deutlich, dass alles, was wir über Wolfram und seine Lebensverhältnisse zu wissen glauben, aus seinen literarischen Werken stammt. Im Anschluss thematisieren die Räume III bis V den berühmten Parzival – der Besucher wird zunächst mit der Artuswelt konfrontiert, dann wird sein Blick auf die im Roman komplexen Verwandtschaftsverhältnisse gelenkt, indem das doppelte Erbe Parzivals, mütterlicher- und väterlicherseits, in Form eines großen Mobiles aus Tarot-artigen Karten veranschaulicht wird. Der so visualisierte Stammbaum regt eindrücklich zur Reflexion an – er stellt nicht nur die Familien-, sondern auch die allgemeine Menschheitsverwandtschaft dar. Weiter werden die Gralswelt und die berühmte versäumte Frage Parzivals akustisch und visuell mittels eines modernen Graffitis inszeniert:

 

‚hȇrre, wie stȇt iuwer nȏt?‘
Pz 484, 26f.

oeheim, waz wirret dir?
Pz 795,29

Der folgende Raum, dem Titurel gewidmet, überrascht mit Klangröhren und leitet zum Nachspielen der sog. Titurelstrophe an, deren lyrischer Charakter besonders aus Sigȗnes Liebesklage deutlich wird. Auch hier wird der Besucher zum MITDENKEN und MITMACHEN angeregt – auch über das dargestellte brackenseil, das so eindrücklich Geschichte und Leben miteinander verknüpft.

Nach dem Raum, der Wolframs Tageliedern gewidmet ist (Nacht und Liebe, Tag und Trennung), folgt der Willehalm-Raum. In dieser düsteren Umgebung werden die verlustreichen Schlachten zwischen Heiden und Christen thematisiert: Inmitten von für Lanzen abgeholzten Wäldern geht man über die Namen der Gefallenen beider Seiten. Die letzten beiden Museumsräume geben schließlich einen Einblick in die vielfältige Rezeptionsgeschichte von Wolframs Werken und machen deutlich, welche existenziellen Themen er in seinen Werken diskutiert.

Die Exkursion und der etwas andere Museumsbesuch waren sehr lehrreich für uns. Dass man Literatur ausstellen kann und es viele kreative Möglichkeiten gibt, Mittelalter und mittelalterliche Texte didaktisch gut und attraktiv zu vermitteln, hat sich uns in den Anfängen erschlossen und wir wollen weiter dranbleiben.

Ganz nach Frau Schindlers Motto „Es ist ein Privileg, sich mit solchen Texten beschäftigen zu dürfen“ wollen wir versuchen diese Begeisterung, Faszination und Aktualität der Texte weiterzugeben und deren Spuren weiter zu verfolgen!

Herzlichen Dank an die Fachrichtung für die Unterstützung! Wir würden uns über weitere gemeinsame Exkursionen sehr freuen!

niht mêr dâ von nu sprechen wil
ich Wolfram von Eschenbach,
wan als dort der meister sprach.
sîniu kint, sîn hôch geslehte
hân ich iu benennet rehte,
Parzivâls, den ich hân brâht
dar sîn doch saelde hete erdâht.
(Pz 827,12-18)