Nachwuchsforschungsgruppe "Migration und Flucht. Theater als Verhandlungs- und Partizipationsraum im Deutsch-Französischen Vergleich (1990 bis heute)"

Die Nachwuchsforschungsgruppe „Migration und Flucht. Theater als Verhandlungs- und Partizipationsraum im Deutsch-Französischen Vergleich (1990 bis heute)“ wird seit 2019 von der Hans-Böckler-Stiftung gefördert. Sprecherinnen sind Prof. Dr. Romana Weiershausen (Frankophone Germanistik, Universität des Saarlandes) und PD. Dr. Natascha Ueckmann (Romanistik, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg)

Drei Fragen an Prof. Dr. Romana Weiershausen

1) Was erforschen Sie in der Nachwuchsforschungsgruppe "Migration und Flucht"?

Die Nachwuchsforschergruppe untersucht Theaterstücke und Theaterprojekte, die von 1990 bis heute in Deutschland und in Frankreich entstanden sind, im Kontext der jeweiligen Diskussionen um Zuwanderung. Das Projekt verknüpft Ästhetik und Ethik im Sinne des Social Turn, der soziale Prozesse in künstlerische Aktivitäten einbezieht. Dabei fragen wir nach dem Verhältnis zwischen transkulturellen ästhetischen Praktiken und nationalkulturellen Traditionen.
An den öffentlichen Debatten über Zuwanderer und Asylsuchende zeigt sich, dass es auch 'nationale' Debatten sind, in denen Bilder des 'Fremden' und des 'Eigenen' (re)produziert und politisch aufgeladen werden. Wie reagiert das Theater darauf – und bedarf das Theater nicht seinerseits eingespielter kultureller Muster? Hier besteht die Vermutung, dass trotz der globalen und transkulturellen Thematik der Bezugsrahmen nationaler Traditionen wirksam bleibt.
Daraus ergeben sich unsere Leitfragen, die wir komparatistisch im deutsch-französischen Vergleich verfolgen: Welche Rolle kann das Theater für die Bewältigung der Krise europäischer Migrations- und Integrationspolitik spielen? Welche innovativen und experimentellen Ausdrucksformen, vor allem aber welche Möglichkeiten aktiver Teilhabe stellt der theatrale Raum bereit? Und in welchem Maße werden dabei nationale Zugehörigkeiten bestätigt oder überwunden?

 

2) Was ist der spezifische Beitrag zur Europaforschung?

Demographischer Wandel durch Zuwanderung gehört zu den Konstanten europäischer Gesellschaften – und bleibt dennoch eine Herausforderung, wie sich anlässlich der sogenannten 'Flüchtlingskrise' noch einmal drastisch gezeigt hat. Frankreich und Deutschland beispielsweise sind schon lange Einwanderungsländer – allerdings mit sehr unterschiedlichen Hintergründen. Und auch der Umgang mit dem Tatbestand, eine gemischte Gesellschaft zu sein, ist verschieden, wobei die Kultur eine wichtige Rolle spielt. Hier lässt sich wechselweise lernen, um den Anforderungen eines vielsprachigen und vielkulturellen Miteinanders besser gerecht zu werden.

 

3) Was bedeutet Europa für Sie persönlich?

Mein Blick auf Europa hat sich sehr verändert, seit ich ins Saarland gekommen bin. Zuvor war ich an der Universität Bremen tätig, wo Europa eher ein abstrakter Begriff ist, der Teil von kritischen Debatten über das westliche Selbstverständnis ist (Stichwort Eurozentrismus). Hier in der Großregion, im direkten Austausch und in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit französischen, luxemburgischen und belgischen Kolleg*innen fühlt sich Europa anders an: Es ist im Kleinen ein gelebtes Europa. Eine der schönsten Aufgaben für mich ist die Leitung unseres trinational grenzüberschreitenden Germanistik-Studiengangs zusammen mit den Unis in Metz und Luxemburg. Im Bewusstsein der Geschichte dieses Landstrichs, der Schauplatz erbitterter Kriege und Grenzverschiebungen war, fühlt man, wie besonders das eigentlich ist. Die Universität des Saarlandes ist mit ihrer Gründungsgeschichte ein Symbol dafür: für die Nachkriegszeit eine 'europäische Universität' der ersten Stunde. Man hat das Gefühl, an dieser Tradition teilzuhaben und aus einem gewachsenen Miteinander heraus zu agieren, wenn man an weiteren europabezogenen Projekten, sei es der größere Uni-Verbund "Transform for Europe", sei es in der Forschung, mitwirkt.

Romana Weiershausen ist seit 2014 Professorin für Frankophone Germanistik an der Universität des Saarlandes und Leiterin des trinationalen Master-Studiengangs "Literatur-, Kultur- und Sprachgeschichte des deutschsprachigen Raums". Zusammen mit Natascha Ueckmann (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) ist sie Sprecherin der Nachwuchsforschungsgruppe Migration und Flucht. Theater als Verhandlungs- und Partizipationsraum im Deutsch-Französischen Vergleich (1990 bis heute).