Strategische Partnerschaft "Modernising European Legal Education (MELE)"

Die Strategische Partnerschaft "Modernising European Legal Education (MELE)" wird seit 2020 von der Europäischen Union im Rahmen von Erasums+ gefördert und von Prof. Dr. Thomas Giegerich LL.M. (Europarecht, Völkerrecht und Öffentliches Recht) geleitet.

Drei Fragen an Prof. Dr. Thomas Giegerich

1) Was erforschen Sie im Projekt "Modernising European Legal Education (MELE)"?

Mit dem Projekt "Modernising European Legal Education" beabsichtigt das Europa-Institut gemeinsam mit seinen Konsortialpartnern, den Rechtsfakultäten der Universitäten von Belgrad, Cadiz, Skopje, Vilnius und Zagreb, sowie dem Campus Fryslȃn der University of Groningen und der Regent’s University, die Schlüssel­kompetenzen und akademischen Fähig­keiten der Studierenden zu verbessern, indem wir die Lehrfähigkeiten des akademischen Personals aller Konsortial­partner verbessern. Darüber hinaus soll das Projekt auch das Bewusstsein für Querschnitts­themen wie Genderfragen, Green Deal und Klimawandel, Digitalisierung und Multi-Level-Governance für das Rechtsstudium schärfen. Ziel des Projektes ist es, junge Studierende der Rechts­wissenschaft für den europäischen Arbeits­markt vorzubereiten und mit dem nötigen interdisziplinären und grund­legenden Rüstzeug für eine digitale und vielfältige Zukunft auszustatten. Zu diesen übergreifenden Themen soll neben der juristischen Forschung auch der Ansatz­punkt in der juristischen Lehre aufgezeigt werden.
Effektive Bildungs- und Berufsausbildungssysteme sind die Eckpfeiler für gerechte, offene und demokratische Gesell­schaften und für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung. In diesem Zusammen­hang wird zunehmend in Frage gestellt, ob die Ausbildungs- und Lehr­methoden, insbesondere im Bereich der Rechts­wissenschaft, noch zeitgemäß sind, um den vielfältigen Anforderungen der juristischen Berufe gerecht zu werden. Es sind zusätzliche Kompetenzen und Fähig­keiten erforderlich, um eine hohe Beschäftigungs­fähigkeit der Jura­studierenden zu gewährleisten. Dieser Bedarf wurde u.a. durch die Globalisierung des Rechtsanwalts­berufs und den gestiegenen Bedarf an Verständnis für Querschnitts­themen, z.B. Multi-Level-Governance, Green Deal und Klimawandel, sowie durch die globale Digitalisierung der Gesell­schaften und die Automatisierung von Rechts­verfahren ausgelöst. Darüber hinaus wird das Arbeits­umfeld national ausgebildeter "traditioneller" Jurist*innen in Zukunft erheblichen Veränderungen unterliegen, die gesteigerte Anforderungen mit sich bringen – von Sprach­kenntnissen über computer­gestützten Verfahren bis hin zu komplexen inter­nationalen Fällen, die mehrere Gerichts­barkeiten umfassen. Diese Veränderungen auf dem traditionellen juristischen Arbeits­markt erfordern eine Über­prüfung der juristischen Ausbildungs­ansätze und Lehr­methoden, um sicher­zustellen, dass die Absolvent*innen solchen neuen Heraus­forderungen gewachsen sind. Die juristische Ausbildung erfordert eine ganz­heitliche Auseinandersetzung mit den Anforderungen und Bedürfnissen des heutigen europäischen und globalen Arbeitsmarkts.

 

2) Was ist der spezifische Beitrag zur Europaforschung?

MELE trägt dazu bei, dass juristische Forschung und Ausbildung über die klassischen Themen hinausgeht und die Schnitt­stellen zu neuen und innovativen Themen wie Green Deal und Klima­wandel, Digitalisierung, Multi-Level-Governance sowie Gender­fragen aufzeigt. In diesen Bereichen soll die juristische Komponente heraus­gearbeitet werden. Hierbei sollen insbesondere auch europäische Entwicklungen und der europa­rechtliche Bezug analysiert werden.
In jüngster Zeit sind digitale Fähigkeiten zu einem unverzicht­baren Bestandteil des Arbeits­alltags geworden. Die immer größer werdenden Möglich­keiten der neuen Techno­logien werfen auch in rechtlicher Hinsicht neue Probleme auf und sind deshalb für Juristen von besonderem Interesse. Die Themen reichen von der Entstehung völlig neuer Geschäfts­modelle im digitalen Bereich bis hin zu grund­rechtsrelevanten Über­legungen im Kontext des Daten­schutzes. Neue Grund­rechte wie das Recht auf informationelle Selbst­bestimmung und das Recht auf Vergessen­werden wurden etabliert und bedürfen nun einer klaren inhaltlichen Aus­gestaltung durch die Forschung. Darüber hinaus entsteht durch den verbreiteten Einsatz von künst­licher Intelligenz ein völlig neues Problem­feld, das u.a. Fragen nach den Rechts­folgen bei System­versagen und der Haftung für entstandene Schäden aufwirft.
Multi-Level-Governance beschreibt die Machtteilung zwischen vielen Regierungs­­­ebenen und horizontal über mehrere regierungs­­nahe und nicht-staatliche Organisationen und Akteure. Es berücksichtigt die verschiedenen nationalen, regional-europäischen und globalen Ebenen von Herrschaft­sausübung, analysiert die Zusammen­hänge und erarbeitet verschiedene Modelle.
Angesichts der Herausforderungen des Klimawandels sind umweltrechtliche Überlegungen zunehmend in den Fokus der juristischen Forschung gerückt. Es stellt sich z.B. die Frage nach einem Menschenr­echt auf eine gesunde Umwelt, das neben den Staaten auch private Unter­nehmen in die Pflicht nimmt. Nicht zuletzt spielt der Klima­wandel auch eine zunehmende Rolle im Flüchtlings­recht. Veränderte Umweltfaktoren wie der steigende Meeres­spiegel machen das Leben in bestimmten Regionen der Welt zunehmend schwieriger. Neben den nationalen Akteuren ist auch die EU mit ihrer Green-Deal-Initiative aktiv geworden, die verschiedene neue Maß­nahmen beinhaltet, die von den nationalen Gesetz­gebern umgesetzt werden müssen.
Darüber hinaus sind Genderfragen und das Antidiskriminierungsrecht in Zeiten zunehmender Angriffe und Ressentiments gegenüber besonders verletzlichen Gruppen in der Gesell­schaft von hoher Bedeutung. Der Schutz auf verschiedenen recht­lichen Ebenen und das Zusammen­spiel der entsprechenden Schutzi­nstrumente muss gefördert werden, um alle Formen von geschlechts­spezifischer Diskriminierung, Gewalt und sexueller Belästigung zu bekämpfen. Die EU hat im Antidiskriminierungs­recht eine Vorreiter­rolle übernommen.

3) Was bedeutet Europa für Sie persönlich?

Die effektive Bündelung der Kräfte in der Europäischen Union ist für mich die einzige realistische Möglich­­­keit für die europäischen Bürger*innen, ihren Einfluss bei der Lösung der großen Heraus­forderungen der Gegen­wart und Zukunft in der Welt geltend zu machen und darauf hinzuwirken, dass diese Lösungen im Einklang stehen mit den grund­legenden Werten von Freiheit, Gleichheit, Demokratie, Rechts­herrschaft und Menschen­rechten für alle.

Thomas Giegerich ist seit 2012 Professor für Europarecht, Völkerrecht und Öffentliches Recht an der Universität des Saarlandes und Leiter des Europa-Instituts. Von 2013  bis 2016 war er Inhaber eines Jean-Monnet-Lehrstuhls für Europarecht und Europäische Integration. Seit 2017 ist er Inhaber eines Jean-Monnet-Lehrstuhl für Europäische Integration, Antidiskriminierung, Menschenrechte und Vielfalt. Seit 2020 leitet er das Projekt Modernising European Legal Education (MELE) des Europa-Instituts an der Universität des Saarlandes.