26.01.2023

Chemiker der Saar-Uni drucken weltweit erstmals komplexe 3-D-Objekte in schillernden Strukturfarben

Mit dem neuen Verfahren von Lukas Siegwardt und Markus Gallei können auch komplexe Objekte wie dieser Affenkopf in veränderbaren Strukturfarben am 3-D-Drucker gedruckt werden.
© Lukas SiegwardtMit dem neuen Verfahren von Lukas Siegwardt und Markus Gallei können auch komplexe Objekte wie dieser Affenkopf in veränderbaren Strukturfarben am 3-D-Drucker gedruckt werden.

Den Effekt kennt man von Schmetterlingen oder Opalen: Je nach Lichteinfall schillern Tiere oder Edelsteine in verschiedenen Regenbogenfarben. Solche „Strukturfarben“ verblassen nicht und sind ungiftig. Bisher konnten solche Farben künstlich nur als dünner Film hergestellt werden. Die Chemiker Lukas Siegwardt und Markus Gallei von der Universität des Saarlandes haben nun ein Verfahren gefunden, wie sie dreidimensionale komplexe Objekte drucken können, die brillante Strukturfarben zeigen.

Ihre Methode haben sie im renommierten Fachjournal Advanced Functional Materials veröffentlicht.

English version below

Im menschlichen Miteinander gilt „Harte Schale, weicher Kern“ als Gütezeichen für den menschlichen Charakter. Im Falle des Forschungsgegenstandes von Markus Gallei und Lukas Siegwardt hingegen verhält es sich genau andersherum. Der Professor für Polymerchemie und sein Doktorand haben „perfekte Partikel“ hergestellt, deren harter Kern von einer weichen Schale umgeben ist. „Perfekte Partikel“ bezeichnet in diesem Fall Teilchen, die allesamt identisch groß und geformt sind. Diese Ausgangsmaterialien, die in der Regel aus gängigen Materialien wie Polystyrol oder Ethylacrylaten bestehen, haben Lukas Siegwardt und sein Professor nun so verändert, dass sie auch im 3-D-Drucker verarbeitet werden können.

Das war bisher nicht möglich. Seit 2001 können solche Farben zwar künstlich hergestellt werden, allerdings nur als sehr dünner Film, der Bruchteile eines Millimeters dick ist. „Dabei wird das Material mittels Industriepressen oder Folienwalzanlagen verarbeitet. Daraus wird dann ein buntes Material, das seine Farbe verändern kann“, erklärt Professor Gallei. Man kann daran ziehen, Strom anlegen, die Temperatur verändern, den pH-Wert und viele weitere Parameter beeinflussen, die allesamt dazu führen, dass die Farbe sich ändert. „Man kann das Material beliebig schalten“, nennt Markus Gallei solche Vorgänge. Solche Farben haben zwei große Vorteile: Sie sind zum einen völlig unschädlich im Gegensatz zu vielen anderen Farben. Und sie bleichen niemals aus. Hinzu kommt ihre schier unendliche Wandlungsfähigkeit, die bisher nur dadurch begrenzt wurde, dass sie als hauchdünner Film hergestellt werden konnten. Nun hingegen wären 3-D-Objekte aus solchen Materialien als vielfältig einsetzbare Sensoren für allerlei Messmethoden oder als Fälschungsschutz für Waren denkbar, um nur zwei Beispiele zu nennen. Man kann die Partikel so herstellen, dass sie jede denkbare Eigenschaft besitzen und ebenfalls leicht in Form zu bringen sind.  

Lukas Siegwardt demonstriert die Wandlungsfähigkeit des Stoffes, indem er an einem ausgedruckten, etwa fünf Zentimeter langen Prüfling zieht. Die vormals rote Farbe des Objekts verändert sich immer mehr ins Blaue, je mehr der Doktorand daran zieht. „Damit habe ich schon einen einfachen Sensor, der auf Zug- und Druckkräfte reagiert“, erklärt der junge Wissenschaftler.

Markus Gallei erklärt die Chemie, die dahintersteckt. Die hat mit den eingangs erwähnten „perfekten Partikeln“ aus den Standard-Polymeren zu tun, die in Rohform als weißes, pudriges Pulver in die Industriepresse und nun auch in den 3-D-Drucker kommen. „Diese Partikel ordnen sich während des Druckens in einem regelmäßigen Muster an, welche dann unterschiedliche Farben haben, je nachdem, wie die Abstände zwischen den Partikeln sind.“ Die weichen Schalen der einzelnen Partikel zerfließen zu einer fließfähigen Masse, welche die harten Kerne umgibt. Zieht man an einem Objekt, verändert man die Abstände zwischen den einzelnen Kern-Partikeln, und die Farbe ändert sich. Die harten, perfekten Partikel bewegen sich in dem weichen umgebenden Medium und ordnen sich zu einem neuen Muster an.  „Man quetscht quasi den Honig zwischen den einzelnen Kügelchen raus“, erklärt Markus Gallei mit einem Bild den Vorgang auf molekularer Ebene. So verändern sich die Partikelabstände und damit auch die Farbwiedergabe.

Um ein solches Material auch für einen 3-D-Druck aufzubereiten, war eine Menge Laborarbeit nötig. Das war insbesondere Lukas Siegwardts Part. „Ich habe das Material so verändert, dass es sich drucken lässt. Ich habe Monate gebraucht, bis ich die richtige Zusammensetzung gefunden habe", sagt der Doktorand rückblickend. Dabei waren zwei harte Nüsse zu knacken: Zum einen musste Siegwardt die Fließeigenschaften des pulvrigen Ausgangsstoffes so verändern, dass sie die Düsen des Druckers nicht verstopften, sprich: das Pulver möglichst rückstandsfrei gedruckt werden konnte. „Zweiter Punkt waren die thermischen Eigenschaften. Beim Pressen muss das Ausgangsmaterial etwa 120 Grad Celsius verkraften. Beim 3-D-Druck fallen aber Temperaturen von 140 bis teilweise 200 Grad Celsius an“, erklärt der Wissenschaftler die Anforderungen an das Material. „Viele Materialien sind mir im Laufe der Monate kaputtgegangen“, erinnert er sich. Bis er letzten Endes doch die richtige Mischung gefunden hat.

So haben die beiden saarländischen Wissenschaftler die Basis dafür geschaffen, dass mit der neuartigen Methode nun Anwendungsgebiete gefunden werden können, in denen die schillernden Objekte sinnvoll nutzbar sein können. Weicher Schale, hartem Kern sei Dank.

Originalpublikation (open access):
L. Siegwardt, M. Gallei*, Complex 3D-Printed Mechanochromic Materials with Iridescent Structural Colors Based on Core–Shell Particles, Advanced Functional Materials 2023,  
https://doi.org/10.1002/adfm.202213099

Weitere Informationen:
Prof. Dr.-Ing. Markus Gallei
Tel.: (0681) 302-4840
E-Mail: markus.gallei(at)uni-saarland.de
Homepage: www.gallei-lab.com

Lukas Siegwardt
Tel.: (0681) 302-2492
E-Mail: lukas.siegwardt(at)uni-saarland.de

 

In a world-first, chemists from Saarland University print complex structurally coloured 3D objects

Have you ever looked at a butterfly or an iridescent opal and noticed how the shimmering rainbow colours you see change depending on how light falls onto the insect or gemstone? This fascinating play of rainbow colours is purely down to the microscopically structured surface of these objects and is not produced by dyes or pigments, which are frequently toxic and may fade with time. Up until now, such structural colours could only be manufactured as thin films. Chemists Lukas Siegwardt and Markus Gallei from Saarland University have now found a way to print complex three-dimensional objects that exhibit brilliant structural colouration. They have published their method in the highly respected journal Advanced Functional Materials.

If someone has a 'hard shell but a soft centre', that's often regarded as an appealing character trait. But for Professor of Polymer Chemistry Markus Gallei and his doctoral student Lukas Siegwardt the appeal lies in creating objects called 'perfect particles' with a hard centre and a soft shell. The term 'perfect particles' is used to refer to particles that are all of identical size and shape. Siegwardt and Gallei have now modified these starting materials, which are typically made of common polymers such as polystyrene or poly(ethyl acrylates), so that they can now be processed in a 3D printer – something that has not so far been possible.

 Methods to artificially fabricate materials that show structural colours have been around since 2001, but have been restricted to ultrathin films, fractions of a millimetre thick. 'Conventionally, these materials have been processed in industrial presses or film rolling equipment, to produce thin polymer films that can change colour,' explained Professor Gallei. The colour of the film can be changed by numerous means, such as pulling the material, applying an electric voltage to it, changing the temperature or modifying the pH, to name but a few. 'You can essentially control the colour of the material on demand,' said Markus Gallei. The two great advantages of such structural colours are that they are completely harmless – unlike many conventional dye pigments – and that they never fade. Additionally, these materials are almost infinitely transformable, something that until recently was limited by the fact that they could only be produced as ultrathin films. If these materials could be shaped into 3D objects, they could be used in a wide range of applications, such as in anti-counterfeiting technology or as versatile measurement sensors, to name just two potential future uses. The particles can be manufactured so that they have highly specific properties, while also being easy to shape.  

Lukas Siegwardt demonstrates the chameleon-like nature of the material by pulling on a printed test specimen about five centimetres in length. As he pulls, the object's colour changes progressively from red to blue. 'So you can see that this material already functions as a simple sensor that can react to tensile and compressive forces,' explained Siegwardt.

To understand the underlying chemistry, we need to go back to those 'perfect particles' of standard polymers that were mentioned earlier. These are commercially available as a white, tacky powder that is fed into an industrial press or, now more frequently, into a 3D printer. 'During the printing process, the particles arrange themselves into regular patterns and these patterns will have different colours depending on the spacing between the particles,' explained Markus Gallei. The soft shells of the individual particles melt to create a flowable mass that surrounds the hard cores. Pulling on an object changes the distances between the individual core particles and the colour changes accordingly. The hard 'perfect' particles move within the soft surrounding medium and arrange themselves into a new pattern.  Markus Gallei explained this molecular-level rearrangement as being like 'squeezing honey from out between the individual particles.' Changing the distances between these minute particles changes the way the material interacts with visible light, thus changing the colours we observe.

But preparing such materials for 3D printing involved a lot of lab work for Lukas Siegwardt. "I modified the material so that it could actually be printed. It took me months to find the right composition and the right recipes,' says Siegwardt. There were two tough nuts to crack in the process. First, Siegwardt had to modify the flow properties of the powdery starting material so that the particles didn't clog the printer's nozzles and the material could be printed with as little residue as possible. 'The second issue was the material's thermal properties. In an industrial press, the starting material has to withstand about 120 °C. But in a 3D printer, the material experiences temperatures of 140 °C and sometimes as high as 200 °C,' said Siegwardt, explaining the demands placed on the material. 'Many of the materials I tested during those months were simply not up to the job,' he recalled. But his perseverance paid off and he finally found the right recipe.

Thanks to their efforts, the two research scientists from Saarland University have established a method that can be used to develop new and practical applications for these shimmering structurally coloured objects. And it's all down to a soft shell and a hard core.

Original publication (open access):
L. Siegwardt, M. Gallei*, Complex 3D-Printed Mechanochromic Materials with Iridescent Structural Colors Based on Core–Shell Particles, Advanced Functional Materials 2023,  
https://doi.org/10.1002/adfm.202213099

Further information:
Prof. Dr.-Ing. Markus Gallei
Tel.: +49 681 302-4840
Email: markus.gallei(at)uni-saarland.de
Web: www.gallei-lab.com

Lukas Siegwardt
Tel.: +49 681 302-2492
Email: lukas.siegwardt(at)uni-saarland.de