Virtuelle Investigationen

Revisionen des Indizienparadigmas zwischen Literatur und Kunst

Als Carlo Ginzburg die These formulierte, dass die Geisteswissenschaften wie die Kriminalliteratur im sog. „Indizienparadigma” gründeten, hatte er mit Sherlock Holmes einen Detektiv vor Augen, der persönlich den Tatort besichtigte. Dort erhob er Spuren, kombinierte sie und kam in oftmals ingeniösen, aber auch höchst spekulativen Schlussfolgerungen zur Lösung seiner Fälle. Vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen in Forschung und Fahndung muss dieses materiell und empirisch grundierte „Indizienparadigma” jedoch einer Revision unterzogen werden. Denn seit der Privatdetektiv von „Kommissar Computer” Konkurrenz bekommen hat, haben sich die Investigationspraktiken grundlegend gewandelt: So können computergestützte Fahndungs- und Aufklärungsmethoden eine Besichtigung des Tatorts ersetzen, während algorithmische Wahrscheinlichkeitsrechnung vergangene wie zukünftige Fälle zu erhellen verspricht. Der vorliegende Sammelband mit Beiträgen aus der Literatur-, Medien- und Designwissenschaft untersucht, inwiefern solche „virtuellen Investigationen” in Literatur und Kunst der Gegenwart eine Revision des Indizienparadigmas einschließen – und inwiefern Begriffe der Virtualität bereits die Investigativarbeit im 19. Jahrhundert prägten.

 

Virtuelle Investigationen. Revisionen des Indizienparadigmas zwischen Literatur und Kunst. Hg. von Joachim Harst unter Mitwirkung von Nursan Celik und Rahel Jendges, Köln: USB Monographs 2024.

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