30.03.2023

Wie Ventile und Schließvorrichtungen ohne Sensor jede Stellung halten und sanft schließen

Doktorand Niklas König hält einen winzigen Mikrochip in die Kamera, neben ihm stehen ein Hubmagnet und der Demonstrator, mit dem die Forscher auf der Messe die Stahlkugel schweben lassen.
© Oliver DietzeEin Mikrochip enthält die Technologie, um Ventile und Schließvorrichtungen ohne zusätzliche Sensoren frei anzusteuern. Doktorand Niklas König (Foto) forscht im Rahmen seiner Doktorarbeit bei Matthias Nienhaus an diesem Verfahren.

Ein neues Verfahren ermöglicht, Ventile und Schließvorrichtungen völlig ohne zusätzliche Sensoren frei anzusteuern. Ein Metallkolben, ein winziger Chip und kleine Stromimpulse – das ist alles, was die Antriebstechniker um Professor Matthias Nienhaus von der Universität des Saarlandes für ihre nachhaltige und kostengünstige Technologie benötigen. Der Kolben bewegt sich nach Belieben stufenlos langsam oder schnell hin und her, hält jede Stellung und landet auf Wunsch soft am Anschlag.

Die patentierte Ansteuerung braucht wenig Energie und kann über einen eigens entwickelten Chip in Systeme integriert werden. Die Technologie zeigt das Team auf der Hannover Messe vom 17. bis 21. April (Halle 002, Stand B34).

Die englische Version und Pressefotos finden Sie am Ende der Seite. / English version and press photographs below.

Sie schließen, öffnen, dosieren oder mischen: Magnetventile kommen millionenfach zum Einsatz, sei es in automatischen Schließsystemen für Türen, in Geschirrspülern, Heizungs- und Druckluftanlagen oder in der industriellen Produktion etwa von Lebensmitteln. Sie sind an sich zwar schnell und zuverlässig, aber meist auch ziemlich unflexibel: Sie kennen standardmäßig „auf“ und – oft recht hart im Anschlag – „zu“. Sollen sie sich jedoch langsam oder besonders schnell öffnen, eine bestimmte Stellung halten oder soft und geräuschlos am Anschlag landen, wird es teuer: In diesem Fall müssen zusätzliche Sensoren rein in das System, was den Einbau von Technikkomponenten samt Kabelaufwand nötig und die Sache kompliziert macht. Im Betrieb verbrauchen diese Sonderanfertigungen dann mehr Strom. Soll eine Schließvorrichtung dabei eine Stellung halten, wie „auf“ oder „zu“ – wie bei mancher Brandschutztür – kann dies permanenten Stromverbrauch bedeuten, wobei in Summe einiges zusammenkommt.

Komplett ohne weitere Sensoren kommt das nachhaltige Verfahren aus, das die Forschungsgruppe von Professor Matthias Nienhaus an der Universität des Saarlandes entwickelt hat. Vor allem bei Systemen, die permanent Strom brauchen, um eine Position wie „auf“ oder „zu“ zu halten, kann es den Energiebedarf minimieren. Alles, was das Verfahren benötigt, ist ein magnetisch leitfähiger Metallbolzen in einer Spule aus gewickeltem Kupferdraht und einen kleinen Mikrochip: „Wir brauchen nichts Zusätzliches. Wir nutzen nur die Originalkomponenten eines einfachen Hubmagneten“, erklärt Matthias Nienhaus. Das macht die Technologie auch in rauer Umgebung einsatzfähig. „Hier kommen Systeme, die auf Sensoren angewiesen sind, oft an ihre Grenzen, etwa wenn Öl oder Bremsflüssigkeiten ins Spiel kommen“, sagt der Antriebstechniker.

Allein, indem sie den Strom auswerten, der durch die Spule fließt, um den Ventilkolben zu bewegen, erkennen die Saarbrücker Forscher die Lage des Kolbens und können diesen schnell und zielsicher ansteuern. Der Strom selbst liefert den Ingenieuren alle hierzu nötigen Informationen. „Wir überwachen hierfür die Induktivität. Dafür nutzen wir den zeitlichen Stromverlauf in der Wicklung, das heißt: Wir messen Spannung und Strom, schauen uns Schwankungen über einen bestimmten Zeitraum an, werten diese aus und beobachten darüber den magnetischen Zustand“, erklärt Doktorand Niklas König, der im Rahmen seiner Doktorarbeit bei Matthias Nienhaus an diesem Verfahren forscht.

Der magnetische Zustand und damit die Stromschwankungen verändern sich je nachdem, wo sich der Kolben gerade befindet. „Dadurch wissen wir immer genau, wo er steht. Diese Lageerkennung macht es uns gleichzeitig möglich, den Bolzen effektiv und positionsgenau anzusteuern“, erklärt Niklas König. Das heißt: Die Antriebstechniker können den Kolben nach Belieben langsam oder sehr schnell bewegen – oder zwar schnell, aber kurz vor dem Anschlag soft. Dafür haben die Forscher Bewegungsabläufe modelliert und können mithilfe intelligenter Algorithmen die Kolbenstellungen individuell programmieren. Auch lässt sich so überwachen, ob eine bestimmte Stellung des Bolzens eingehalten wird, also zum Beispiel, ob das Ventil auch wirklich zu ist, was eine integrierte Sicherheitsüberprüfung möglich macht. Dies alles erweitert zugleich die möglichen Anwendungsbereiche der Technik.

Es ist ein elegantes Verfahren, das zugleich kostengünstig ist. „Unsere Technologie funktioniert aus einem Guss samt der dazu gehörenden Mikroelektronik“, erläutert Matthias Nienhaus. Der Chip, den sie entwickelt haben, enthält die gesamte patentierte Technologie und übernimmt zentrale Teile der Ansteuerung. Er lässt sich verhältnismäßig leicht einbauen und der Strombedarf ist relativ gering. „Im Gegenteil lässt sich hierdurch Strom einsparen. Während bei ungeregelten Systemen etwa das Halten eines Zustands permanent Bestromung bedeutet, was auch Akkus und Batterien schnell entleert, genügt hier für die richtige Stellung ein Stromimpuls. Für das Halten selbst benötigen wir nur minimale Energie“, erläutert er.

Hinter all dem steht eine ausgeklügelte Technik. So sind etwa die Signale, die die Forscher aus der Spule erhalten, für sich gesehen alles andere als aussagekräftig, vielmehr sind sie stark verrauscht. „Wir glätten diese Signale mithilfe einer eigens entwickelten, patentierten Methode“, erklärt Nienhaus. Die Antriebstechniker filtern die eigentlichen Messsignale heraus. „Man kann es in etwa damit vergleichen, als würde man bei einer Autofahrt, bei der der Wagen mal schnell, mal langsam fährt, ständig die mittlere Geschwindigkeit berechnen“, verdeutlicht Nienhaus. Aus den Ergebnissen können die Forscher präzise rückschließen, wo der Bolzen in der Wicklung steht. „Es entsteht ein praktisch unverrauschtes Messsignal. Und dieses können wir nutzen, um den Bolzen zu positionieren, sogar noch ein Stück außerhalb der Spule“, erläutert er.

Auf der Hannover Messe zeigen die Ingenieure ihr Verfahren und demonstrieren dessen Präzision und Dynamik, indem sie eine schwebende Stahlkugel so ansteuern, dass sie nach Belieben auf und ab schwebt: nur mit Stromsteuersignalen, ohne zusätzliche Sensoren.

Hintergrund:
Die Forschung wurde vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert.
Bei der Entwicklung des Mikrochips arbeiteten die Forscher mit dem Fraunhofer Institut für mikroelektronische Schaltungen (IMS) in Duisburg zusammen

Fragen beantwortet:
Prof. Dr. Matthias Nienhaus (Lehrstuhl für Antriebstechnik der Universität des Saarlandes)
Tel.: 0681 302-71681; E-Mail: info@lat.uni-saarland.de

Weitere Informationen:
https://www.uni-saarland.de/lehrstuhl/nienhaus.html

Hannover Messe
Valves and locking devices can open halfway and close softly even without sensors

New technology is making it possible to control valves and locking devices without the need for any additional sensors. A metal piston, a tiny chip and small pulses of current – that’s all that the drive systems specialists led by Professor Matthias Nienhaus of Saarland University need for their sustainable and cost-effective technology. The continuously adjustable piston can move back and forth slowly or quickly as required, can hold any position and can return softly to its stop position if desired. The patented actuation technology requires very little energy and can be integrated into systems via a specially developed chip. The team will be showcasing their innovative technology at the Hannover Messe from April 17 to 21 (Hall 002, stand B34).

They close, open, dose and mix: solenoid valves are used in millions of applications, from automatic locking systems for doors to dishwashers, heating and compressed air systems or in the food industry. Although they are fast and reliable, they are also usually quite inflexible. Standard solenoids are able to ‘open’ and – often rather abruptly – ‘close’. However, if they need to open slowly or especially quickly, hold a certain position or land softly and silently at the stop position, things tend to get expensive. Additional sensors then have to be integrated into the system, requiring the installation of technical components and cables, and invariably complicating matters. During operation, these more complex designs then consume more power. If a locking device needs to hold a position such as ‘open’ or ‘closed’ – as is the case with some fire doors – this can mean continuous power consumption, which can really start to become costly.

The sustainable solutions developed by Professor Matthias Nienhaus’ research group at Saarland University do not require any additional sensors. Especially when it comes to systems that continuously need power to hold a position such as ‘open’ or ‘closed’, the new technology can minimize the energy required. All that's needed is a magnetically conductive metal pin in a coil of wound copper wire and a small microchip within the drive electronics. 'We don’t need anything else. We only use the original components of a simple solenoid,' explains Matthias Nienhaus. This means their technology can be used even in harsh environments. 'This is where systems that rely on sensors often reach their limits, such as when oil or brake fluids are involved,' says drive specialist Nienhaus.

By simply evaluating the current that flows through the coil in order to move the valve piston, the Saarbrücken researchers can detect the position of the piston and control it quickly and accurately. The electric current provides the engineers with all the information they need. “We monitor the inductance. We analyse the flow of the current in the winding over time. What that means is that we measure voltage and current, look at fluctuations over a certain period of time, analyse them and use them to observe the magnetic state,” explains doctoral student Niklas König, who is researching this process as part of his doctoral thesis with Matthias Nienhaus.

The magnetic state and thus the current fluctuations change depending on where the piston is at any given time. 'This enables us to know precisely where the piston is. Using this information, we can control the position of the pin efficiently and precisely,' explains Niklas König. This means that the engineers can move the piston slowly or very quickly as required – or they can move it quickly but then ensure it moves softly just before it reaches the designated stop position. In order to achieve this, the researchers have modelled movement sequences and can use intelligent algorithms to individually program the different piston positions. The system can also be used to monitor whether a specific position of the pin is maintained, for example whether the valve is actually closed, thus enabling an integrated safety check to be performed. All of these innovative capabilities expand the potential areas of application for the technology.

This elegant solution is also cost-effective. 'Our technology comes as a complete package that includes the associated microelectronics,' explains Matthias Nienhaus. The chip that they have developed contains all the patented technology and handles the key parts of the control system. It is comparatively easy to install and the amount of power required is relatively low. 'In fact, it can even save electricity. With an unregulated system, holding a specific position requires a continuous supply of energy and can quickly drain the batteries. With our invention, in contrast, evaluating small current pulses is all that is needed to ensure the correct position and only minimal energy is required to maintain it,' he explains.

The invention is based on sophisticated technology. The signals that the researchers receive from the coil are not very informative in themselves; on the contrary, the signals are very noisy. 'We smooth these signals using a specially developed, patented method,' Nienhaus explains. The engineers filter out the relevant measurement signals. 'It is rather like continuously calculating the average speed when driving a car, where you are sometimes driving quickly and sometimes slowly,' Nienhaus elaborates. The results allow the researchers to precisely determine where the pin is located in the winding. 'The result is an almost noiseless measurement signal. We can use this to position the pin precisely, even if it slightly outside the coil,' he explains.

At the Hannover Messe, the engineers will showcase their technology and demonstrate its precision and dynamics by controlling a floating steel ball so that it floats up and down on command – using only current control signals and without any additional sensors.

The research was funded by the German Ministry for Economic Affairs and Climate Action (BMWK).
The microchip was developed in collaboration with the Fraunhofer Institute for Microelectronic Circuits and Systems (IMS) in Duisburg.

Questions can be addressed to:
Contact: Prof. Dr. Matthias Nienhaus (Actuation Technology, Saarland University)
Tel.: +49 681 302-71681; Email: nienhaus@lat.uni-saarland.de:
Further information:
https://www.uni-saarland.de/lehrstuhl/nienhaus.html
 

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