Veranstaltungsbericht

Europa-Podium: Wer schafft das Europa von morgen? Zivilgesellschaftliche und politische Antworten sowie Positionen aus der Großregion

20. Januar 2021, 18.00 Uhr, Online-Veranstaltung auf Zoom mit Livestream auf Facebook

Das Jahr 2020 wurde weltweit überschattet von der Corona-Pandemie: Die ersten Krisenentscheidungen fanden auf nationaler Ebene statt, so auch innerhalb der Europäischen Union (EU). Ein gemeinsames europäisches Handeln im Sinne des Ideals der europäischen Solidarität wurde hintenangestellt. Die daraus resultierenden gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Folgen dieser nationalstaatlichen Entscheidungen wurden besonders in den Grenzregionen Europas – so auch in ‚unserer‘ Grenzregion – spürbar.

Die noch immer aktuelle Gesundheitskrise und ihre Auswirkungen auf Europa nahmen die Veranstaltungsorganisatoren zum Anlass, um im Rahmen des jährlich stattfindenden „Europa-Podiums in der Deutsch-Französischen Woche“ zu beleuchten, welche und wie Akteur:innen der Zivilgesellschaft sich für ein vereintes Europa stark machen, wie Zivilgesellschaft und Politik interagieren und welches Europa für die Zukunft geschaffen werden soll.

Zu Beginn der Diskussion legten die Podiumsgäste ihre Sicht der Dinge dar. Jean-Marie Adam wies darauf hin, dass es für ein funktionierendes Europa nicht nur die Politik, sondern zivilgesellschaftliche Akteur:innen brauche. Alexander Koch führte diesen Gedanken weiter und sprach sich für ein Recht für Bürger:innen auf kulturelle Handlungsfähigkeit aus. Zu viele Restriktionen – in allen Bereichen, nicht nur in der Kultur – beförderten eine Desintegration. Die Zeit nach der Gesundheitskrise könnte die Unzufriedenheit in der Bevölkerung wachsen lassen, gerade weil 2020 deutlich wurde, dass Politik schnell und zielgerichtet handeln kann.

Die Beteiligung von Bürger:innen nahm auch Dr. Stefan Seidendorf in den Blick, der eine Frustration innerhalb der grenzüberschreitenden Zivilgesellschaft konstatierte. Er stellte die Frage in den Raum, wie Teilhabe ermöglicht werden und wie Wünsche und Ideen in der Politik umgesetzt werden könnten. Mit Blick auf die Corona-Pandemie stellte Isabelle Maras fest, dass grenzüberschreitende Verbindungen, unter anderem durch die Grenzschließungen, zwar in Frage gestellt worden, es sich aber gezeigt habe, dass diese trotz Krisensituation stabil geblieben seien.

Diese unterschiedlichen Annäherungen an das Thema mündeten in eine facettenreiche Diskussion, bei der die Zukunftsperspektiven für Zivilgesellschaft und Politik im Mittelpunkt stand. Betont wurde der wachsende Wunsch von Jugendlichen nach Europa. Die eingeschränkte Mobilität verhindere im Augenblick zwar Projekte, zeige aber, dass lokale Aktivitäten, auch in der Großregion, und interkulturelles zivilgesellschaftliches Engagement an Bedeutung gewännen. Eine zunehmend regionale Ausrichtung Europas – angesichts einer womöglich längeren eingeschränkten Mobilität – mit vernetzten lokalen Aktivtäten schaffe neue Wege, Europa in konkreten Projekten positiv zu kommunizieren, die Bürger:innen direkt in ihrem Alltag betreffen.

Eine greifbare Veränderung für das zukünftige Europa wäre eine Reform des Wahlsystems – wählbar sind derzeit nur nationale Listenvorschläge. Um politische Vertreter:innen mit einem bi- oder trinationalen Fokus und die Zivilgesellschaft zu stärken, wäre es daher denkbar grenzüberschreitende Wahlkreise einzurichten.

Die Podiumsgäste betonten die wichtige Rolle der Nichtregierungsorganisationen (NGOs), für die Gestaltung Europas. Deren Expertise in unterschiedlichen Bereichen sei notwendig für die Politik und müsse mehr Gehör finden. In diesem Rahmen sollten Stiftungen eine stärkere Rolle spielen und ihre Zusammenarbeit in Europa verstärken, um Finanzierungsmöglichkeiten für zivilgesellschaftliche Akteur:innen zu schaffen. Grundsatz müsse jedoch die Beteiligung der Bürger:innen sein ; eine Arbeit, die lediglich top down organisiert wäre, könne diese Ziele nicht erreichen. Die EU könne nicht durch bürokratische Maßnahmen eine Beteiligung der Bürger:innen ‚diktieren‘. Konkrete Beispiele aus den Grenzregionen könnten als Modell für Gesamteuropa dienen.

Der Abend schloss mit der Frage nach der Idee eines Europäischen Sozialen Jahres: Die Podiumsteilnehmenden stimmten überein, dass es sich hierbei um eine gute Möglichkeit handele, um ein europäisches Gemeinschaftsgefühl zu schaffen. Es wäre jedoch notwendig, ein Programm anzulegen, das sich nicht nur auf den sozialen Bereich fokussiert, sondern auch Themen wie Ökologie und Kultur miteinschließt. Zudem müsse es – ohne einengende Voraussetzungen – offen für alle jungen Europäer:innen sein.

(Sylvi Siebler M.A./Dr. Daniel Kazmaier, Frankreichzentrum der Universität des Saarlandes)

Kooperationsveranstaltung des Frankreichzentrums mit der ASKO Europa-Stiftung, der Europäischen Akademie Otzenhausen und dem Informationszentrum EUROPE DIRECT Saarbrücken, in Partnerschaft mit dem Goethe Institut Nancy und dem Institut français Saarbrücken. Gefördert durch das Deutsch-Französische Jugendwerk.