Veranstaltungsberichte

Veranstaltungsberichte

Vortrag von Dr. Barbara Kunz im Stadtarchiv Saarbrücken, 07.06.18

Verschiedene Welten – gemeinsame Ziele: Wie kommen Frankreich und Deutschland verteidigungspolitisch zusammen?
Barbara Kunz (Institut français des relations internationales, Paris) befasste sich in ihrem Vortrag mit den deutsch-französischen Beziehungen im Bereich der Verteidigungspolitik. Sie stellte die These auf, dass es zwischen den beiden Nachbarländern trotz großer Bemühungen der vergangenen Jahre und trotz dem Anschub von Emmanuel Macron keine erfolgreiche Zusammenarbeit in diesem Bereich stattgefunden hat. Diese schwere Zusammenarbeit führt Barbara Kunz auf die verschiedenen „strategischen Kulturen“ zurück, die stark in den beiden Ländern von den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs geprägt sind. Deutschland mit seiner parlamentarischen Armee und seinem Willen, immer multilateral militärisch zu intervenieren, ist den interventions- und effizienzorientierten Franzosen zu langsam und zu skeptisch. Beide Länder stehen vor großen Herausforderungen. Knackpunkte für die zukünftige Kooperation werden unter anderem die Entwicklung der PESCO im Rahmen der Europäischen Union, die Frage der Material- und Waffenexporte sowie die Gründung der von Macron vorgeschlagenen „Europäischen Interventionsinitiative“ sein.
Zur Vertiefung: Barbara Kunz u.a., Mind the gap. How France and Germany can spearhead joint foreign policy initiatives now, DGAPkompakt, 2018 (https://dgap.org/en/article/getFullPDF/30467)

Maude Williams

 

Vortrag von Günter Liehr im Stadtarchiv Saarbrücken, 24.05.18

Unter der Fragestellung "Überfordert die Flüchtlingskrise das Land der Menschenrechte?" präsentierte der in Paris lebende Journalist Günter Liehr aktuelle und historische Entwicklungen des französischen Umgangs mit Migranten.
Ausgehend von einem geschichtlichen Querschnitt zur Migration im Frankreich des 19. und 20. Jahrhunderts verdeutlichte Liehr, dass die Grande Nation als Einwanderungsland zu sehen sei, dass sie jedoch gleichzeitig während der Hochphase der sog. Flüchtlingskrise eine eher ablehnende Haltung eingenommen habe. Dabei betonte er, dass der Umgang mit den Migranten abhängig von der jeweiligen Konjunktur stets zwischen verschiedenen Ebenen oszillierte: zwischen einer toleranten/ humanitären Linie (basierend auf dem Selbstverständnis als Land der Menschenrechte) und einer rigiden Linie (aufgrund des wachsenden Drucks durch den FN) sowie zwischen dem Engagement der Zivilbevölkerung und den konkreten Maßnahmen der Politik. Zudem stellte der Publizist heraus, dass die Migranten sich aktuell in Frankreich anders als in Deutschland stark in einzelnen Ballungsgebieten konzentrierten: vor allem in Paris, in Calais ("Dschungel von Calais") sowie im Roya-Tal an der italienischen Grenze.
Zu Macrons Flüchtlingspolitik meinte der Referent abschließend, dass hier ein Widerspruch zwischen Wort und Tat herrsche: einerseits lobende Worte für die Politik von Kanzlerin Angela Merkel, andererseits eine rigide Abschiebepraxis unter Innenminister Collomb, welche sich auch im neuen Zuwanderungsgesetz widerspiegelt.

Philipp Didion

 

Vortrag von Prof. Dr. Dr. h.c. em. Rainer Hudeman im Stadtarchiv Saarbrücken, 17.05.18

Im heutigen Teil der Vortragsreihe zu Macrons neuem Frankreich referierte Prof. Rainer Hudemann von der Universität des Saarlandes unter dem Titel "Geteilte Erinnerung? Zum Umgang mit den beiden Weltkriegen in Deutschland und Frankreich". Er ging dabei vor allem auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Nachbarländer in der Auseinandersetzung mit ihrer geteilten Vergangenheit ein. Denn in der Konfrontation mit dem vielfältigen Erbe der beiden Weltkriege kommen tiefgreifende Unterschiede in den politischen Kulturen beider Länder zum Ausdruck. Viele Gründe dafür sind offensichtlich, andere sind komplizierter. Die Phasen der Erinnerung verlaufen in beiden Ländern unterschiedlich, ihre Gegenstände sind jedoch nicht immer gleichermaßen gegensätzlich. Wirkungsmächtige Symbole haben stets von neuem den Gemeinsamkeiten Ausdruck verliehen – und doch zugleich wieder Kontraste demonstriert, so Hudemann. Erinnerung wird vielfach geteilt und bleibt dennoch geteilt. Solche Zusammenhänge beleuchtete Hudemann aus heutiger Perspektive und zeigte auf, welche Wirkungen und Dynamiken sie bis in die Gegenwart haben.

Rainer Hudemann, Felicitas Offergeld

Vortrag von Dr. Birgit Metzger im Stadtarchiv Saarbrücken, 03.05.18

Fifty Shades of Green – Eine deutsch-französische Annäherungsgeschichte aus Liebe zur Umwelt

 "Make our Planet great again!" – Macron verkündete mit diesem Slogan im vergangenen April vor dem US-Kongress die Neuausrichtung der französischen Umweltpolitik und distanzierte sich gleichzeitig von der Haltung Trumps, der das Pariser Klimaabkommen aufgekündigt hatte. Dennoch bleibt das staatliche Verhältnis zu Naturschutzfragen im Land des Käses und der Bauern angespannt: Nur eine Woche vor seinem Auftritt in den Vereinigten Staaten ließ der französische Präsident mit großen Polizeiaufgebaut das von Naturschützern besetze Gelände ZAD bei Notre Dame des Landes räumen. In Deutschland, einem Land, dessen Einwohner den Umweltschutz nahezu unisono als identitätsstiftend deklarieren und sich gleichzeitig als begeisterte Autonation verstehen, steigert sich der Abgasskandal zur Wesensfrage: Was ist wichtiger Wirtschaft oder Umwelt?

Birgit Metzger untersuchte in ihrem Vortrag "Global denken, grenzübergreifend handeln? Die Umweltbewegung in deutsch-französischer Perspektive" die Vorgeschichte zu den aktuellen Debatten. Die Verflechtungen der Naturschutzbewegungen diesseits und jenseits des Rheins reichen bis in die 1960er Jahre zurück. Die Saarbrücker Historikerin stellte vier Merkmale für diese Sonderform der Neuen Sozialen Bewegungen (NSB) heraus: 1. Globales ökologisches Umweltbewusstsein, 2. Umweltverbände, 3. Lokale Konflikte und 4. Grüne Parteien.

Seit Ende der 1960er Jahre entwickelte sich ein globales, transnationales Bewegungssystem, das durch ein weltweit vernetztes Denken auf Grundlage der Ökosystemtheorie entstand. Französische und deutsche Gruppen trugen zum gesteigerten internationalen Interesse an Umweltfragen, die stets kontrovers diskutiert wurden, wesentlich bei. Durch lokale Konflikte, die sich nicht selten am geplanten Bau von Atomkraftwerken in Grenznähe entzündeten, erhielten deutsche und französische Aktivisten Kontakt zu ihren Mitstreitern im Nachbarland. Sie entwickelten gemeinsame Protestformen, organisierten gemeinsame Aktionen bzw. Projekte und halfen sich gegenseitig aus – die Transnationalität der Umweltbewegung bildete für sie einen zentralen Pfeiler ihrer Legitimität. Ein weiterer bestand in der Heterogenität der Bewegung: Gleichermaßen beteiligten sich (in Frankreich und der Bundesrepublik) konservative Bauern sowie linke Intellektuelle bzw. linke Aktivisten an den Aktionen zum Schutze der Natur.

Zum Abschluss ihres Vortrages thematisierte Birgit Metzger die zunehmende Institutionalisierung der Umweltbewegung, die sich ab den 1970er Jahren zunächst in Verbands- und Parteigründungen manifestierte. Während die Verbände stark transnational agierten, verschrieben sich die grünen Parteien stärker nationalen Themen. Eine Gemeinsamkeit blieb aber zwischen grünen Parteien in Deutschland und Frankreich bestehen: In ihnen engagierten sich Konservative und Linke. In Frankreich entstanden deshalb zahlreiche Parteiabspaltungen, die nur ein Kennzeichen für die Schwierigkeiten der Verts in Frankreich sind; in Deutschland prägen Flügelkämpfe bis heute Bündnis 90/die Grünen, die aber dennoch zu einer maßgeblichen politischen Kraft in der deutschen Parteienlandschaft geworden sind.

Jasmin Nicklas

 

Vortrag von Prof. Dr. Christoph Barmeyer im Stadtarchiv Saarbrücken, 26.4.18

"Die Franzosen sind immer zu spät.", "Les Allemands ne peuvent jamais se détendre.": Im Kontext solcher problematischen Stereotype stellte Prof. Dr. Christoph Barmeyer (Universität Passau/ Université Paris-Dauphine) als dritter Referent der Vortragsreihe zu Macrons neuem Frankreich seine Forschungen zur deutsch-französischen Unternehmenskulturen vor. Konkret präsentierte er unter dem Titel "Deutsch-französische Arbeitskulturen: Interkulturelle Herausforderungen und Synergien" seine Fallstudien zu den deutsch-französischen Kooperationen ARTE und Alleo (ein Zusammenschluss von Deutscher Bahn und SNCF).

Deutsch-französische Zusammenarbeit als Kern Europas: Ausgehend von dieser These legte Barmeyer zunächst dar, wie sehr die jeweilige Kultur eines Landes auch einen Einfluss auf dessen Organisations- und Arbeitspraktiken hat. Die durch das Zusammenspiel zweier Länder entstehende Interkulturalität birgt daher eine Chance zum Austausch und zur Erweiterung des eigenen Horizonts. Gleichzeitig verwies er darauf, dass bei bikultureller Zusammenarbeit generell eine übersteigerte Betonung der (möglichen) Problemfelder zu konstatieren ist. Grundlage für eine gelungene Kooperation sind Kompromisse: Nur, wenn beide Seiten in der Lage sind, gemeinsam neue Regeln und Verhaltensweisen auszuhandeln, können Innovationen entstehen.

Seine Forschungsbefunde zu ARTE und Alleo verdeutlichten einerseits die nationalkulturellen Unterschiede (z.B. eine straffere Hierarchie in Frankreich, eine stärker normierte Werbepraxis in Deutschland oder divergierende berufliche Rollenzuweisungen) andererseits aber auch die Möglichkeit einer sich entwickelnden "ausgehandelten Kultur", die echte Innovationspotentiale mit sich bringt. Abschließend skizzierte der Referent Erfolgsfaktoren einer solchen Unternehmenskooperation, die auch auf andere Bereiche übertragen werden können: Neben einer möglichst weitgehenden Symmetrie, beispielsweise durch die Etablierung binationaler Tandems, scheinen hier auch Schnittstellenmitarbeiter, die als Vermittler auftreten, erfolgsversprechend zu sein. Außerdem sind Motivation, deutsch-französische Mehrsprachigkeit (im Gegensatz zu Englisch als Verkehrssprache) sowie interkulturelle Kompetenz und Personalentwicklung essentielle Faktoren für das Gelingen transnationaler Zusammenarbeit.

In der nachfolgenden Diskussion kamen auch die Kooperationen bei Airbus sowie OPEL/PSA mit ihren jeweiligen Spezifika zur Sprache und es konnten Ausblicke auf andere Partnerschaften im Zuge der wachsenden Internationalisierung (z.B. Renault und Nissan) gegeben werden.

Philipp Didion

 

Vortrag von Prof. Dr. Joachim Schild im Stadtarchiv Saarbrücken, 19.04.18

Prof. Dr. Joachim Schild referierte am 19.4.18 im Rahmen der Vortragsreihe "Französische Wochen" zu dem Thema "Deutschland, Frankreich und die europäische 'Relance'. Die Europäische Union aus deutscher und französischer Perspektive". Der Politikwissenschaftler von der Universität Trier untersuchte dabei die Ambitionen Frankreichs in der Europapolitik, mit welchen Strategien diese umgesetzt werden sollen und welche Rolle Deutschland als engster Partner bei deren Umsetzung spielt.
Emanuel Macron wurde im Jahr 2017 zum französischen Präsidenten gewählt. Die Europäische Union befand sich zu dieser Zeit bereits in einer kritischen Entwicklungsphase, in der mehrere Krisen parallel verliefen ("Polykrise"). Auch in Frankreich wuchs zunehmend die Europaskepsis. In diesem Kontext gewann Macron mit einer offensiven Europapolitik die Wahl: Er trat und tritt immer noch für eine aktive Integration innerhalb der EU ein. Er entwickelte einen Fahrplan inklusive Reformvorschlägen für Schlüsselbereiche innerhalb der Politik. Laut Joachim Schild sind Macrons primäre Ziele zum einen „ein Europa, das schützt“, und zum anderen eine Stärkung der europäischen Souveränität. Mit erfolgreichen Reformen im Inland und mit Deutschland als zentralem Partner auf internationaler Ebene soll eine Vereinigung Europas wieder erreicht werden. Die Antwort der Bundesregierung auf Macron folgte bereits durch den neuen Koalitionsvertrag. Aus historischer Perspektive sind dabei besonders die Pläne zur Erneuerung des Elysée-Vertrages hervorzuheben. Neben gemeinsamen deutsch-französischen Interessen kristallisierte Schild auch Unterschiede bei den angestrebten Zielen heraus. Große Bedenken seitens der Bundesrepublik gibt es vor allem bei der Bereitschaft, militärische Risiken zu übernehmen. Gleichzeitig hat sich während der Ausführungen von Joachim Schild gezeigt, dass Emmanuel Macron für Deutschland ebenfalls ein wichtiger Partner ist. Aus deutscher Sicht wird Macron sowohl als Chance als auch als Herausforderung angesehen. Hier muss eine Balance gefunden werden: Einerseits muss die Bundesrepublik ihre Interessen wahren, andererseits soll sie Frankreich unterstützend zur Seite stehen. In der abschließenden und sehr angeregten Diskussion ging es u.a. um die Ausgestaltung der zukünftigen europäischen Finanzpolitik.

Saskia Lennartz

 

Vortrag von Dr. Eileen Keller im Stadtarchiv Saarbrücken, 12.4.18

Im Saarbrücker Stadtarchiv wurde am 12.04.2018 die Ausstellung "Französische Wochen in Saarbrücken und im Saarland" eröffnet. Die kleine, aber feine Ausstellung wird bis Ende Juni wöchentlich wissenschaftlich von einer Vortragsreihe zu aktuellen, deutsch-französischen Themen begleitet. Den Auftakt gestaltete Dr. Eileen Keller vom Deutsch-Französischen Institut in Ludwigsburg mit ihrem Vortrag unter dem Titel "Politisches System und politische Kultur in Frankreich: auf dem Weg zu neuen Konturen?" Die Sozial- und Politikwissenschaftlerin ordnete den Wahlsieg Emmanuel Macrons aus dem Mai 2017 und seine seitherige Politik in die französische Politik insgesamt ein und gab damit eine erste Einschätzung zu den jüngsten Ereignissen in Frankreich ab. Sie machte dabei zunächst deutlich, dass etwa die zentrale Rolle des Präsidenten typisch ist für die französische Politiklandschaft oder auch dass sich das Parteiensystem im Vergleich zu Deutschland viel mehr im stetigen Wandel befindet. Beides wird durch das Auftreten von Macron bestätigt: Er präsentiert sich selbst als "Heilsbringer" und seine junge Bewegung "En Marche" hat die anderen Parteien und Gruppierungen derart durcheinandergewirbelt, dass beispielsweise die Zukunft der Sozialisten nun völlig offen ist. Als typisch für die politische Kultur Frankreichs beschrieb Keller unter anderem auch die hohe Erwartungshaltung vieler Franzosen an einen starken Staat. Dem begegnet der neue Präsident mit einer großen Fülle an Reformen, die er in überdurchschnittlich hoher Geschwindigkeit anstieß. Die zuletzt in der französischen Bevölkerung gewachsene Skepsis gegenüber Europa und der EU konnte Macron zudem zumindest ein wenig abfangen. Dr. Eileen Keller schloss ihren Vortrag mit einem kleinen Ausblick in die Zukunft, indem sie sich die Frage stellte, wie sich Macrons Politik auf die zukünftigen Präsidentschaftswahlen auswirken könnte.

Felicitas Offergeld