18.11.2021

Deutsch-Französischer Diskurs: "Le sexe sous l’empire"

Vortrag von Prof. Dr. Jacques-Olivier Boudon (Sorbonne Université, Paris) im Rahmen des Deutsch-Französischen Diskurses.

Am Donnerstag, 18. November, von 18.00 bis 20.00 Uhr
Auf dem Saarbrücker Campus, Gebäude A4 1, Raum 3.24

Gastgeberin ist Prof. Dr. Gabriele Clemens (Geschichte) 

Der Niedergang des Ancien Régimes führte auch zu einer sexuellen Revolution, deren Auswirkungen auf mehreren Ebenen gemessen werden. Das – zumindest vorläufige – Ende des Einflusses der Katholischen Kirche auf die Gesellschaft hatte eine große Ausbreitung der Geburtenkontrolle zur Folge, die in Frankreich als erstem Land in diesem Umfang praktiziert wird. Gewiss entwickeln sich die sexuellen Praktiken an sich nur langsam und die große Mehrheit der Franzosen lebt eine eher oberflächliche Sexualität aus, die mit prekären Lebensbedingungen, späten Eheschließungen und der Promiskuität des Elternhauses zusammenhängt. Dennoch betrachtet der Vortrag die verschiedenen Facetten dieser Sexualität, die vorehelichen Beziehungen, die Hochzeitsnacht, die Selbstbefriedigung und das tägliche Leben der Eheleute. Es gibt nur wenige direkte Zeugnisse von diesen Praktiken, aber gerichtliche Quellen geben häufig Auskunft, insbesondere zu Kindesmord, Vergewaltigung oder Fällen von Bigamie. 

Als Kontrapunkt wird die Sexualität der Führungsschicht untersucht, beginnend mit Napoleon und seinen Familienmitgliedern. Der ausschweifende Lebensstil, der im 18. Jahrhundert herrschte und unter dem Directoire wiederbelebt wurde, verschwand im Kaiserreich nicht – trotz einer Politik, die auf eine strengere Kontrolle der Sitten abzielte und vor allem das Volk betraf. Unter diesem Gesichtspunkt wurde mit dem Code civil und später mit dem Code pénal eine neue moralische Ordnung eingeführt, ohne die Entkriminalisierung der Prostitution oder der Homosexualität in Frage zu stellen. Eine Analyse der erotischen Literatur bestätigt diese Tendenz, die Gesellschaft moralisieren zu wollen. Dies ist weit entfernt von den Werken, die Sade Ende des 18. Jahrhunderts veröffentlichte, als er selbst interniert war. 

Weitere Informationen unter d.kurz@mx.uni-saarland.de