23.08.2023

Internationale Tagung behandelt Auswirkungen der Kreuzzüge – vom Hochmittelalter bis heute

Wie sich die Kreuzzüge des Hochmittelalters auf die beteiligten Gesellschaften und Mentalitäten auswirkten, ist Thema einer internationalen Tagung der Fachrichtung Geschichte der Universität des Saarlandes am 8. und 9. September 2023 in Saarbrücken: Zur englischsprachigen Konferenz mit dem Titel „Facing the Other – how the crusades changed mentalities and societies…” werden Expertinnen und Experten unterschiedlicher Disziplinen aus West und Ost erwartet.

Wie hat die Begegnung der Kreuzfahrer mit den Einheimischen die Sicht auf die jeweils anderen verändert – und wie veränderte sich die kreuzfahrende Gesellschaft selbst? Wie prägt die „große Zeit“ der Kreuzzüge im 12. Jahrhundert Europa bis heute? Das will die Tagung erkunden, die Christian Vogel, Dozent für die Geschichte des Mittelalters an der Universität des Saarlandes, organisiert. Dazu hat er Forscherinnen und Forscher aus Sofia, der Schweiz und Deutschland eingeladen. „In den Vorträgen sollen diese Fragen aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden: aus der Sicht slawischer und griechischer Christen, aus der Sicht tartarischer, türkischer und syrischer Muslime“, erklärt der promovierte Historiker und Jurist.

Das Ziel der meisten Kreuzritter, die sich zwischen 1100 bis 1300 auf den Weg in den Nahen Osten machten, war Jerusalem. „Die Kreuzzüge galten in Europa zunächst als stark ritualisierte Form der Buße“, erläutert Christian Vogel. 1187 geriet Jerusalem durch Sultan Saladin unter muslimische Herrschaft. „Das löste in Europa eine Schockwelle aus und führte zu neuen Kreuzzügen, denen sich unter anderem Kaiser Barbarossa und der englische Herrscher Richard Löwenherz anschlossen.“ 
In dieser Zeit sei der Mythos des „Heiligen Grals“ aufgetaucht, der für das verlorene Jerusalem stehe. Die Gralssuche wurde zu einem literarischen Symbol des Rittertums, ein Mythos, der bis heute in zahlreichen Romanen und Erzählungen immer wieder neu auflebt.

Unter Papst Innozenz III, der 1198 zum vierten Kreuzzug aufrief, fand ein Mentalitätswechsel statt: Die ritualisierte Buße verlor an Bedeutung, im Gegenzug entstanden Beichte und Predigt; Gläubige sollten auch die Hintergründe der Buße verstehen. „Diese Bußtheologie beeinflusst bis heute unser Strafrecht, das sonst in dieser Form nicht existieren würde“, sagt Christian Vogel. „Das Zeitalter der Kreuzzüge ist eine Zeit des Aufbruchs – im positiven wie im negativen Sinne“, fasst der Wissenschaftler zusammen. Mit dem Aufkommen der Scholastik beispielsweise entstand eine Verbindung zwischen Glauben und Vernunft, zum ersten Mal wurden Autoritäten infrage gestellt, und die Schriften des Aristoteles verbreiteten sich im Abendland. Gleichzeitig jedoch gab es eine stärkere Rückbesinnung auf Religion und den „richtigen Glauben“, und es kam zu Fanatismus und zur Verfolgung von Ketzern.

„Ohne das Hochmittelalter kann man Europa nicht erklären. Beispielsweise setzte sich in dieser Zeit der Papst, der bisher als ‚Primus inter Pares‘ galt, an die Spitze der lateinischen Kirche; damit stieß er jedoch beim Patriarchen von Konstantinopel auf Widerstand.“ Dies und andere „unschöne Begleiterscheinungen“ der Kreuzzüge, beispielsweise der Reliquienraub aus Konstantinopel auf dem vierten Kreuzzug im Jahr 1204, haben entscheidend zur Spaltung der West- und Ost-Kirche beigetragen. Auch auf ganz anderen Ebenen zeigt sich die Entfremdung zwischen West und Ost, beispielsweise bei der Begegnung von Priestern und Mönchen vor Ort: Während sich Geistliche in der lateinischen Kirche (zumindest ab und an) rasierten, taten dies griechische Priester niemals. In der Folge kam es dazu, dass lateinische Priester regelrecht aus griechischen Kirchen hinausgeprügelt wurden. 

Die Tagung ist Teil des Programms Ostpartnerschaften und setzt eine Kooperation fort, die im vergangenen Jahr mit einem Austausch begonnen wurde. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Saarbrücken, Sofia und der Schweiz kommen aus verschiedenen Disziplinen (Byzantinistik, Osmanistik, Slawistik und Geschichte). 
Finanziell unterstützt wird die Konferenz vom Deutschen Akademischen Austauschienst (DAAD) sowie aus Mitteln der Hochschulallianz „Transform4Europe“. 

Die Tagung „Facing the Other – how the crusades changed mentalities and societies…” in der Hermann-Neuberger-Sportschule 5 (Tagungsraum 55) beginnt am Freitag, 8. September, um 14.00 Uhr. 

Detailliertes Programm und weitere Infos unterwww.uni-saarland.de/fileadmin/upload/aktuell/pdf/2023/Kreuzzuege_Tagung.pdf

Fragen beantwortet:
Christian Vogel
Akademischer Oberrat a.Z.
Geschichte des Mittelalters
Universität des Saarlandes
E-Mail: ch.vogel@mx.uni-sarland.de
Tel.: 0681 302-2773