12.07.2022

Interdisziplinäre Teams erforschen neuartige Wirkstoffe gegen Virusinfektionen

Portrait von Sigrun Smola im Labor
© Rüdiger KoopProf. Dr. Sigrun Smola

Gegen viele Viruserkrankungen gibt es keinen Impfstoff oder keine Therapie. Die VolkswagenStiftung fördert nun drei Projekte der Saar-Universität und des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) zur Erforschung antiviraler Substanzen. Insgesamt werden die Vorhaben mit rund 1,9 Millionen Euro gefördert. 700.000 Euro davon fließen in das Projekt ANTIPOLE, das von Sigrun Smola, Professorin an der Saar-Universität und Leiterin einer Forschungsgruppe am HIPS, geleitet wird.

Nach einer Transplantation muss das Immunsystem unterdrückt werden, damit das transplantierte Organ nicht abgestoßen wird. Dies führt häufig zum Wiederaufflammen von latenten Virusinfektionen, die zur erheblichen Schädigung von Organen führen können. So kann sich insbesondere das weit verbreitete BK Polyomavirus in transplantierten Nieren stark vermehren und zu deren massiver Schädigung führen. Bei knochenmarkstransplantierten Patienten kann das Virus, das für gesunde Menschen keine Gefahr darstellt, schwerwiegende Blasenentzündungen auslösen.

„Bislang gibt es keinen Impfstoff gegen das Virus. Unser Ziel ist es, neue Wirkstoffe zu entdecken und außerdem unter zugelassenen Medikamenten solche zu identifizieren, die eine BK Polyomavirus-Infektion unterdrücken können, bevor es zu Organschäden kommt“, erläutert Sigrun Smola, Professorin und Direktorin des Instituts für Virologie an der Universität des Saarlandes und zugleich Leiterin einer Forschungsgruppe für die Wirkstoffentwicklung gegen persistierende virale Infektionen am HIPS. Das HIPS ist ein Standort des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig in Zusammenarbeit mit der Universität des Saarlandes. Gemeinsam mit ihren Kollegen Jörn Walter (Professor und Leiter des Instituts für Genetik an der Universität des Saarlandes) und Rolf Müller (Geschäftsführender Direktor des HIPS, Leiter der Abteilung Mikrobielle Naturstoffe am HIPS sowie Professor für Pharmazeutische Biotechnologie an der Saar-Universität) arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im „ANTIPOLE“ benannten Projekt mit spezifischen Expertisen auf den Gebieten der Virus-Immunbiologie, neuer 3D-Zellkulturtechnologien, modernster Genomik und der angewandten Arzneimittelforschung insbesondere auf der Basis von Naturstoffen, eng zusammen, um zentrale Probleme zu lösen, die bislang eine Medikamentenentwicklung gegen das BK Polyomavirus erschwert haben.

„Wir setzen innovative Methoden ein, um aus einer Vielzahl von Substanzen solche herauszufiltern, die das Virus effizient und spezifisch unterdrücken. Ein neuartiger Virusreplikationstest und innovative 3D-Zellkulturmodelle, die Patientengewebe nachstellen, erlauben es, die Medikamentenwirkung auch in komplexen in-vitro-Geweben zu testen“, erläutert Sigrun Smola die grundlegenden Techniken, mit denen sie und ihre Kollegen nach wirksamen Mitteln gegen das BK Polyomavirus suchen. „Mit genomischen Analysen untersuchen wir, ob sich das Virus unter Medikamentenwirkung verändert und sich Resistenzen entwickeln. Hieraus wollen wir neue Strategien ableiten, wie Arzneimittelresistenzen verhindert werden können“, so Smola weiter. Damit dies gelingt, fördert die VolkswagenStiftung das Projekt Antivirals for preemptive therapy of BK polyomavirus infection in transplant recipients and interference with in-host virus evolution – ANTIPOLE mit rund 700.000 Euro für die kommenden drei Jahre.

Gleich gegen mehrere virale Erreger richtet sich der Forschungsansatz von Alexander Titz, Professor für Organische und Pharmazeutische Chemie an der Universität des Saarlandes und Gruppenleiter für Chemische Biologie der Kohlenhydrate am HIPS. Im Rahmen seines Projektes wird Alexander Titz Moleküle entwickeln, welche Sialinsäure-Bindungsproteine von humanpathogenen Viren binden und blockieren. Sind diese Bindungsproteine blockiert, können Viren die Rezeptoren humaner Zellen nicht mehr erkennen und eine Infektion wird somit verhindert. Sein Konzept möchte Alexander Titz für die wichtigsten Pandemieviren sowie menschliche Viren, für die es derzeit keine ausreichenden Behandlungsmöglichkeiten gibt, etablieren. Unterstützt wird Alexander Titz in seinem Vorhaben durch Dominique Schols von der Katholischen Universität Löwen, Belgien.

Anna Hirsch, Leiterin der Abteilung Wirkstoffdesign und Optimierung am HIPS und Professorin für Medizinische Chemie an der Universität des Saarlandes, wird gemeinsam mit Thomas Pietschmann und Katharina Rox vom HZI sowie Gesine Hansen von der Medizinischen Hochschule Hannover im Projekt OPTIS neuartige Inhibitoren gegen das Humane Respiratorische Synzytialvirus (RSV) entwickeln. RSV verursacht weltweit Infektionen der Atemwege, allerdings existieren derzeit nur sehr begrenzte Behandlungsmöglichkeiten. Im Rahmen des durch die VolkswagenStiftung geförderten Projektes sollen nun Wirkstoffe entwickelt werden, die sich nicht nur durch besonders hohe Wirksamkeit, sondern auch durch eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen virale Resistenzmutationen auszeichnen. Bis zum Ende der Förderperiode soll die Wirksamkeit der entwickelten Substanzen in einem gut etablierten Mausmodell belegt werden.

Die von der VolkswagenStiftung zur Förderung ausgewählten Projekte sind auf eine Laufzeit von jeweils 36 Monaten angelegt. Die Gesamtfördersumme aller beteiligten Partner beläuft sich auf rund 1.9 Millionen Euro.


Das Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland:
Das HIPS in Saarbrücken wurde im Jahr 2009 vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung und der Universität des Saarlandes gemeinsam gegründet. Die Forscher suchen hier insbesondere nach neuen Wirkstoffen gegen Infektionskrankheiten, optimieren diese für die Anwendung am Menschen und erforschen, wie diese am besten zu ihrem Wirkort im menschlichen Körper transportiert werden können.
www.helmholtz-hips.de


Das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung:
Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) untersuchen in Braunschweig und an anderen Standorten in Deutschland bakterielle und virale Infektionen sowie die Abwehrmechanismen des Körpers. Sie verfügen über fundiertes Fachwissen in der Naturstoffforschung und deren Nutzung als wertvolle Quelle für neuartige Antiinfektiva. Als Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) betreibt das HZI translationale Forschung, um die Grundlagen für die Entwicklung neuartiger Therapien und Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten zu schaffen.
www.helmholtz-hzi.de

Weitere Informationen:

Prof. Dr. med. Sigrun Smola
Institut für Virologie
Universitätsklinikum des Saarlandes und
Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS)
Tel.: (06841) 1623931
E-Mail: sigrun.smola(at)uks.eu

Prof. Dr. Anna K. H. Hirsch
Leiterin der Abteilung Wirkstoffdesign und Optimierung
Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland
Tel.: (0681) 988062100
E-Mail: anna.hirsch(at)helmholtz-hzi.de  

Prof. Dr. Alexander Titz
Leiter der Forschungsgruppe Chemische Biologie der Kohlenhydrate
Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland
Professur für Organische und Pharmazeutische Chemie an der Universität des Saarlandes
Tel.: (0681) 988062500
E-Mail: alexander.titz(at)uni-saarland.de, alexander.titz(at)helmholtz-hips.de